Nach einem kurzen Gespräch mit dem chinesischen Park Manager, bekommt Enrico Parmeggiani die Chance, für 24 Stunden im Reservoir auf die schwarzen Armure zu angeln. Bereits am ersten Abend durchbrechen einige Schwanzflossen der urigen Fische die Wasseroberfläche, kurz vor Enricos Angelplatz. Wie es ihm anschließend gelingt, einen dieser Fische zu haken, verrät uns Enrico im dritten und somit auch letzten Teil seiner Story…Es gab zahlreiche interessante Spots, aber einer sah besonders vielversprechend aus. Am östlichen Ende des Sees, in der Nähe des Ablaufs, gab es einen ziemlich tiefen Kanal, der nur 20 Meter vom Ufer entfernt verlief. Der Boden war verhältnismäßig hart und bestand aus sauberem Lehm, während der Tidewechsel war eine leichte Strömung erkennbar. Obwohl das Meer circa 100 Kilometer in östlicher Richtung entfernt liegt, so ist der See dennoch über einen großen Fluss damit verbunden. Hierdurch unterliegt er deutlich den Gezeiten und besteht aus Brackwasser. Meine erste Chance, hier zu angeln, sollte im folgenden November kommen. Ein verhältnismäßig tiefer Kanal, umsäumt von flacheren Arealen mit toter Unterwasser-Vegetation, der zusätzlich regelmäßig von der Tide gespeist wurde, wirkte auf mich deshalb wie der perfekte Spot. Nachdem ich mir den See genauer angesehen und meinen potentiellen Spot gewählt hatte, gingen wir für einige Zeit in ein Restaurant in der Nähe, um dort ortstypische Speisen und Tee zu genießen.Ein besonderer MenschMr. Huang war ein wahrer Gentleman und zudem ein ausgesprochen sympathischer. Es stellte sich heraus, dass er das erste Mal mit einem Menschen aus dem Westen an einem Tisch saß und er fühlte sich prächtig unterhalten, während er mehr über mich, mein Leben und mein Land in Erfahrung brachte. Am Ende unseres Treffens vermittelte er mir beinahe das Gefühl, dass ich sein persönlicher Gast wäre, wenn ich hier angeln wollte. An manchen Punkten in unserem Leben haben wir das Glück, einen besonderen Menschen zu treffen. Und ich muss schon sagen: Mr. Huang war wirklich einer dieser besonderen Menschen, in seiner Art eines traditionellen chinesischen Gentleman, der besonnen und weise jeden seiner Sätze wählt. Was war das nur für ein wunderschöner Tag! Es gelang mir, Zugang zu einem Gewässer zu bekommen, dessen Bestand komplett unberührt war und zeitgleich lernte ich eine kleine Ecke Chinas kennen, die über eine saubere und wunderschöne Umwelt verfügt, die die Industrie nicht beeinflusst hat.Es war also alles abgemacht. Ich hatte grünes Licht erhalten, um mein Camp aufzustellen und 24 Stunden lang zu fischen. Das größte Problem war nun nur noch, eine Genehmigung zu bekommen, um nachts im Park zu bleiben. Aber auch diese Kleinigkeit konnte nach einem Gespräch mit dem Manager der Security geregelt werden. Wenn ich mich recht entsinne, war dieses Ereignis im April 2016 und meine Session war für Anfang November des gleichen Jahres geplant. Es blieben also sechs Monate, um alles zu planen und gut vorzubereiten. Es fühlte sich für mich so an, als sei dies meine beste Chance, einen Black Carp in seiner natürlichen Umgebung zu überlisten. Also wollte ich unbedingt meine Taktik nochmals überdenken und – in Anlehnung an meine vorherigen (nicht allzu positiven) Erfahrungen – anpassen. Ich hatte diese eine Chance und diesmal wollte ich sie nicht versemmeln.Zeit, endlich die Ernte einzufahrenEs war nun Ende Oktober. Ich wartete am Frankfurter Flughafen auf das Boarding des Airbus 380, um mich auf den Weg zu einem Businesstrip nach China zu machen. Zwei Wochen Arbeit und Meetings mit Geschäftspartnern standen an, aber da war dieser kleine Bonus für mich: ein Zeitfenster von 24 Stunden fürs Angeln! Ich war vorbereitet und motiviert wie nie zuvor. In den letzten Jahren hatte ich zu oft geblankt, war zu oft an den falschen Gewässern und habe wahrscheinlich zu oft die falsche Präsentation meiner Köder gewählt. In dieser Session wollte ich alles auf eine Karte setzen, alles anders machen. So entschied ich mich dazu, einen Köder, ein Rig und eine Futterstrategie einzusetzen, die ich zuvor noch nie genutzt hatte. In den vorangegangenen Monaten war ich sogar so weit gegangen, eine spezielle Retention Sling für Black Carp bis 160cm Länge, eine übergroße Abhakmatte sowie einen monströsen 55-Zoll Kescher zu bauen; derart viel Zuversicht legte ich in diese Session.Als ich in China ankam, war das Wetter perfekt für diese Jahreszeit. Es herrschten frostige Nächte, war tagsüber jedoch angenehm sonnig und warm. Ich war mir sicher, dass sowohl Karpfen als auch Black Carp noch voll auf Futtersuche waren, denn der richtig kalte Winter lauerte bereits um die Ecke. Wie bei uns auch, müssen die Fische bei diesen Bedingungen nochmal alles geben, um sich für die kalte Jahreszeit zu wappnen.Nach der Arbeit ist vor dem AngelnMeine arbeitstechnischen Pflichten waren mittlerweile beinahe erledigt und es blieben mir nur noch ein paar wenige Tage, bis es endlich zum See gehen sollte. Die Zeit für die Ködervorbereitung war also gekommen. Dieses Mal wollte ich Vollgas fahren und wesentlich dominanter vorfüttern, also mit Futter … viel Futter. Binnen weniger Tage gelang es mir, 25 Kilogramm gekochten Mais und 25 Kilogramm Süßwasserschnecken zu organisieren, darunter einige von gigantischen Ausmaßen, die mir als Hakenköder dienen sollten. Mein Plan sah vor, mit vier Ruten zu fischen. Zwei davon sollten links in Ufernähe auf etwa 40 Metern Entfernung mit gekochtem Hartmais und süßen Pellets auf reguläre Schuppenkarpfen zum Einsatz kommen. Die anderen beiden Ruten wollte ich direkt vor meinem Swim in den tiefsten Teil des Kanals mit überwiegend lebenden Schnecken, Schneckenpellets und nur ein klein wenig gekochtem Hartmais fischen. In unglaublichem Tempo war es Zeit geworden, mein Tackle zu packen und zum See zu fahren. Wir beschlossen, bereits einen Tag vor dem eigentlichen Angeln anzureisen und hatten mit Mr. Huang vereinbart, dass wir am Abend zuvor bereits an den Spot gehen durften, um etwas anzufüttern. Das Wetter war noch immer traumhaft als wir am See ankamen und eine Messung der Wassertemperatur ergab einen Wert von 14 Grad. Perfekt!Vorbereitung ist allesAm Spot angekommen, fütterte ich 10 Kilogramm gekochten Hartmais auf dem Karpfenspot und 10 Kilogramm lebender Schnecken sowie 10 Kilogramm Schneckenpellets plus etwas Hartmais auf dem Spot für die Black Carp. Der See war an diesem Abend atemberaubend und ich konnte Fische jeglicher Art die Oberfläche durchbrechen sehen. Mein Blut kochte und ich konnte es kaum erwarten, endlich meine Ruten auszubringen. Zurück im Hotelzimmer war dann die Zeit gekommen, das Tackle vorzubereiten, die Rollen zu bespulen und einige Ersatzrigs zu binden. Der Morgen kam schneller als erwartet. Und obwohl ich nicht viel geschlafen hatte, fühlte ich dank der Nervosität keinerlei Müdigkeit. Es sollte endlich losgehen; ich war blind und taub für alles, was nichts mit dem Spot und dem Ausbringen der Ruten zu tun hatte.Bei unserer Ankunft am Wasser, erwachte dieses zum Leben. Zahlreiche Räuber jagten kleine Weißfische an unserem Angelplatz, was ich für ein gutes Zeichen hielt. Noch bevor ich die Ruten auswarf, brachte ich erneut die gleiche Futtermenge wie am Abend zuvor ein: 20 Kilo Schnecken am einen und 20 Kilo Hartmais auf dem anderen Spot. Da wir vorab die Information erhalten hatten, dass im See ein großer Bestand sowohl an Karpfen, als auch an Black Carp vorhanden war, schien die Futtermenge zu passen.Zwei Rigs mit Mais harrten bereits ihres Einsatzes, beide als einfache Bodenpräsentation. In ausbalancierte Varianten hatte ich zwischenzeitlich an dieser Art Gewässer schlicht kein Vertrauen mehr. Das gleiche galt für die beiden verbliebenen Ruten. Eine einzelne Schnecke wurde mit einem dünnen Loch für das Haar eines Blowback-Rigs am Haken in Größe 1/0 und einem geflochtenen Vorfach der Stärke 65lbs versehen. Die Ruten sollten nur noch raus – das Geduldsspiel konnte beginnen.Den Tag über war es sehr ruhig und alle zwei bis drei Stunden warf ich einige Kilo Pellets sowie ein paar Handvoll Schnecken auf den Futterplatz, aber es zeigte sich keinerlei Aktivität; weder von Black Carp noch von normalen Karpfen. Ich begann zu grübeln, was ich diesmal falsch machte. Diese Grübelei hielt jedoch nur bis eine Stunde vor Dunkelheit an.Deja-vuIch saß gerade in meinem Brolly und betrachtete das Wasser, als plötzlich eine enorme schwarze Schwanzflosse die Oberfläche direkt über meinem Schneckenplatz durchbrach. Dann eine zweite und wenige Minuten später wieder eine. Es schien, als ob ein ganzer Trupp Black Carp jetzt auf meinem Futter fraß. Ich hatte Gänsehaut und war mir sicher, dass es sich nun nur noch um wenige Minuten handeln konnte. Und ich sollte Recht behalten, denn nur wenige Minuten nach Einbruch der Dunkelheit begann meine rechte Rute zu piepsen. Es war weder Run noch Fallbiss, fast wie der Biss einer Brasse; und ich war mir wirklich nicht sicher, was ich tun sollte. Vielleicht waren es ja nur Schnurschwimmer der eifrig fressenden Black Carp. Darum war ich alles andere als überzeugt, die Rute aufzunehmen und den Haken zu setzen. Das Problem sollte sich jedoch nur wenige Sekunden später selbst erledigen, denn plötzlich schrie der Bissanzeiger auf und die Spule drehte sich in irrsinnigem Tempo.Als ich die Rute aufnahm, konnte ich direkt eine unglaubliche Kraft am anderen Ende der Schnur spüren und meine Knie zitterten gewaltig. Endlich drillte ich einen Qing Yu!Fünfzehn Minuten und jede Menge kalten Schweiß später hatte ich einen massiven Fisch in meinem Kescher… F*** Yes!!! Erst als ich ihn auf die Abhakmatte bugsierte wurde ich der enormen Ausmaße des Tiers gewahr: ich war schockiert. 138cm reine, wilde Kraft – ich war überglücklich. Das Gefühl, das ich verspürte, als ich diesen – meinen ersten – Black Carp in Händen hielt, war unbeschreiblich. Jahrelang hatte ich auf diesen Moment hingearbeitet, hatte keine Abkürzungen in Kauf genommen, denn ich wollte einen dieser wahrhaftig wilden, frei geborenen und aufgewachsenen Qing Yu fangen. Nun war es endlich Wirklichkeit geworden.Ziel erreichtNach ein paar Nachtbildern setzte ich den Fisch so schnell wie möglich wieder zurück. Ich war rundum zufrieden. Ich hatte mein Ziel erreicht, also fiel sämtliche Anspannung von mir ab. Ich musste nichts mehr fangen. Und dennoch piepte die gleiche Rute im ersten Licht des neuen Morgen erneut los, wie schon in der Nacht zuvor. Sollte das etwa noch ein Black Carp sein?Diesmal wartete ich nicht ab und sobald ich die Rute aufnahm, wurde mir klar, dass es tatsächlich ein weiterer meiner Zielfische war. Der Drill gestaltete sich im Tageslicht wesentlich spaßiger und auch einfacher. Alles lief glatt und nach einem weiteren langen Fight lag ein weiterer Ausnahmefisch auf meiner Abhakmatte; dieser hier sogar noch größer als der erste: 145cm und so fett wie ein Nilpferd!Ich konnte einfach nicht glauben, was da für ein Tier vor mir auf der Matte lag. Das war wirklich eine große, dicke Kirsche auf einer ohnehin schon wunderschönen, leckeren und gehaltvollen Torte. Ich war so glücklich, dass ich – obwohl es bereits November war und an diesem Morgen nicht die Sonne schien – ins Wasser stieg, um ein paar coole Bilder zu machen und das Zurücksetzen dieses majestätischen Fisches in vollen Zügen zu genießen.Wunschlos glücklichHier saß ich also: ich konnte mir nicht mehr wünschen. Ich fühlte mich großartig, entspannt und erfüllt. Alles, was ich tun wollte, war, den Moment zu genießen, einen Kaffee dabei zu trinken und eine Zigarette zu rauchen. Aber dazu sollte es nicht kommen. Ich hatte die Zigarette noch nicht einmal zu Ende geraucht, als eine der beiden Ruten am linken Futterplatz losrannte. Es war einer der am härtesten kämpfenden Karpfen meines gesamten Lebens. Ich sah den Fisch während des Drills an der Oberfläche und er sah zwar nach einem guten Fisch, aber nicht besonders groß aus. Und vor allem nicht nach etwas, was – gemessen an meinen Standards – derartig brachial kämpfen konnte. Und so fing ich meinen ersten chinesischen Karpfen über 10 Kilogramm, einen dunklen und böse aussehenden Schupper, an den ich mich noch sehr, sehr lange erinnern werde. Nur wenige Stunden später befand ich mich zehn Kilometer hoch in der Luft, bequem in einem Flugzeug auf dem Weg nachhause. Und ich hatte das beste Souvenir dabei, das ich mir je erträumen hätte können: eine Erinnerung, die mich mein restliches Leben begleiten wird.Die harte Arbeit war nun vorüber, all die verschiedenen Ansätze, Recherchen und Mühen der letzten Jahre waren nicht umsonst gewesen. Die drei gefangenen Fische waren der beste Lohn, den ich mir je hatte wünschen können und gleichzeitig waren sie auch die Lösung eines Rätsels, das ich eine so lange Zeit zu entschlüsseln versucht hatte.EpilogWährend der Folgejahre konnte ich den besagten See noch zwei weitere Male befischen. Ich hielt mich weiterhin an exakt dieselbe Taktik, die mir schon beim ersten Mal Erfolg beschert hatte und konnte noch weitere Black Carp bis zu 147cm fangen, sowie mehrere Schuppenkarpfen guter Größe. Interessant hierbei ist übrigens, dass ich die zwei größten Karpfen während dieser zwei Jahre auf Schnecken an meinem Rig für Black Carp fing, während die Durchschnittsgröße der zahlreichen Schupper auf Mais (Spiegelkarpfen gibt es in China praktisch überhaupt keine) eher gering blieb.Ich halte mich für einen glücklichen Mann. Glücklich, so neugierig zu sein. Glücklich, dass ich meine Augen und Ohren immer offen halte für neue und unerforschte Seiten unserer schönen Welt des Karpfenangelns; eine Welt, die es mir ermöglicht hat, mit Menschen aus allen Ecken dieses Planeten in Kontakt zu treten und Erfahrungen zu sammeln, die ich sonst nicht gehabt hätte. Karpfenangeln ist eine wunderbare Angeldisziplin und sie kann uns unendliche Emotionen, Befriedigung und schöne Erinnerungen schenken – wenn wir sie richtig interpretieren.Hier findet ihr Teil 1 & Teil 2 von Enricos Story.
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