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23.04.2021
Felix Petscharnig: Weil's uns alle was angeht!
Fischmehlboilie stehen bei vielen Karpfenanglern hoch im Kurs, denn die vielen Vorteile überwiegen für die meisten. Doch wo kommt das besagte Mehl überhaupt her, wie wird es hergestellt und wem schadet es? Felix Petscharnig hat sich mit der Materie genauer befasst…Fische sind die am meisten genutzten Lebewesen unserer Erde! Die meisten Fischbestände in unseren Ozeanen und Meeren sind überfischt und in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Ihr als Süßwasserangler, Karpfenangler, fragt euch jetzt bestimmt: „Und was hat das jetzt mit mir zu tun? Ich angle ja nur im Süßwasser, wo keine kommerzielle Fischerei betrieben wird. Und ich nehme, wenn überhaupt, nur selten Fisch für den eigenen Verzehr mit nach Hause.“ Das habe ich auch gedacht, bis mir bewusst wurde: „Ups, ich angle ja mit Boilies auf Fischmehlbasis. Wo kommt denn das ganze Fischmehl für die Produktion von Boilies und Pellets her?“ Ja genau, aus dem Meer! Und wir als Karpfenangler interessieren uns ja hoffentlich nicht nur für unsere gemütlichen Kameraden in den heimischen Gewässern, sondern auch für deren farbenfrohe Verwandte in den Meeren und Ozeanen, die gerade eine der größten Krisen ihrer Geschichte durchmachen müssen.Aber nun mal von Anfang an. Was ist Fischmehl überhaupt? Als Fischmehl bezeichnet man getrocknete und anschließend gemahlene Fische (ganze oder Teile von Fischen, sowie Schlachtabfälle). Für die Produktion von einem Kilogramm Fischmehl werden rund 4,4kg Fisch benötigt. Wenn dieses Fischmehl nur aus Schlachtabfällen bestehen würde, wäre das in meinen Augen noch vertretbar. Aber in den letzten Jahrzehnten hat sich eine eigene Sparte der Hochseefischerei mit dem Ziel der Fischmehlerzeugung entwickelt – was ich kritisch sehe, wenn man die Situation unserer Weltmeere insgesamt betrachtet. Um nur einmal eine kurze Rechnung anzustellen: In Deutschland gibt es rund 3,3 Millionen Angler, davon sind rund eine Million Friedfischangler, unter die auch wir als Karpfenangler fallen. Angenommen, zwei Drittel dieser Zahl sind Karpfenangler (also rund 660.000) und jeder von diesen verwendet jährlich rund 10kg Boilies auf Fischmehlbasis mit einem Fischmehlanteil von rund 35%, dann komme ich bei meiner Rechnung auf rund 10 000 Tonnen Fisch. Das sind rund 340 Sattelzüge voll mit frischem Fisch, der zum Teil nur als Futter für unsere dicken Freunde in die Seen und Flüsse fliegt.Nun werden nach meinem Gefühl Fischmehlboilies immer beliebter und häufiger eingesetzt. Gehen wir dann noch einen Schritt weiter und stellen uns diese Situation nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern, in denen die Karpfenangelei betrieben wird, vor, dann wird das Dilemma offensichtlich. Aber die gute Nachricht ist, dass es auch Köder auf Kohlehydratbasis oder auf Basis pflanzlicher Proteine gibt, die nicht weniger erfolgreich sind! In den Bildern seht ihr beispielsweise, welch schöne Karpfen ich in einem 2000ha großen Natursee, der mit einem eher geringen Karpfenbestand gesegnet ist, mit nur einer Handvoll Kohlehydratboilies fangen konnte.Mein Appell an alle Leser dieses Beitrags ist: Probiert doch mal Alternativen zum „klassischen“ Fischmehlboilie aus und versucht einmal, weniger zu füttern. Überlegt, bevor ihr unnötigerweise Kilos über Kilos anfüttert, denn manchmal ist weniger mehr! Ihr werdet sehen, es funktioniert auch anders, als es gelegentlich von manchen Boilieherstellern mit dem Slogan „Futter ist Macht“ vorgemacht wird. Ein weiterer Vorteil, den ihr erfahren werdet, wenn ihr auf alternative Kohlenhydratköder umsteigt, ist, dass sie oft günstiger sind als die so oft gepriesene fischige Variante. Mir ist bewusst, dass der Umstieg auf andere Köder die Welt nicht retten wird, aber um es mit einem Zitat von Dr. Sylvia Earle, einer bekannten Meeresforscherin, auszudrücken: „Keiner kann alles, aber jeder kann etwas tun, um die Situation zu verbessern“ – also, kleine Änderungen bei vielen können auch Großes bewirken.In diesem Sinne Petri heil!FelixVerwendete Referenzen: Byelashov, Oleksandr A.; Griffin, Mark E. (2014): Fish In, Fish Out: Perception of Sustainability and Contribution to Public Health. In: Fisheries 39 (11), S. 531–535. DOI: 10.1080/03632415.2014.967765. Online verfügbar unter https://www.tandfonline.com /doi/full/10.1080/03632415.2014.967765 Robert Arlinghaus (2004): Robert ArlinghausAngelfischerei in Angelfischerei in Deutschland - eine soziale und ökonomische Analyse. Recreational fisheries in Germany - a social and economic analysis. Berlin. Online verfügbar unter https://www.ifishman.de/publikationen/einzelansicht/580- angelfischerei-in-deutschland-eine-soziale-und-oekonomische-analyse/