Life on the Road
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21.05.2020
LIFE ON THE ROAD - mit Taktik in den Frühsommer
Hier drüben im Vereinigten Königreich befinden wir uns noch immer im Lockdown während ich diese Zeilen schreibe. Es folgen demzufolge hier keine Neuigkeiten über meine aktuelle Angelei oder Abenteuerblogs über einen Roadtrip an die großen Gewässer des Kontinents – und das, obwohl Veränderungen nun endlich in Reichweite scheinen und das lokale Angeln hier wohl bald wieder zurückkehren könnte. Es waren merkwürdige Monate mit jeder Menge Zeit zum Nachdenken, sich vorzubereiten und für das Aufarbeiten der Dinge, die im manischen Termindrang sonst immer untergehen. Normalerweise fische ich zwei bis vier Nächte pro Woche, entweder als Guide, Angellehrer oder zum Filmen. Zusätzlich versuche ich in der Regel, einen Trip pro Monat auf den Kontinent einzuschieben. So bleibt neben dem Schreiben, Bearbeiten von Filmmaterial, dem Betrieb von „Subsurface“ und dem Leben zuhause nur wenig, wenn überhaupt, Zeit zum Ausruhen. Während der Lockdown hier drüben in der UK insgesamt echt hart war und absolut kein Angeln erlaubt war, so war es doch eine großartige Zeit, um sich vorzubereiten und viele Dinge aufzuholen. Ein taktischer AnsatzNachdem es also keine Abenteuer gibt, über die ich berichten könnte, möchte ich Euch diesmal ein wenig taktisches und technisches Material anbieten. Jahrelang habe ich die Szenegewässer Großbritanniens beangelt, die oft nur schwach besetzt sind und aufgrund des harten Angeldrucks keinen nicht durchdachten Ansatz oder eine halbherzige Taktik erlauben. Die überwiegende Mehrheit der Angler an diesen schwierigen britischen Gewässern sind immer hart am Fisch … sie beobachten intensiv, sind mobil, räumen sich Zeitfenster ein, füttern Plätze, bereiten Gewässer vor, angeln mit ultra-durchdachten sowie raffinierten Rigs und Ködern. Jeder versucht auf irgendeine Art und Weise alle anderen zu übertrumpfen. All das macht das Angeln an diesen Gewässern zu einem echten Kampf. Und während man ohnehin schon immer die Karpfen zu überlisten versucht, so stellen auch die anderen Angler immer eine weitere Herausforderung dar. Obwohl meine Angelei auf dem Kontinent sich sehr von der in der UK unterscheidet, so versuche ich doch immer die gleichen Gedankenansätze mit in meine Vorüberlegungen einzubeziehen. Das führt zum gleichen Energieaufwand in die – in meinen Augen – Schlüsselfaktoren des Fangens: Location, das Aufspüren von Spots und das Einbringen des Köders. Ich habe mir ein paar generelle Gedanken über die Herangehensweise an diese Taktiken gemacht und möchte nun etwas mehr dazu in die Tiefe gehen, wie ich verschiedene Gewässer im Königreich und in Europa entschlüssele. Hoffentlich findet der ein- oder andere ein Gewässer, welches er befischt in meinen Erläuterungen wieder. Los geht es mit der UK…LocationWenn du keine Karpfen in der Nähe hast, wirst du sie NIEMALS fangen. Ein Weg, diese Fähigkeiten und den Aufwand zu umgehen, ist der Einsatz von Zeit. Aber ich habe schon immer ein viel zu stressiges Leben geführt, um wochenlang an irgendwelchen Gewässern herumzusitzen, deshalb beschränken sich meine normalen Angeltrips in Großbritannien auf 24 bis maximal 48 Stunden. Der überwiegende Teil meiner Angelei hier zuhause sind sogar die sogenannten Overnighters, bei denen ich nach der Arbeit zwischen 18 und 19 Uhr ankomme und am Folgemorgen schon früh wieder einkurbele, um dorthin zurück zu gehen. Das ist echt anstrengend, aber wenn es die einzige Option ist, dann macht man sich die Mühe nun einmal. Egal wie viel Zeit ich habe, ich investiere immer so viel Zeit wie irgend möglich für die Suche nach Fischen. Selbst wenn ich nach einer anstrengenden Arbeitswoche total abgekämpft am Wasser ankomme und es bereits dunkel ist, drehe ich dennoch meine Runden, beobachte und lausche, so lange, bis ich eine Stelle gefunden habe, an der sich der Auswurf lohnt. Einfach nur aufzubauen und die Ruten „raus zu feuern“ kommt bei mir nicht in die Tüte, denn ich fische lange genug um zu wissen, dass einem das nur Zufallsfische bringen wird. Der FrühlingsspukZu dieser Jahreszeit schienen mir die Karpfen schon immer als regelrechte Nomaden, an einem Tag können sie an diesem Ende des Sees sein, am folgenden bereits am anderen Ufer. Sie scheinen sich mehr für die Wärme der Sonne zu interessieren, sowie für das Abgrasen von frischer natürlicher Nahrung und Kraut, als für unsere Köder. Deshalb mache ich viel meiner Frühjahrslocation vom Wetter abhängig. Kalter Nordwind bringt die Fische oftmals dazu, sich auf der windabgewandten Seite Schutzzonen zu suchen, während sie bei einer frischen Brise aus Süden oftmals direkt mit dem Wind ziehen. Je mehr sich dann die Laichzeit nähert, desto öfter werden sie sich in der Nähe der Gebiete versammeln, in denen sie später auch laichen. An den meisten Gewässern handelt es sich hierbei jedes Jahr um das gleiche Szenario, wenn man sein Gewässer – vor allem die Laichbuchten – also kennt, dann kann man mit ziemlicher Sicherheit auch großartige Fänge verbuchen. Sobald die Fische dann erstmal das Liebesspiel hinter sich haben, scheinen sie sich in komplett verschiedene Kreaturen zu verwandeln und man kann sie überall im See antreffen. Nur während dieses einen Monats im Jahr sind sie mit ihren Gedanken bei etwas ganz anderem. Meiner Meinung nach sollte man sich dieses Wissen zunutze machen um regelmäßig Fische zu fangen. Die AnwendungDa Frühlingskarpfen ganz schön vorhersagbar sein können, heißt das leider zwangsläufig, dass auch jeder andere Angler weiß, wie vorhersagbar sie sind. An vielbeangelten Gewässern kann das bedeuten, dass der Kampf um die Plätze, die Flachwasserzonen abdecken, oder diejenigen, die allgemein als gute Frühlingsplätze gelten, heiß hergehen kann. Das gute an unseren Zielfischen im Frühjahr ist allerdings, dass sie oft sehr mobil sind und so findet man oft welche, wenn man nur gründlich genug nach ihnen sucht. So oft ich kann, versuche ich deshalb, bereits beim ersten Tageslicht, oder bereits in der Dunkelheit, anzukommen. Sie mittags zu sehen, während sie sich an der Oberfläche sonnen, ist okay, aber eigentlich will ich doch wirklich wissen, wo sie fressen. Und so ist das erste Tageslicht fast immer der beste Indikator dafür: Bläschen, aufgewirbeltes Sediment und langsames Zeigen von Kopf und Schultern an der Oberfläche sind todsichere Anzeichen dafür, dass die Fische aktiv fressen, ganz im Gegensatz zum „geparkten“ Zustand in der Sonne am Mittag oder das fulminante Springen, während sie umherziehen. Ich will wissen, wo sie fressen und nicht, wo sie Sonne tanken. Drohnen helfen natürlich dabei, die Fische tagsüber zu finden, wenn die Sicht gut ist, trotzdem bin ich überzeugt, dass die traditionelle Taktik des Beobachtens in der Früh immer noch die Beste ist. So sehe ich immer konkret, wo sie fressen und es fallen mir zahlreiche Beispiele ein, in denen mir das Sichten von Blasenteppichen oder sich zeigenden Fischen Erfolg gebracht hat. Wenn ich erst nach der Arbeit im Dunkeln ankommen, drehe ich meine Runden, bis ich ein oder zwei rollende Fische höre. Normalerweise hört man immer ein paar, wenn man nur lange genug läuft und lauscht, wenn man aber schon am ersten Spot aufgebaut hat, der „gut aussieht“, verpasst man wahrscheinlich all das. Mobil bleibenDa ich all meine Bemühungen im Frühling auf die Location beziehe, nehme ich so wenig mit, wie es irgend geht, denn dadurch kann ich leicht die Stelle wechseln. Nur selten binde ich mich im Frühjahr an feste Futterplätze und mit der leichtesten Ausrüstung, die ich zusammenstellen kann, stehe ich stets zum Absprung bereit und kann zügig umziehen. Meine Ausrüstung für diese Jahreszeit besteht deshalb nur aus einer Sling und meinen drei Ruten, einem kleinen Rucksack, der Kühltasche, meinem Barrow und den essenziellsten Dingen. All das bewahre ich stets verpackt auf, um immer dazu bereit zu sein weiterzuziehen, wenn es sein muss. Ziemlich genau vor einem Jahr war ich mit einem Kunden auf einem Guidingtrip. Wir hatten schon früh ein paar Fische gesehen und für ein paar Stunden Single Hookbaits ausgeworfen, sahen dann aber nichts mehr. Ich bekam Hummeln im Hintern und zog los, in der Hoffnung, noch ein paar Karpfen zu finden. Auf der windzugewandten Seite des Sees, auf die ein gerade aufgefrischter Ostwind drückte, sah ich dann binnen zwanzig Minuten zehn Fische. Ich rannte zu meinem Kunden zurück, wir zogen um und er fing innerhalb von fünf Minuten - ein Single Hookbait war alles, was hierzu vonnöten war. Während der nächsten 48 Stunden fingen wir dreizehn 30-Pfünder, einer davon lag bei knapp unter 40 Pfund – eine ausgezeichnete Lektion in Sachen mobil bleiben und beobachten.TaktikAus meiner Erfahrung zeigen Karpfen im Frühling nicht allzu großes Interesse für große Futtermengen. Sie scheinen eher nomadisch, folgen dem Wind als auch Wetter und Futter scheint sie nicht so aufzuhalten, wie es das im Sommer oder Herbst tut. Frühlingskarpfen sind oft Reisende und hier zeigen Single Hookbaits sowie Zig Rigs ihre Klasse! Deshalb befische ich während einer durchschnittlichen Frühjahrssession an einem belebten Gewässer in der UK oft zwei, drei, vier oder mehr Areale während einer 24-Stunden-Session. In dieser Zeit versuche ich stets, so nah wie möglich am Fisch zu bleiben. Oft beobachtet man hier, dass die Fische tagsüber in flacheres und nachts wieder in etwas tieferes Wasser ziehen. Das Verwenden eines Single Hookbait und das damit verbundene Bemühen, schnell einen Fisch „abzugreifen“, bringen Dich oft zum Erfolg. Die optisch grellen Hakenköder spielen hier in einer eigenen Liga. Die Fische fressen oft nur anhand ihrer Neugierde und im klaren Wasser, so braucht es manchmal nur einen grellen Köder am richtigen Platz. In Großbritannien tendiere ich dazu, kleine Neon-Köder zu fischen, die nur selten größer als 12 – 13mm sind, denn weil diese Vorgehensweise heutzutage so populär ist, ist ein greller Köder von 16mm oder mehr oft viel zu auffällig, besonders an vielbeangelten Gewässern. Ein absoluter Bonus im Frühling ist, dass selbst an den am dichtesten mit Kraut bewachsenen Seen zu dieser Jahreszeit dasselbe am niedrigsten steht. Wenn man also sein Rig sorgfältig wählt, kann man an jede x-beliebige Stelle werfen und der Hakenköder wird perfekt angeboten. Während es an nährstoffreichen Seen im Sommer oft eine der größten – und wichtigsten – Herausforderungen darstellt, eine befischbare Stelle zu finden, lässt der Frühling das mobile Angeln zu. In England nennen wir das „für den Drop fischen“. Man kann sich hierbei also darauf verlassen, dass der Köder gut genug für einen Biss liegt, sobald man beim Auftreffen des Bleis auf den Gewässergrund ein Klopfen vernimmt. Da ich selten größere Mengen Köder verwende, betrachte ich das Aufspüren von Spots im Frühjahr als weniger wichtig, im Gegensatz zum Sommer und Herbst. Solange Du die Fische finden kannst, der grelle Hakenköder mit einem ordentlichen Klopfen aufkommt und Du in der richtigen Wassertiefe angelst, dann wirst Du auch einen Biss bekommen. FutterSeit vielen Jahren, um genau zu sein seit 1998, verwende ich einzelne, grelle Hakenköder in weiten Teilen meiner Angelei. Die Jungs aus dem Nordwesten der UK waren die ersten Pioniere dieser Taktik und sie funktioniert noch immer so gut, wie sie es schon damals tat. Obwohl es mittlerweile viele großartige Möglichkeiten gibt, auf fertig gerollte Hakenköder zurückzugreifen, drehe ich noch immer gerne meine eigenen ab. Hierbei verwende ich noch immer dieselbe Methode, um sie zu pimpen, wie ich es bereits vor 20 Jahren tat: Ich benutze einen einfachen Pop Up Mix, grelle Farbe und eine Mischung von pulverförmigen sowie flüssigen Attraktoren, um ein komplexes Profil zu kreieren, das auf viele unterschiedliche Arten arbeitet – Ester, Öle, Ethylalkohol. Die Köder werden sieben bis zehn Tage lang luftgetrocknet bis sie steinhart sind, anschließend rehydriere ich sie mit der Attraktorenmischung. Das Ergebnis hat mir in all den Jahren unglaublich viel Erfolg beschert und ich vertraue ihnen restlos. Normalerweise füttere ich nur noch ein paar Boilies dazu, in der Regel weit verstreut. Zigs sind ebenfalls eine unglaublich erfolgreiche Taktik im Vereinigten Königreich und fangen Unmengen an Frühjahrskarpfen. Wenn die Fische hoch in der Wassersäule stehen und der Luftdruck weit oben ist, fischen Zigs jeden Köder am Grund 10 zu 1 gegen die Wand! Auf große Fische in krautreichen Gewässern verwende ich die Fox Zig and Floater Schnur in 15lb, einen starken Haken der Größe 8 mit nach innen zeigender Spitze und ein winziges Stück schwarzen Schaumstoff, an dem ich eine kleine rote Spitze anbringe. Dies wird dann auf ¾ der Wassertiefe an straffer Schnur angeboten, dazu ein Blei von vier bis fünf Unzen am Leadclip. Den Tail Rubber schiebe ich so weit nach hinten, dass das Blei beim Biss sofort ausklinkt. Dies ist in vielen Gesichtspunkten die perfekte Frühjahrstaktik: Man kann mobil fischen, muss sich um das Aufspüren von Spots am Gewässergrund keine Gedanken machen und da die Karpfen die meiste Zeit in den oberen Wasserschichten verbringen, „angelt“ man tatsächlich die ganze Zeit effektiv. So kann man selbst dann Bisse provozieren, wenn die Fische nicht fressen. Zigs funktionieren hierbei genauso gut nachts wie sie es tagsüber tun und so verbringe ich oft eine ganze Session hier zuhause alleine nur mit ihnen. Einem niederländischen Freund zeigte ich vergangenes Jahr mein Zig-Setup und er fing – in der ersten Nacht, in der er es verwendete – einen guten Fisch in einer heiklen Zeit. Die Teile funktionieren überall! Wenn Ihr jemals im Frühling direkt „an“ sich zeigenden Fischen sitzt, diese aber nicht fangt, dann liegt es vermutlich daran, dass sie weit oben im Wasser stehen. Probiert ein Zig, es könnte Leben ins Spiel bringen! Viel Erfolg Euch,Gaz