Suche
Deine Story / 01.03.2023

Volker Protzek: Big-Fish-Regen im Winter

Jedes Jahr im Januar starte ich mein neues Angel-Jahr. Es endet meistens im Dezember. Für mich gibt es keine Saison, sondern ich mag auch die Zeit im Winter sehr. Diesmal zog es mich zusammen mit Frau und Tochter und einem Freund und seiner Frau schon am 26. Dezember nach Frankreich. Ein privater See, mit etwas Luxus für die Frauen. Ein wunderschönes Haus, komplett eingerichtet, direkt am See. Perfekt für den Winter, damit die Familie nicht die Lust verliert, mich ab und an zu begleiten. 

Dieser See ist gelinde ausgedrückt ein Paradies für Karpfen. So viel Kraut, dass sie sich Kanäle gebaut und jede Menge Schutz vor uns Anglern haben. Und dennoch, mit viel viel Zeit, die man investiert, mit Echolot, GPS und Futterboot, findet man einige interessante Spots. Dieser private, kommerziell genutzte See liegt in der Champagne-Region. Die Meisten kennen die Eigentümerin, Lady Pascale.
Das Wetter spielte mit, es war für Weihnachten echt mild und die Wassertemperatur war akzeptabel mit acht Grad an der Oberfläche. So begann also meine Session, meine Taktik habe ich mir zurechtgelegt. Ziel war es einfach einen Karpfen zu überlisten im Laufe dieser Woche, in der ich da war. Mein Endtackle sah wie folgt aus: Kurzes Rig mit 12cm, 6er Wide Gape Haken, langes Haar, sehr kleines Blei mit 1oz. Das Rig zog ich komplett auf meine vorbereiteten PVA Mesh-Würste, die gefüllt waren mit PVA-Nugget und gecrushten Boilies. Wenig Futter, dafür hoch attraktiv, und Köder von Nutrabaits auf die ich mich verlassen kann. Egal wo, egal wie, ich denke nicht über mein Futter und meine Boilies nach, denn ich vertraue darin.

Das PVA Mesh hat nur die Aufgabe mein Rig mit etwas Auftrieb langsamer zum Grund sinken zu lassen, sodass sich das Rig schön gestreckt hinlegt. Die Spots waren präpariert und nun war es an der Zeit zu warten und gesellig mit Freunden und Familie den Abend ausklingen zu lassen.
Die erste Nacht war so ruhig, dass ich so fest geschlafen habe wie lange nicht. Ausgeruht ging es mit Motivation erst einmal eine Runde um diesen tollen See. Immer auf der Suche nach kleinen Zeichen von Karpfen. Doch nichts, was ich hätte deuten können, habe ich vernommen. 

Aber Vertrauen ist oft die halbe Miete, denn in der zweiten Nacht kam der erste Biss. Und wie glücklich ich war, als der Fisch endlich im Kescher war – 15kg Spiegler. Ich war vollauf zufrieden, im Winter an diesem See überhaupt einen Fisch auf der Habenseite zu verbuchen. Motivation war also genug vorhanden, um weiter an meiner Taktik festzuhalten. Nichts änderte ich, und so folgten in den zwei darauffolgenden Nächten noch zwei tolle Karpfen. Alle drei auf demselben Spot. Die anderen Ruten waren still geblieben. Nun, ich entschloss mich einer Rute dann noch einen neuen Spot zu geben, den ich vorher schon gefunden und gespeichert hatte. Technik, unglaublich was sich da entwickelt hat. Und siehe da, ein heftiger Run in der darauffolgenden Nacht. Unglaublich, was ich nach starkem Drill über den Kescher zog: 33,8 kg Schuppengold. Ich habe mein Glück kaum fassen können. Und dass im Winter, in dieser Kraut-Hölle – spektakuläre Session.
Und so war die Zeit herum, meine Frau und Tochter sind Richtung Heimat aufgebrochen und ich habe mich direkt von der Champagne aus in Richtung Südfrankreich aufgemacht. Mein Ziel: ein 25 ha großer See am Fuße der Pyrenäen, nicht weit von Andorra, und der Grenze zu Spanien. Iktus heißt er und hier war ich auch schon einige Male, immer zur Winterzeit. Mildes Klima, tolle Aussicht auf die Pyrenäen, sehr nette Eigentümer, und großartige Karpfen im See. Drei Wochen war mein Vorhaben hier geplant und es begann mit tollem, mildem Winterwetter. Auch hier galt erst einmal ankommen, Camp aufbauen und nach der langen Fahrt zur Ruhe kommen. Ausgeschlafen ging es dann am nächsten Tag auch hier wieder los, Spots zu suchen. Dieser See weist so viele Plateaus, tiefe Löcher und steile Kanten auf, dass man sich echt zurückhalten muss, nicht schon nach 50 Metern Fahrt mit dem Futterboot 30 Spots zu speichern. 

Mit Bedacht habe ich auch hier meine Spots so gewählt, dass meine Schnüre die scheuen Karpfen nicht misstrauisch machen. Denn dieser See hat Carp-Hunter aus allen Ländern zu Besuch und der Schnurdruck ist hier sehr hoch. Die Taktik war ähnlich wie am See zuvor. Nur das Rig zog ich nicht durch die gefüllte PVA-Wurst, sondern ich machte nur kleine Bällchen, die ich aber genauso füllte. Diese hing ich dann einfach auf die Hakenspitze. Futter verwendete ich auch hier wenig, aber wieder enorm attraktiv. Gesoakte Nutrabaits Boilies, BFM und CODE waren meine Wahl. Kleine 14er Boilies, am langen Haar. Fertig war meine Taktik.

Was soll ich sagen, ich war überwältigt, musste mich kneifen. Ist das wirklich alles wahr, es ist Winter, es ist Januar. Schönheiten kamen am laufenden Band, Spiegler und Schuppenkarpfen, einige 15kg, 18kg, 21kg, 23kg und dann ein kurzer Pieper in der fünften Nacht. Und zack, ab ins Boot, und das Resultat ein 29,2 kg Spiegelkarpfen. Wow, ich war platt. Und so positiv wie ich war, so negativ hat mich dann der Winter erwischt.
Tagelang Dauerregen, Temperaturabfall, der Wasserpegel stieg um fast 30cm. Alles nass, Klamotten kaum noch trocken zu bekommen, ich dachte echt ans Aufgeben. Vier Tage dauerte es an, vier Tage und Nächte Bindfäden-Regen. Und dann hörte es auf, der Regen verfestigte sich und es gab Schnee. Man kann ja fragen: Hast du doch gewusst, dass Winter ist? Klar, aber der hätte auch nach meiner Abreise eintreffen können! 

Diese Wetter-Kapriolen waren dann auch der Anlass, dass ich alleine am See war. Alle anderen Angler hatten aufgegeben und haben das Wetter und die Bedingungen siegen lassen. Ich war kurz davor auch aufzugeben. Noch einen Tag warten, dachte ich mir und es hat mich gerettet nicht heimzufahren. Denn der Schnee ging, tagsüber war es sogar wieder freundlich, der Frost blieb in der Nacht. Aber ich konnte wieder auslegen, und ich war stolz, nicht aufgegeben zu haben. Etwas unlustig wurde ich, als aus dem Nichts ein junger Hirsch hektisch über meinen Angelplatz rannte, ins Wasser ging und mir noch zwei Ruten einsammelte. Wenn mir jemand gesagt hätte, dass die Bambis gut schwimmen können, den hätte ich ausgelacht. Aber ich sah es ja direkt vor mir und er schwamm durch den kompletten See zum anderen Ufer. Hammermäßiges Erlebnis.
Und was sich dann abspielte, war nicht nur unglaublich, sondern auch für mich unfassbar. Ein Piep, kurze Zeit später der zweite Piep. Also raus, Stiefel an, und ran an die Rute. Es war morgens um 05:00 Uhr, verschlafen spürte ich einen heftigen Gegner am anderen Ende der Schnur. Ich gewann einige Meter, doch dann nichts mehr, wie festgenagelt. Ich beschloss einfach die Bremse zu öffnen und zu warten, ob sich am anderen Ende überhaupt noch etwas tut. Und nach einigen Minuten war zaghaft das Knarren der Bremse wieder zu hören. Also entschloss ich mich, ab ins Boot, um dem Fisch näher zu kommen. Ich war der festen Ansicht, einen großen Stör am Band zu haben. Die gibt es hier am Iktus bis 2,4m und über 100kg. Egal was ich tat, ich bekam den Fisch nicht hoch, und so zog er genüsslich mit mir im Schlepptau seine Bahnen. 

Dann aber nach einer gefühlten Ewigkeit, sah ich kurz im Schein meiner Kopflampe eine gute Schwanzflosse. Doch ein Karpfen, oh Mann, jetzt ganz ruhig bleiben, die Bremse wieder etwas lösen. Ich dachte mir: „Bloß keinen Fehler machen jetzt.“. Wahnsinn, nach heftigem Fight und etliche Zeit später, zog ich einen Wahnsinns-Karpfen über das Keschernetz. Ich konnte im Scheinwerferlicht einen gewaltigen Spiegler sehen. Doch was dann schlussendlich in der Cradle war, konnte ich kaum glauben. Es war wirklich ein riesiger Spiegler. 36,7 Kilogramm! Uhhh, vergessen das Wetter, vergessen die kalten Finger, vergessen die durchnässte Kleidung. Alles auf Überglücklich geschaltet. Wahnsinn und neuer PB, gleichzeitig neuer See-Rekord.
Eine Session, die ich wohl nie wieder vergessen werde. Nicht aufgeben, dran bleiben, vertrauen in das, was man tut! 

In diesem Sinne: Tight lines!
Volker Protzek
Interessant für dich
Partner
Florian Woldt fängt den Fisch seines Lebens.