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Deine Story / 02.07.2020

Armin Pollak: Neid, Missgunst und Egoismus

Und los geht’s in eine neue Runde der „Deine Story“-Rubrik, diesmal mit Armin Pollak. Armins Text weicht jedoch stark von den so häufigen „Ich kam, sah und siegte“-Geschichten ab. Vielmehr wirft er einen genauen Blick auf die aktuelle Karpfenszene, so wie er sie sieht. Ein außergewöhnlicher Text, der sicher den Ein- oder Anderen nachdenklich werden lässt. Viel Spaß!

Eigentlich ist es ein Tag wie jeder andere. Der Wecker klingelt, ich versuche mich zu sammeln und der erste Griff geht in Richtung Handy. Erstmal Instagram, Facebook und WhatsApp checken. Könnte ja sein, dass einer meiner Kollegen nen Fetten hat. Etwas verpennt nehme ich den ersten Kaffee zu mir und sehe mir in der Zeit die Insta-Storys an. Noch fix fertig machen und ab zur Arbeit. Spätestens um 09:00 Uhr wird sich dann auf Carpzilla über News aus der Szene informiert. Der Schichtplaner wird nur geöffnet um Urlaubsanträge in den vermeintlich besten Beißphasen einzureichen. Nach der Arbeit, auf dem Weg zum Gym halte ich noch kurz beim Discounter um mir etwas zum Essen zu kaufen. Ich schlendere durch den Mittelgang und frage mich ständig, was man bei den wöchentlich wechselnden Angeboten wohl auch zum Angeln gebrauchen könnte. Wer es so wie ich aus vollem Herzen liebt, kann mir sicher folgen. Unser komplettes Leben dreht sich in irgendeiner Weise um diese eine Leidenschaft! Allzu oft missachten wir jedoch, dass es auch noch ein anderes Leben gibt, ein viel bedeutenderes Leben! Sehr sehr viele Menschen, nicht zuletzt auch in meinem Umfeld vergessen das. Leider! Es geht sogar so weit, dass Freundschaften nicht mehr gepflegt oder noch schlimmer, wegen dieser, ja beinahe wahnsinnigen Passion in die Brüche gehen. Die heutige, sogenannte Szene ist mehr denn je von Neid, Missgunst und Egoismus geprägt.

Früher war alles besser?!

Ich bin gerade dabei, den vierten Satz Kurzhantel Schrägbankdrücken völlig entkräftet zu beenden, als mir plötzlich ein ganz klarer Gedanke in den Kopf schießt. Ich lasse die Hanteln fallen, richte mich auf und frage mich, ob ich denn überhaupt noch ein Teil dieser bzw. einer solchen Szene sein möchte. Sicher bin ich für die allermeisten ein „No-Name“, doch ich denke, dass ein jeder, der sich aktiv auf Instagram und Co. Beteiligt, auch ein Teil der Szene ist.

Obwohl ich „erst“ 30 bin, erinnere ich mich an vergangene Tage, in der es sich am Wasser so angefühlt hat, als wäre man Teil einer großen Familie. Heutzutage reicht es dagegen schon, wenn man 200 Meter entfernt zu einem Futterplatz sitzt um doof angemacht zu werden. Die Hilfsbereitschaft und Freude über Gleichgesinnte findet man heutzutage nur noch ganz selten. Viel öfter ist das Bild am Wasser geprägt von Ablehnung und Lügen, da man auf keinen Fall etwas preisgeben möchte. Jemand könnte ja zum Beispiel genau den Fisch fangen, auf den man es seit Jahren abgesehen hat. Aus meiner jüngeren Vergangenheit gibt es eine Situation, die ich bis heute nicht so ganz nachvollziehen und begreifen kann. Ich konnte an einem für mich neuen See direkt einen Fisch von über 20kg fangen. Meine Freude war in diesem Moment wirklich unermesslich. Auf den Boden der Realität wurde ich jedoch ziemlich schnell zurückgeholt, als ich bemerkte, dass nur wenige die Freude mit mir teilten. Diese Situation beschäftigt mich bis heute, da zuvor eigentlich ein recht gutes Verhältnis herrschte. Ich bin diesen Menschen noch nicht einmal böse oder dergleichen, ich ziehe lediglich meine Schlüsse daraus, jedoch finde ich die Entwicklung schon sehr bedenklich und nicht zuletzt auch traurig.

Social Media - der Ursprung allen Übels?

Grundsätzlich bin ich ein Mensch, der sehr vieles hinterfragt und so stelle ich mir in letzter Zeit auch immer öfter die Frage, warum sich die Szene so entwickelt hat, wie sie nun ist.

Ein unheimlich großer Einflussfaktor sind sicher die Sozialen Medien. Für viele Menschen ist das Bild auf Instagram wichtiger als das Erlebnis selbst. Je mehr Herzchen und Follower, desto größer die Anerkennung. Der Spirit bleibt dabei völlig auf der Strecke. Kilotechnisch betrachtet zählen oft nur Fische über 15 oder sogar 20kg. Man angelt nicht mehr für sich selbst, sondern eigentlich nur noch für seine Follower und das um jeden Preis. Krass und vielleicht auch etwas übertrieben gesagt, stehen für einen selbst nicht mehr der Fisch und das Erlebnis im Vordergrund sondern die erreichten Likes und zusätzlichen Follower. Heutzutage spielt das anglerische Können jedoch auch keine so große Rolle mehr. Wichtig ist der Außenauftritt, denn nur so „kommt man weiter“. Ich persönlich kenne einige Jungs, die von Instagram und Co rein gar nichts halten, sie besitzen jedoch deutlich mehr Know-How als 80% meiner Freundesliste.

Die Sache mit dem Neid

Ein weiterer großer Punkt ist das Thema Konkurrenz und der Druck, den sich viele SELBST machen. Gerade heutzutage, in einer Zeit, in der gefühlt 80% der Karpfenangler für irgendein Team angeln, gibt es dies mehr denn je. Das Witzige und ja eigentlich wirklich Absurde ist, dass man Konkurrenz nicht unbedingt in anderen Firmen oder Boilieherstellern sieht, sondern im eigenen Team. Zugegeben, das Wort Konkurrenz ist hier etwas irreführend und missverständlich. Was ich damit sagen möchte, ist, dass sich viele Angler unheimlich damit unter Druck setzten, nicht genug für ihre Firma „abzuliefern“. Wenn nun die Kollegen gut fangen, muss man natürlich nachziehen. Hier nun auch wieder um fast jeden Preis.

Der Druck, den sich viele machen, bestimmt dann letztendlich das ganze Leben. Im Grunde genommen steht man den kompletten Tag unter Stress und es nimmt sich selbst die Freude an allem anderen. Man muss beispielsweise nur über drei Ecken hören, dass sein Zielfisch gefangen wurde und der Tag, ja sogar die nächsten Wochen sind „gelaufen“. Das geht sogar so weit, dass man es nicht einmal mehr seinem Angelbuddy gönnt. Ja, Karpfenangeln zerf**** unseren Schädel.

Nehmt euch den Druck

Ich kann nur jedem raten: Nehmt euch den Druck, angelt wieder für euch selbst und genießt die Zeit. 1. Geht es euch und eurem Umfeld viel besser und 2. werdet ihr wieder viel effektiver angeln gehen.

Persönlich, so glaube ich, habe ich es geschafft, beide Leben voneinander zu trennen. Natürlich brenne auch ich für das Karpfenangeln und den damit verbundenen Lifestyle, genauso bestimmt es zu einem großen Teil mein Leben, jedoch kann ich mich auch aufrichtig für andere freuen. Dies haben leider sehr viele verlernt.

Ich bin sehr froh darüber, dass ich eine Handvoll Leute habe, die diese Thematik genauso sehen wie ich. Dies sind aber auch die Leute, für die ich unter der Woche nachts um 3h zum See fahren würde um ein paar Fotos zu schießen und auf die ich mich im Gegenzug bedingungslos zu 100% verlassen kann. Nehmt euch doch selbst einen Moment, geht in euch und denkt darüber nach, ob ihr wirklich jemanden habt, der sich aufrichtig und aus vollem Herzen über euren Fang freuen kann. Wenn ihr euch wirklich absolut sicher seid, einen solchen Menschen oder besser gesagt, einen wahren Freund zu haben, könnt ihr euch wahrlich glücklich schätzen und betrachtet dies nie als selbstverständlich. Sollte dem nicht so sein, kann ich euch sagen, dass es zu 95% an euch selbst liegt!

Zum Nachdenken anregen...

Ich möchte mit diesen Zeilen absolut niemanden angreifen, lediglich würde es mich freuen, wenn es den einen oder anderen zum Nachdenken anregt. Ich kann für mich sagen, dass unser Hobby viel wertvoller und vor allem auch entspannter ist, wenn man es schafft diese Missgunst, den Neid und den Egoismus abzulegen. Unser Leben, das Angeln, gibt uns so viel mehr. Nehmt euch den Druck, den ihr euch selbst macht und genießt ganz bewusst die Zeit am Wasser. Sollte es nur einen Leser geben, der sich meine Worte zu Herzen nimmt, hat sich der „Aufwand“ absolut gelohnt!

Liebe Grüße

Armin Pollak

Partner
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