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Interview / 31.12.2014

Was ist los in unseren Verbänden? Sebastian Schmidt im großen Interview (Teil 2)

Es heißt, die Angelverbände sind das Sprachrohr der Angler in Deutschland. Leider empfinden das nicht alle Angler in Deutschland so. Gerade in den alten Bundesländern entsteht mancherorts der Eindruck, dass über die Meinung der Angler hinweg entschieden wird. So scheint es zumindest, wenn man die jüngsten Diskussionen, Meinungsumfragen und Abstimmungen verfolgt.

Wir wollten Klarheit und haben für euch bei einem nachgefragt, der wissen sollte, was wirklich los ist in unseren Verbänden. Sebastian Schmidt ist Vorsitzender des DKAC-MV, der im Landesanglerverband Mecklenburg-Vorpommern organisiert ist. Im ersten Teil des großen Interviews sprachen wir mit Sebastian über die Organissationsstrukturen für Angler in Deutschland, wer was entscheiden kann und wo in der Praxis, z.B. bei der Nachtangelumfrage in BaWü die Probleme liegen. In geht es vor allem dann darum, welche Ziele unsere Verbände überhaupt verfolgen und wo die großen Unterschiede zwischen Verbänden in den alten und neuen Bundesländern liegen. Ganz wichtig wird natürlich auch die Frage nach dem Wie sein. Wie kann der Angler in Deutschland aktiv Veränderungen anstossen?

Carpzilla: Du selbst bist ja als Vorsitzender des DKAC-MV tätig. Warum sind die Regionalverbändes des DKAC besonders in den neuen Bundesländern existent und überaus erfolgreich, gerade im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit den Landesverbänden?

Sebastian Schmidt: Warum sie bei uns existent sind, ist eine gute Frage. Nötiger wären sie eigentlich im Westen. Hier gibt es scheinbar die größeren Probleme. Warum haben aber wir welche gegründet? Man darf nicht vergessen, dass der Angelsport in der DDR sehr liberal gereglt war. Niemand wäre dort auf die Idee gekommen Setzkescher, Wettfischen oder Catch&Release zu verbieten. Im Westen hat man sich über die Jahre an zunehmende Verbote gewöhnt. Man schimpft zwar über sie, nimmt sie am Ende aber doch hin oder setzt sich drüber hinweg. Im Osten hat man erkannt, dass viele Regelungen tendenziell in eine Richtung gehen, die uns Anglern die Ausübung unseres Hobbys erschweren. Und das sehen halt nicht nur wir Karpfenangler so, sondern auch viele Funktionäre in den Landesverbänden. In MV hat der Landesverband uns mit offenen Armen aufgenommen. Man betrachtet uns nicht als Gegener, sondern als wertvollen Mitstreiter.

CZ: Wo siehst Du die grundlegenden Unterschiede zwischen den Verbandsgefügen zwischen Ost und West?

Schmidt: Die Verbandsgefüge in Ost und West haben andere Entstehungsgeschichten und das merkt man heute noch. Im Westen entstanden zuerst die Vereine und diese haben sich später zu Verbänden zusammengeschlossen. In der DDR hingegen schuf man mit dem DAV einen starken Dachverband, dem alles andere eingegliedert wurde. Diese Struktur haben die Ostdeutschen Verbände weitestgehend beibehalten. Im Endeffekt haben die Ostverbände gegenüber ihren Vereinen eine sehr viel stärkere Position. Die Angler beurteilen das durchaus positiv. So werden im Osten die Gewässer in der Regel nicht von den Vereinen, sondern von den Landesveränden angepachtet. Das ermöglicht die Schaffung dieser sehr großen Gewässerfonds. Im Westen ist das alles sehr viel kleinteiliger organisiert. Ein weiterer Unterschied ist häufig auch das Selbstverständnis der Verbände. Ich habe vorhin die Stellungnahme des LFV BaWü zum Nachtangelverbot angesprochen. Sowas kommt zustande, wenn Verbände sich in erster Linie als Naturschutzverbände und nicht als Interessenvertretung der Angler begreifen. Es entsteht der Eindruck, dass diese Auffassung gerade bei den Westverbänden verbreitet ist. Natürlich liegt der Naturschutz allen Anglern am Herzen, das ist keine Frage. Schließlich nutzen wir die Natur ja auch. Allerdings müssen Beschränkungen hier auf das Nötigste begrenzt und in Abwägung mit den Anglerinteressen getroffen werden. 

CZ: Du hast gerade die Gewässerfonds angesprochen. In den neuen Bundesländern kann der Angler mit einer (Verbands-)Karte nahezu alle Gewässer des Bundeslandes befischen. Ich wohne genau in einem alten Bundesland, um genau zu sein an der Grenze zwischen BaWü, Hessen und Rheinland Pfalz. Um alle Gewässer im Radius von 20 Kilometer befischen zu dürfen, müsste ich in über 20 Vereinen Mitglied sein. Warum ist nicht auch in den alten Bundesländern ein „gemeinschaftliches System“ wie in den neuen Bundesländern möglich? Könnte die Fusion der beiden großen Verbände (DAV und VDSF zum DAFV)dafür sorgen oder ist das unrealistisch? Wo siehst Du generell Vor- und Nachteile von beiden „Systemen“?

Schmidt: Wie gesagt, liegt der wesentliche Unterschied darin, dass im Westen die Vereine die Gewässer selbst anpachten. Wollte man das grundlegend ändern, müsste man das ganze Gefüge ändern und das Gewässermanagement nach oben auf die Landesverbände verlagern. Ich halte es jedoch für sehr schwierig, die Vereine hiervon zu überzeugen. Denkbar sind jedoch Vereinbarungen zwischen einzelnen oder auch mehreren Vereinen, die es den Mitgliedern gestatten an sämtlichen Gewässern zu fischen, sobald man Mitglied in einem der Vereine ist. Solche Strukturen können dann auch nach und nach wachsen, wenn die Mitglieder dies wollen. Damit würden zumindest ähnliche Modelle, wie im Osten entstehen. Wir haben dieses Modell und setzen auch alles daran, es zu erhalten. Den Grund hast du ja schon genannt. Man kann für wenig Geld alle Gewässer des Landesanglerverbandes befischen. Darüber hinaus gibt es Vereinbarungen mit anderen Landesverbänden, die den Erwerb von sogenannten Austauschangelgenehmigungen ermöglichen. So kann ich als Mecklenburger, Verbandsgewässer in Brandenburg, Sachsen-Anhalt oder sonst wo mitbefischen. Ab 2015 gibt es auch eine entsprechende Vereinbarung zwischen dem LAV Brandenburg und dem LFV Westfalen/Lippe. Man sieht also das Modell weitet sich aus. Noch hegt man mancherorts Bedenken gegen solche Gewässerfonds. Man befürchtet, dass Gewässer überrannt werden oder jede Menge Müll hinterlassen wird. Diese Ängste halte ich aber weitestgehend für unbegründet. Im Großen und Ganzen hält sich das in erträglichen Grenzen. Mag sein, dass Vereine für eigene Gewässer eine besondere Bindung und Verantwortung hegen. Allerdings haben ja auch die Gewässer in den Gewässerfonds betreuende Vereine. Für den Großteil der Angler haben diese Gewässerfonds sicherlich Vorteile. Der DAFV beführwortet diese Fonds zwar, aber man muss abwarten inwieweit er sie fördern kann.

CZ: Wo siehst Du bzw. liegen die Kernaufgaben des DAFV? Stehen Bemühungen, dass sich die Bedingungen für Angler in Deutschland verbessern überhaupt auf deren Agenda?

Schmidt: Im November 2014 hat der DAFV seine Leitsätze verabschiedet. Im Großen und Ganzen kann man schon mit ihnen zufrieden sein. Es wurden Punkte beschlossen wie die Förderung der Angelfischerei, die Unterstützung bei der Schaffung von Gewässerfonds oder die Berücksichtigung die Angelfischrei betreffender neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Zudem wird die Angelfischerei als gelebter Naturschutz herausgestellt. Sven Brux, der Vorsitzende des VDKAC, hat sich bei der Schaffung der Leitsätze für unsere Interessen sehr gut eingebracht. 

Wie diese Leitsätze zukünftig mit Leben erfüllt werden, wird sich zeigen. Der DAFV ist ein neuer Verband und noch in der Findung begriffen. Ich denke man muss da noch etwas Gedult haben. Grundsätzlich ist die Idee eines starken Dachverbandes natürlich zu begrüßen.

CZ: Vielen Dank Sebastian, dass Du Dir die Zeit genommen hast, uns Anglern einen Überblick über die Verbandssituation in Deutschland zu geben.

Das Interview führte Volker Seuß mit Sebastian Schmidt am 22.12.2014.

Hier geht es zum ersten Teil des Interviews. 

Hier geht es zum DKAC-MV:
http://dkac-mv.de/
 

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Die meiste Musik spielt hier sicher auf Landesebene (in Bayern auch auf Bezirksebene, in Sachen Tier- und Naturschutzrecht auch Bundesebene). Insofern kommt den Landesverbänden als Spitzenverbände dieser Ebene eine große Bedeutung zu. Es ist wichtig, dass sie hier eine gute Rolle spielen und für uns Angler möglichst liberale Regelungen erwirken. In den Gesetzgebungsverfahren der Landtage werden diese Spitzenverbände angehört und ihre Stellungnahmen auch berücksichtigt. Ähnlich ist es beim Erlass von Verordnungen durch Ministerien oder Behörden. Diese Regelungen sind deshalb so wichtig, weil sie den rechtlichen Rahmen vorgeben, in dem sich Vereine und Verbände zu bewegen haben. Diese könne bei Bedarf zwar restriktivere Regelungen treffen, allerdings keine liberaleren. Schreibt eine Landesfischreiordnung etwa den Gebrauch von maximal drei Handangeln vor, kann ein Verein hiervon zwar abweichend nur zwei erlauben, niemals aber vier oder fünf. 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Die Gründung eines eigenen DKAC wäre vielleicht auch eine Maßnahme. Ein ganz wesentlicher Punkt ist jedoch die Herstellung von Transparenz. Ich denke da nur an die Positionierung des LFV Baden-Württemberg zur Aufhebung des Nachtangelverbotes vor einigen Jahren. Bei etwas mehr Transparenz und besserer Information der Mitglieder, hätte der Verband möglicherweise nicht den Mut gehabt, die Aufhebung des Nachtangelverbotes in BaWü im Namen seiner Mitglieder ganz „entschieden abzulehnen“. Ich denke nämlich nicht, dass man da dem Willen seiner Mitglieder Rechnung getragen hat. Über solche Dinge müssen die Mitglieder informiert werden, um sich ein Bild von den Leuten zu machen, denen sie ihre Stimme gegeben haben. CZ: Gut, dass Du es ansprichst. Im Jahre 2014 wurden die Angler in Baden-Württemberg über eine Online-Umfrage des VFG-BaWü (einem der anderen Landesverbände) darüber befragt, ob sie in Zukunft nachts angeln wollen oder nicht? Über 40000 Stimmen wurden gezählt. Über 90 % waren für die Abschaffung des Verbotes. Plötzlich bemerkte der Verband, dass die Umfrage technisch nicht gegen mehrfache Stimmabgaben gesichert war. In der Folge bezweifelte der Verband das Ergebnis und verschickte über das Verbandsheft Stimmzettel. Das Problem, nicht jedes Mitglied bekommt das Verbandsheft? Als Angler kann man sich durch solche Methoden schnell übergangen fühlen, besonders wenn zuvor das Umfrageergebnis so deutlich ausfiel und die Beteiligung im Vergleich zu anderen, weniger bewegenden Umfragen deutlich höher ausfiel. Hast Du für die Vorgehensweise des VFG BaWü eine Erklärung?Schmidt: Ich denke die ganze Angelegenheit wurde vom VFG einfach nur schlecht kommuniziert. Als Hintergrund muss man wissen, dass das Nachtangelverbot in einer Verordnung des Umweltministeriums geregelt ist. Will der VFG es beseitigen, muss er gegenüber dem Ministerium eine entsprechende Initiative starten. Natürlich ist es da für einen Spitzenverband sinnvoll, eine belastbare Mitgliederbefragung im Rücken zu haben. Dass eine Onlineumfrage wo quasi jedermann – sogar mehrfach – abstimmen kann, dem nicht gerecht wird, ist eigentlich klar. Diese Onlineumfrage konnte also nie mehr als eine Tendenzabfrage sein. Das hat der VFG versäumt zu kommunizieren. Als man anschließend eine Abstimmung mittels Stimmzettel initiierte, enstand bei vielen Anglern der Eindruck ,man nähme die Onlineumfrage nicht ernst. Das lag nicht zuletzt daran, dass die Angler in BaWü nach dem Auftritt des LFV seiner Zeit, ein gewisses Misstrauen gegen ihre Landesverbände hegen. Dieses Misstrauen halte ich jedoch gegenüber der Abstimmung des VFG für unangebracht. Hätte man die Onlineumfrage nicht ernst genommen, würde man diese Abstimmung mittels Stimmzettel nicht durchführen. So schätze ich die Sache zumindest ein. Dass nicht jedes Mitglied das Verbandsheft bekommt, ist sehr bedauerlich. In solchen Situationen merkt man ja, wie wichtig sowas sein kann. Dieses Problem haben wir in MV leider auch. Das liegt aber nicht am Landesverband, sondern an der fehlenden Übermittlung der Kontaktdaten durch die Vereine. Insofern ist es sicherlich sinnvoll, wenn sich jedes Mitglied, dass diese Zeitschrift bekommen sollte, aber nicht bekommt, an den entsprechenden Landesverband wendet. Bereits morgen erwartet euch der zweite Teil des Interviews mit Sebastian Schmidt. In diesem geht es dann darum, welche Ziele unsere Verbände überhaupt verfolgen und wo die großen Unterschiede zwischen Verbänden in den alten und Verbänden in den neuen Bundesländern liegen. Ganz wichtig wird natürlich auch die Frage nach dem Wie sein. Wie kann der Angler in Deutschland aktiv Veränderungen anstossen. Morgen geht's weiter.

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