Die Hitzewellen des Sommers über Europa waren endlich Geschichte und die Temperaturen gingen in den Normalbereich zurück, also beschloss ich im September, endlich wieder an einige der großen und wilden öffentlichen Gewässer zurückzukehren. Ursprünglich hatten wir einen Filmtrip für die nächste Sticky Baits Reflections Filmreihe geplant, allerdings kamen bei Dan und „Big Rich“ Stewart ein paar wichtige Termine dazwischen, die sie unmöglich absagen konnten. So hatten wir die einmalige Gelegenheit, die Zeit dazu zu nutzen, ein paar neue Ziele zu entdecken. Nach einigen Anrufen, um uns nach den aktuellen Gegebenheiten vor Ort zu erkundigen, entschlossen wir uns dazu, zunächst einen großen Stausee im Süden Frankeichs anzufahren. Wir kannten das Gewässer noch nicht selbst, wussten jedoch, dass einige unglaubliche Fische darin schwammen, darunter ein paar wahrhafte Riesen. Die erste Nacht planten wir als ein Social mit Samir, der zu diesem Zeitpunkt ebenfalls in der Region sein würde.
Wie immer standen wir auf der Fahrt zum See völlig unter Strom, die Hoffnung und Vorfreude auf ein neues Gewässer und das, was wir dort erleben würden, trieb uns an. Wir wussten bereits, dass Samir ein paar mega Fische gefangen hatte, die Chancen für ein paar Bisse standen also gut. Zusätzlich bewegten wir uns in Richtung Neumond, in unseren Augen eine Top-Phase im Herbst. Wie bei uns üblich, kamen wir nach 12-stündigem Ritt erst spät am Wasser an. Das Wetter war mild und hin und wieder prasselten gewittrige Schauer, gefolgt von Regenbögen, herunter. In dieser einmaligen Atmosphäre beluden wir die Boote und machten uns im letzten Licht des Tages auf Spotsuche, völlig durchnässt und schon schlammverkrustet, bevor wir überhaupt angefangen hatten zu angeln: Richtiges Stauseeangeln eben!
Als der Abend sich dem Ende neigte, strahlten lange Lichtkegel durch kleine Lücken in den Wolken und machten das Ambiente perfekt, denn trotz des Regens, Matschs und Windes fühlte es sich an, als ob die Nacht nur eine Überschrift verdient hätte: Großkarpfenwetter! Nachdem wir einige alte „Muschel-Friedhöfe“ mit dem Echolot aufspüren hatten können, krochen wir mit der größten Zuversicht in die Schlafsäcke.
Zerplatzte Träume der ersten Nacht
Die Stimmung brach etwas ein, als sowohl Marcus als auch ich in der ersten Nacht keine Bisse verzeichnen hatten können; nur Mikey hatte einen Lauf gehabt. Nichtsdestotrotz entschieden wir uns, dem See noch in einer weiteren Nacht eine Chance zu geben, bevor wir darüber nachdenken wollten, an eines der zahlreichen anderen Gewässer zu moven, die wir in dieser Region noch in der Hinterhand hatten. Nachdem Samir und Mikey abgereist waren, begannen wir damit, die Ruten zu streuen und neue Spots zu suchen. Der neugewonnene Platz, den wir im großen Bogen von unserem zentralen Spot aus befischen konnten, sollte uns hierbei vollkommen neue Möglichkeiten bieten. Der Grund des Stausees war genau so, wie wir das von einigen anderen her kannten, die wir bereits befischt haben: Nahezu ohne nennenswerte Features, mit durchschnittlich 1,5 – 2 Metern recht flach und am absoluten Maximum nur 2 – 3 Meter tief. Nachdem wir das gesamte Areal nach Hinweisen – selbst den kleinsten – abgesucht hatten, legten wir die Ruten im Endeffekt auf den Spots ab, auf denen das Echolot kleine weiße Reflektionen zeigte, bei denen es sich in unseren Augen um Muschelschalen handeln musste.
Tatsächlich kam die Sache nun endlich ins Rollen, denn Marcus landete einen wunderschönen und kampfstarken 41er Spiegler. Wir waren überglücklich, dass der Anfang endlich gemacht war.
Aus dem Nichts
Tagsüber saßen wir da und grübelten über unsere Möglichkeiten. Das Wochenende und die Neumondphase standen bevor. Und mit ihnen jede Menge anderer Angler, die wohl ebenfalls fischen gehen würden. Wir mussten eine kluge Entscheidung für das Wochenende und den Neumond treffen, denn sonst hätten wir diese Chance vertan. Während wir so saßen und debattierten, lief urplötzlich meine Rute ab, die in gerade einmal 1,2 Meter tiefem Wasser ganz weit links in einer kleinen Bucht lag und ich muss zugeben: Es war die Rute, von der ich mir am Wenigsten versprochen hatte. Nach langem Sprint zur Rute und einem heftigen Drill schöpften wir anschließend einen langen Spiegler ab. Mit seinen über 43 Pfund war er eine imposante Erscheinung und – soweit wir das anhand dessen, was wir vorab gesehen hatten, beurteilen konnten – handelte es sich um einen der älteren Fische aus dem See.
Der Entschluss zu bleiben, fiel uns anschließend natürlich nicht allzu schwer. Die Bedingungen verlangten nun lediglich nach etwas Veränderung: Einer guten Portion Futter! In der Nähe des Areals, in dem Marcus zuvor seinen 41-Pfünder hatte fangen können, legten wir uns letztendlich auf Distanz einen hübschen kleinen Futterplatz an. Wir markierten den Spot mit zwei Markern, die wir ungefähr mit einem Abstand von 30 Yards setzten und fütterten gute 15 Kilo der neuen Krill Active Boilies darauf. Anschließend legte jeder von uns eine seiner Ruten auf diese Entfernung. Als Rigs nutzten wir wie immer unsere „großen“ Setups mit 2er Haken und üppigen 25mm Hakenködern.
Eine weise Entscheidung!
Im Laufe dieser Nacht hatte ich ganze drei Bisse. Das Resultat waren ein kleinerer Spiegelkarpfen, ein langer Schupper knapp unter 45 Pfund und ein weiterer Spiegler mit 36 Pfund. Und es sollte noch eine weitere Nacht folgen, also legten wir die Ruten voller Hoffnung fast exakt auf dieselbe Art und Weise neu. In dieser Nacht sollten sich die Rollen jedoch vertauschen und Marcus fing zwei traumhafte Spiegler von 39 und 35 Pfund. Die wichtigste Erkenntnis dieser Nächte war die, dass die „Flanken“ – also die Ruten, die am jeweiligen Rand des Areals und abseits der anderen Schnüre lagen – diejenigen waren, die uns Bisse brachten. Marcus machte sich noch auf den Weg zur anderen Uferseite um für unseren neuen deutschen Freund Fabian ein paar Bilder zu machen, der dort sein Camp aufgebaut hatte. Sobald wir anschließend unsere eigenen Bilder im Kasten hatten, packten wir zusammen und verließen den See. Fabian wollte die Stelle nach uns übernehmen.
Neue Horizonte
An diesem Tag schauten wir uns noch fünf weitere Gewässer an und fuhren so einige hundert Meilen, bevor wir bei Einbruch der Dunkelheit an einem weiteren, uns neuen See ankamen. Hierbei handelte es sich um ein großes Reservoir von knapp 1000 Acres Größe, über das wir nur wenig wussten, abgesehen davon, dass in ihm einige prachtvolle Karpfen schwimmen sollten, darunter ein paar ganz besondere Spiegler aus einem Altbestand, die mittlerweile zwischen 30 und 40 Jahren alt sein dürften. Das Gewässer ist in europäischen Kreisen zwar wohlbekannt, wir waren aber noch nie zuvor hier gewesen. Zunächst verbrachten wir einige Zeit mit dem Erkunden des Wassers, während dessen wir eine schier unglaubliche Anzahl von springenden Fischen in der Dunkelheit im auffrischenden Südwestwind hören konnten. Letztendlich bezogen wir dann eine Stelle in einer Tagesangelzone nahe der Barrage, die es uns ermöglichte, einen großen Streifen am Ende des Gewässers abzudecken. Nachdem wir die Brollys und Bedchairs in Position gebracht hatten, hieß es nur noch, Rigs zu binden und den Wecker auf 4 Uhr in der Früh zu stellen, damit wir im ersten Morgenlicht die Ruten legen konnten.
Ein früher Beginn
Der Wecker riss uns pünktlich um 4 Uhr aus unseren Träumen und nach einigen „Turbo“-Kaffees machten wir uns daran, endlich die Ruten auszubringen. Wieder einmal war der Grund des Sees unglaublich ebenmäßig, diesmal jedoch mit wesentlich größeren Tiefen von bis zu 7 und 8 Metern und obwohl wir überall Signale von Futter auf unserem Echolot ausmachen konnten, waren seltsamerweise nirgends große Echos von Karpfen zu entdecken. Da wir in der vorangegangenen Nacht jede Menge Fische auf recht kurzer Distanz hatten hören können, legten wir die Ruten allesamt recht nahe aus, da wir nicht über die Fische hinwegangeln wollten. Dennoch blieb es am ersten Tag verhältnismäßig ruhig und ich konnte nur einen Schupper von rund 30 Pfund auf eine meiner Ruten fangen.
Aus diesem Grund überdachten wir am zweiten Tag unseren Ansatz und fischten deutlich weiter draußen in die Mitte des Areals, da wir davon ausgingen, dass die Fische sich vielleicht nur mit dem Einbrechen der Nacht in die ufernahe Zone vorwagten, wenn alle Schnüre aus dem Wasser waren – schließlich handelte es sich um eine Tagesangelzone. Taktisch hielten wir es hierbei sehr einfach: Wir fütterten nur einige Handvoll 24mm Active Krill Boilies um jeden Hakenköder.
Der wilde Reigen beginnt
Innerhalb nur weniger Stunden kamen die Bisse und am Nachmittag, als sich Bedingungen und Mondphase zum „perfekten Sturm“ vereinten, scheiterten wir teilweise beim Versuch, überhaupt noch Ruten im Wasser zu haben. So fingen wir innerhalb eines Zeitfensters von gerade einmal ein paar Stunden acht oder neun Fische, bevor wir mit einbrechender Dunkelheit die Ruten wieder einholen mussten. Zu diesem Zeitpunkt waren wir fix und fertig, denn wir waren bis auf die Haut durchnässt, die Plätze waren komplett zertrampelt, überall lag Ausrüstung herum und uns stand eine Aufräumaktion epischen Ausmaßes bevor. Selbst das Fotografieren der Fische bei Tageslicht hatten wir zugunsten des erneuten Ausbringens der Ruten geopfert, denn da war immer diese eine Chance, doch irgendwann einen wahren Giganten zu fangen. Dieser kam leider nicht, aber die besten Fische mit 38 und 42 Pfund verirrten sich immerhin an meine Montagen und auch Marcus konnte einen herrlichen, 32-pfündigen Spiegler einnetzen.
Die Verhaftung der richtig großen Fische übernahmen dann unsere Freunde Tinpot und Damo, die ebenfalls dazu gestoßen waren. Tinpot erlebte den Trip seines Lebens und Damo konnte einen 60 Pfund schweren Spiegelkarpfen fangen, als wir bereits wieder weg waren. Mein persönliches Highlight des Trips war jedoch ein besonders markanter alter Spiegler mit riesigen Schuppen und einem überstehenden Maul – zu schade nur, dass wir das prächtige Tier nur bei Dunkelheit mit Blitz fotografieren konnten.
Und so naht das Ende
Der letzte Tag war wesentlich ruhiger, der Luftdruck stieg an, der Himmel klarte auf und wir bekamen „nur“ noch drei Bisse: Zwei schöne Schupper von 30 und 27 Pfund für mich und einen kleineren Schupper für Marcus. Leider war es uns nicht vergönnt gewesen, während unseres Trips einen der wahren Riesen ans Band zu bekommen, aber wir hatten ein paar richtig schöne neue Gewässer kennengelernt und unterwegs jede Menge Spaß gehabt!
Im November hatten wir noch einmal die Möglichkeit, einen Trip zu unternehmen und natürlich zog es uns – in der Hoffnung auf ein paar der Großen – an den gleichen Stausee zurück, aber unglücklicherweise machte das Wetter so richtig schlapp. Mit Frösten, gefrierendem Nebel, einem steckengebliebenen Van, einigen Fischverlusten und endlosem Raubfischanglerhorror war es alles in allem ein sechstägiges Desaster – Aber man kann schließlich nicht jede Schlacht gewinnen!
Kurz nach diesem letzten Trip unterzog ich mich einer Knie-OP und erhole mich seitdem nur langsam wieder. Obwohl das Wetter diesen Winter unglaublich für die Karpfenangelei ist, bin ich hier also an den Schreibtisch gefesselt.
Zum Glück werde ich pünktlich im Frühling wieder genesen sein. Also: Her mit den Narzissen, Tulpen und der nächsten Großkarpfensaison!
Ich hoffe ihr hattet einen erfolgreichen Winter und wünsche euch viel Glück! Gaz