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02.01.2021
Timo Schneider: Von Prägung, Werten und väterlichem Stolz
Unter einem sternenklaren Himmel stehe ich mit Schlamm unter den Schuhen, dreckigen Händen und vollkommen durchgefroren neben dem Bivvy, das eigentlich mal mir gehörte. Es wird jetzt von jemand anderem bewohnt. Jemandem, bei dem ich mir in den vergangenen drei Jahren niemals hätte vorstellen können, dass er mal wieder Lust aufs Karpfenangeln bekommen könnte. Doch, die prägende Kindheit, in der er mit mir viele Länder Europas bereist und viele Gewässer befischt hat, und ein ziemlich cooles Angeljahr 2020, haben in ihm das Feuer der Leidenschaft neu entfacht.Das Karpfenangeln zu fühlen, ist etwas, das man Außenstehenden nur schwer vermitteln kann. Jedoch zu fühlen was es mit einem macht, wenn man den eigenen Sohn das erste Mal alleine ans Wasser fährt, mit ihm das Tackle aufbaut und dann in der spätherbstlichen Dunkelheit alleine zurück zum Auto geht, ist ein Gefühl, das man als Vater ebenso schwierig beschreiben kann.Prägung und WerteJannis ist jetzt 15 Jahre alt. Ich erinnere mich noch sehr gut an unsere erste gemeinsame Nacht am Wasser. 12 Jahre ist das jetzt her. Damals, im Mai 2008, saßen wir an einem kleinen Strandabschnitt meines Lieblingssees und freuten uns gemeinsam über den Fang von „Hilde“, einer der damaligen Top-Fische des Sees. Ich sehe ihn noch heute stolz und aufgeregt auf seine Mama zulaufen, mit „Storchi“, seinem Kuscheltier unter dem Arm. Die Erlebnisse der vergangenen Stunden sprudelten nur so aus ihm heraus. Nur Väter können vermutlich nachempfinden, wie glücklich ich damals war. In den Jahren danach waren wir sehr oft gemeinsam unterwegs. Erlebten Erfolge, aber auch Niederlagen. Ich erklärte ihm nicht nur das Angeln, sondern auch die Schönheit von Mutter Natur und den respektvollen Umgang, den jedes Lebewesen verdient hat. So, wie es Väter eben tun.Ein erlebnisreiches Angeljahr 2020In diesem Jahr war ich nahezu jedes Wochenende mit meinen beiden Jungs am Wasser. Wir fischten auf alles, was die Gewässer so hergaben. Die Erfolge waren teilweise gigantisch und wir drei über die Maßen elektrisiert. Die Vielfalt unserer Fänge füllte unser digitales Fangalbum. Nur eine Fischart konnten wir bei unseren, von Maden und Tauwürmen geprägten Allround-Ansitzen nicht fangen: Einen Karpfen! Okay, richtig ernsthaft hatten wir es nie probiert, aber Jannis wollte dies nicht auf sich beruhen lassen. Er wollte es so richtig probieren, wie früher – aber ganz alleine. Also suchten wir ihm Anfang November einen geeigneten Angelplatz und streuten zwei Tage lang mehrere Kilos Rambazamba-Boilies über eine vielversprechende Kante. Als ich am Freitag von der Arbeit nach Hause kam, war das gesamte Tackle schon aus dem Keller geräumt. Jannis saß auf dem Parkplatz auf einer Kühlbox. Er grinste, als ich auf die Parkfläche fuhr. „Papa, ich habe so Bock auf einen Dauerton“ …Weckruf im KerzenscheinKerzenlicht flimmert in unserem Wohnzimmer und befüllt die Luft mit vorwinterlichem Vanillegeruch. Im TV läuft eine weitere Folge Game of Thrones, zum x-ten Mal. Der gute Rote rundet die Gemütlichkeit ab, als plötzlich die blaue Diode meines Smartphones leuchtet. Whatsapp! Ich blicke aufs Handy und kann es kaum fassen. Zwei in die Länge gezogene Buchstaben zaubern mir wie aus dem Nichts ein breites, stolzes Grinsen ins Gesicht. „Jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa“! Er hatte ihn, seinen ersten Karpfen, den er auf eigene Faust fangen konnte. Einen runden Spiegler, mit satten 14 Pfund. Der perfekte Einstiegsfisch, wie ich finde.Das Feuer brenntNach dem Fang des Spieglers wollte Jannis jedes Wochenende ans Wasser. Den gesamten November über verbrachte er jedes Wochenende am Wasser. Im Sturm, bei Eiseskälte, im dichten Herbstnebel, aber manchmal auch bei strahlendem Sonnenschein. Wenn ich ihn da so sitzen sehe, zufrieden und ausgeglichen, mit dem Blick aufs Wasser, dann weiss ich, dass er mit dem Karpfenangeln den Ausgleich gefunden hat, den er braucht, um in unserer Leistungs,- und Ellenbogengesellschaft zurecht zu kommen. Ich wünsche ihm maximalen Erfolg und, was ich ihm nach dem Fang seines ersten Spieglers mit auf den Weg gegeben habe: Keep the Spirit!Auf die Kinder dieser Welt!Timo Schneider