Deine Story
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29.05.2015
Mirko Schulze: Die Story zum 37-Kilo-Karpfen
In der linken Hand meine Essenstasche, in der rechten Hand die Türklinke. Ein leichter Zug und die Eingangstür fiel in das Schloss. Wie immer hatte ich eine kleine Nische für die Essenstasche beim Packen meines Kombis freigehalten. Sekunden später drehte ich den Zündschlüssel um, lege den ersten Gang ein, das beladene Auto rollte los. Wie immer hörte ich auf der Fahrt „Funkhaus Europa“. Ich stehe auf multikulti Musik und Themen rund um Europa.Die Fahrbahnmarkierungen der A3 schossen an mir vorbei, mit jeder Markierung rückte ich meinem Ziel ein bisschen näher. Ich setzte den Blinker und nahm die Abfahrt.FangwetterDer Wetterbericht meldete für die nächsten Tage durchwachsenes Wetter: Sonne, Wolken und ab und an mal ein Schauer mit auffrischenden Westwind, also perfektes Angelwetter.Am See angekommen hieß es mal wieder schleppen, aufbauen und Ruten platzieren. Ich fische nun schon seit ein paar Jahren hier und man könnte diesen See mein Hausgewässer nennen. Eine Fläche von über 80ha hat der See bei 19km Uferlinie. Das macht einem die Entscheidung der Platzwahl nicht gerade einfach. Der See bietet schier unendlich viele Möglichkeiten. Er ist teils sehr verkrautet, aber es befinden sich auch etliche Kiesbänke unter Wasser.Die Kiesbänke werden aber meist erst in der zweiten Jahreshälfte interessant, wenn sich das warme Oberflächenwasser mit den tieferen Schichten durchmischt hat. Jetzt im Mai suchen die Fische meist die Randgebiete auf, um dort auf Nahrungssuche zu gehen. In den Uferbereichen erwärmt sich das Wasser schneller und steckt schon voller Nahrung.ZwergenaufstandSeit Anfang April hatten sich ein paar Stellen im See als sehr fängig herauskristallisiert. Der Haken an der Sache war, dass das Durchschnittsgewicht der gefangenen Karpfen, doch eher in unteren Drittel lag. Die wenigen wirklich großen Fische, ließen sich mit nur sehr viel Glück an diesen Plätzen fangen. Zu schnell fanden sich die kleineren Karpfen auf den Futterplatz ein. Was bedeutete, dass der Futterplatz meist schon leer gefegt war, bevor überhaupt einer der Altfische zum Zuge kam.In der Vergangenheit konnte ich im Sommer, wenn das Wasser sehr klar war, immer wieder verfolgen, dass die Großen im See alleine unterwegs waren. Auch beim Schnorcheln konnte ich dies beobachten. Die großen Fische waren Einzelgänger und nur selten schwammen diese mit anderen Fischen zusammen. Meine Überlegung war, dass sie keine Futterkonkurrenz an ihre Seite dulden und dadurch in Ruhe fressen können.Die Fressplätz der RiesenEs waren oft sehr unscheinbare Stellen, an denen sich die Großen sich zum Fressen aufhielten. Kleine flache Buchten, steil abfallende Uferstücke oder auch lange, gerade Uferpartien. Mit ein bisschen Glück und Ausdauer beim Suchen konnte man sie finden und gezielt beangeln.4 Tage wollte ich am Wasser verbringen. Ab Tag 2 sollte Heinz zu mir stoßen und mitangeln. Mein vollbärtiger Freund hatte es sich zur Aufgabe gemacht, seinen Bart so lange wachsen zu lassen, bis er den ersten 20kg Fisch für 2015 gefangen hatte. Nicht das ich ihm keinen 20kg Fisch gegönnt hätte, aber die Vorstellung, dass er dieses Jahr keinen fängt, trieb mir immer ein leichtes Grinsen ins Gesicht und ihm einen immer länger werdenden Bart. Eine wunderbare Vorstellung!Abseits der KinderstubenIch suchte mir eine Stelle nach folgenden Kriterien aus: unscheinbar, wenig befischt und abseits der Kinderstuben. Da das Wasser immer noch sehr trübe war, konnte ich im Vorfeld das visuelle Lokalisieren von Fischen vergessen. Ich war ganz allein auf mein Gefühl und meine Erfahrungen aus der Vergangenheit angewiesen.Ich entschied mich für zwei Spots, die ich nicht anwerfen konnte. Also legte ich die Köder mit dem Futterboot ab. Eine an ein steil abfallendes Ufer mit einzelnen großen Steinen, die der Uferbefestigung dienten. Die andere Montage an ein flach abfallendes Ufer, mit kiesigem Untergrund, das in den Morgenstunden von der Sonne verwöhnt wurde. Auf den Spot mit den Steinen fütterte ich ein paar Tigernüsse mit Hanf und Sweet Nut Cloud Spod Mix. Auf dem kiesigen Spot fütterte ich statt Nüssen ein paar Boilies.Nach dem alles auf seinen Platz lag, konnte ich mich zufrieden auf meine Liege legen und durch die Tür meines Titans die Umgebung beobachten. Ein Gefühl von Freiheit machte sich so langsam in mir breit und meine Gedanken fühlten sich wie ein Tagtraum an. Die Stunden gingen vorüber und die Sonne verschwand allmählich, hinter den Bäumen am gegenüberliegenden Ufer.Die erste Nacht verlief ohne einen richtigen Biss, kein erhoffter Dauerton riss mich aus meinen Schlaf. Ab und zu meldete sich mal mein rechter Bissanzeiger, wohingegen der linke schwieg.Heinz legt losBis Mittag ließ ich beide Montagen auf den Spots, um sie dann neu auszulegen. Gegen 16.00 Uhr kam mein Freund Heinz und wir begrüßten herzlich. Das letzte gemeinsame Fischen lag nun schon mehr als ein Jahr zurück, es gab also viel zu erzählen. Heinz platzierte eine Rute links von ihm nah am Ufer und eine auf einer Sandbank in 5,80m Tiefe. Die zweite Nacht brach herein und verlief wie die erste Nacht. Dann am Morgen gegen 08.00 lief Heinz‘ Rute nah am Ufer ab. Der Fisch übte direkt so viel Druck aus, dass Heinz ihn nicht stoppen konnte.Der Fisch zog unbeirrt nach links um die Ecke, in einen anderen Seeteil. Soweit bis seine 0,60mm dicke Schlagnur an irgendetwas am Grund festhing. Heinz entledigte sich seiner Klamotten schnappte sich die Schlagnur und schwamm Richtung Fisch. Ein lautes „boahr - ist das Wasser noch kalt“, kam aus seinem Mund. Die Temperatur betrug gerade mal 17 Grad.Das nächste was ich von Heinz hörte war ein lautes Fluchen. Die Schlagnur war gerissen und seine Enttäuschung konnte man seinem Gesichtsausdruck ablesen. So nah liegen beim Angeln Sieg und Niederlage zusammen.Boilies statt NüsseHeinz zweite und meine dritte Nacht lag nun vor uns, meine Taktik blieb die Selbe. Lediglich verzichtete ich darauf, die linke Rute mit Tigernüsse zu bestücken. Ich sattelte vollständig auf Equinox Boilies um. Auf das Haar zog ich einen Sinker und ein Pop Up, der neuen Hellraiser Range in Washed-Out-Optik in der Geschmacksrichtung Green Zink von Geoff Kemp.Heinz und ich, unterhielten uns noch bis tief in die Nacht. Immer wieder wurde der abgerissene Fisch von Heinz zum Gesprächsthema. Irgendwann, ich weiß nicht wie spät es war, vergruben wir unsere müden Körper in unsere Schlafsäcke. Am nächsten Morgen es war so gegen 07:00 weckte mich Heinz und machte mich auf meinen linken Hänger aufmerksam. Er klebte förmlich vor meinen Bissanzeiger. Was war geschehen, hatte ich einen Biss verpennt? Heinz nahm direkt meine linke Rute auf und fing an einzukurbeln. Jetzt sah ich, wie meine Schnur weit nach rechts zeigte.Ich schälte mich aus meinen Schlafsack und übernahm meine Rute. Was in den folgenden 10 min geschah war schier unglaublich. Ich kurbelte die Schnur immer weiter ein und war mir überhaupt nicht sicher, ob noch etwas dran hing. Nach etlichen Metern Schnur einholen, änderte sich der Verlauf der Schnur komplett, Die geflochtene Robustika Schnur wanderte immer weiter nach links und ich holte erstmal ein dickes Krautbündel an Land, das sich in meiner Schnur verfangen hatte.Glück im UnglückMeter für Meter kurbelte ich die Schnur ein bis sie schließlich fast parallel am linken Ufer entlang verlief. Dann der Albtraum: mit gerader Rute stand ich am Ufer, die Schnur war gerissen. Einfach so? Dass konnte nicht sein, sie musste sich auch irgendwo verfangen haben. Geistesgegenwärtig schnappte Heinz sich eine von seinen Ruten und überwarf meine gerissene Schnur. Wie durch ein Wunder und mit verdammt viel Glück konnte er meine Schnur direkt beim ersten Wurf einfangen. Ich lief augenblicklich mit voller Montur ins Wasser und ergriff das Ende meiner Schnur, Stück für Stück holte ich per Hand meine Schnur ein und merkte jetzt zum ersten Mal, dass sich am anderen Ende etwas zappelte. Es hing wirklich ein Fisch am Haken.Mein Gegenüber wurde so langsam immer lebhafter und ich musste seine Schläge mit meinen ausgestreckten Arm so gut es ging abfedern. Etwas großes, sogar sehr großes konnte ich erkennen, Heinz gab mir seinen Kescher und ich konnte mit viel Mühe meinen Gegner in den Kescher manövrieren. Es war geschafft und vor mir im Kescher lag ein massiver Schuppenkarpfen. Der Zeiger meiner Waage stoppte bei exakt 37 kg. Ein Freudenschrei hallte über den See. Wahnsinn - tausende Gedanken schossen durch meinen Kopf: Was wäre gewesen wenn… Es hätte alles so anders ausgehen können, aber es sollte so sein. Überglücklich, fast beschwingt setzte ich mich erstmal auf den Boden, nur um dann wieder aufzustehen und Heinz zu umarmen. Danke mein Freund!Danke Genosse!Die letzte Nacht für uns beide brach an und wir gaben noch mal alles. Neue Rigs wurden gebunden die Hakenspitzen dreimal überprüft. Mit viel Sorgfalt wurden die Köder neu ausgelegt und nach getaner Arbeit genehmigten wir uns ein kühles Blondes. Die letzte Nacht für uns beide, verlief wie meine erste Nacht - die Bissanzeiger schwiegen. Gegen Mittag beluden wir unsere Trollys und der Heimweg wurde angetreten.Auf dem Weg nach Hause im Auto, ließ ich den Fang noch einmal Revue passieren. Meine Taktik ging auf. Abseits der Hot Spots konnte ich meinen Dicken fangen. Es hatte einfach alles gepasst. Natürlich war Genosse Glück auch im Boot! Auch wenn man einige Dinge bei unserem Hobby beeinflussen kann, Glück gehört einfach dazu!Mirko Schulze