Nachgehakt
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21.10.2020
Stauseeangeln in Deutschland - wir haben bei Rafael Bringmann nachgehakt!
Stauseeangeln: große Wasserflächen, viele Angler und viele, große Fische bis über der 30 Kilo Marke. Häufig jedoch spiegeln die letzteren Schlagwörter nur die Szenarien rund um die Angelei im gelobten Land wider. Dass hingegen auch deutsche Stauseen großes Potential in Sachen Herausforderung und Bedeutsamkeit der Fische mit sich bringen, zeigt euch Trakker Products und Successfulbaits Teamangler Rafael Bringmann in diesem Nachgehakt Interview:Carpzilla: Hallo Rafael, herzlich Willkommen zum heutigen Nachgehakt Interview. Die Angelei am Stausee ist in Frankreich gang und gäbe, hierzulande ist sie hingegen weniger verbreitet. Wo siehst du die Unterschiede und welche Reize üben die gestauten Blauen auf dich aus?Rafael: Hallo Jungs! Tatsächlich liegt der Unterschied in nur einer Sache: dem Fischbestand! Viele französische Stauseen werden seit Jahrzehnten von Karpfenanglern befischt und durch die Departments besetzt. So befinden sich meist mehr Fische in den Seen, welche durch den zusätzlichen Futtereintrag von Anglern enorm abwachsen können. 25Kg und 30kg Fische schwimmen auch in deutschen Stauseen, doch die geringe Dichte an wirklich großen Fischen macht die Seen für viele uninteressant. Nicht selten kommt so ein Fisch auf weit über 100 Hektar, während in den umliegenden Baggerseen auf einigen Hektar Wasserfläche schon ein solcher Fisch zu finden ist.Die geringe Fischdichte und Big-Fish-Dichte sorgen für Ruhe an diesen Seen. Man kann sich hier noch ausleben und die Spots befischen, die man aufgrund der Gegebenheiten für richtig hält und nicht, weil man den Spot Monate im Voraus in einer Vereinsinternen WhatsApp Gruppe reservieren musste. Das ist nicht meine Angelei.Carpzilla: Der Karpfenbestand in den deutschen Stauseen ist oftmals überschaubar und viele Sessions Enden im Blank. Wie schaffst du es trotzdem, dich zu motivieren und am Ball zu bleiben?Rafael: Die Angelei ist unglaublich abwechslungsreich. Seit über zehn Jahren befische ich zwei Stauseen besonders intensiv. Zusammen sind das je nach Wasserstand zwischen 500 und 700 ha. Ich habe noch längst nicht alle Plätze an diesen Seen befischt und es tauchen jedes Jahr neue und unbekannte Fische auf! Darunter auch gerne der ein oder andere größere Fisch. Wenn ich dabei noch an Plätzen sitze, für die andere nach Frankreich fahren, fällt es mir wirklich leicht, am Ball zu bleiben!Carpzilla: Welche Rolle spielen Faktoren wie Luftdruck, Wind, Wassertemperatur oder Jahreszeit für dich? Wann gehst du los, wann suchst du lieber andere Gewässer auf?Rafael: Ich könnte ein kleines Buch über die Faktoren verfassen, versuche es aber mal kurz.Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Wasserkörper mit großem Volumen weniger Probleme mit Wettereinbrüchen haben, dafür brauchen sie aber auch länger, um eine Temperatur zu erreichen, die das Angeln erst erfolgreich macht. Tatsächlich beginnt die Saison für mich aber erst ab einer Wassertemperatur von 12 Grad. Das Frühjahr ist eine unglaublich gute Zeit und es gilt wärmere Bereiche zu suchen! Aufgrund von diversen Faktoren kann es zu massiven Temperaturunterschieden kommen. Warmes Wasser ist immer ein guter Anlaufpunkt.Im Sommer werden die riesigen Wassermassen zwar warm, machen ein Angeln aber nie unmöglich und das Wasser ist immer ausreichend mit Sauerstoff gesättigt.Zum Herbst kühlt ein großer Wasserkörper auch langsamer aus. Nicht selten habe ich noch im November Fische gefangen. Danach war dann aber auch Ruhe und so finde ich mich meist in den Monaten Dezember bis Mitte April an kleineren und besser besetzten Gewässern ein. Somit spielt die Wassertemperatur eine der wichtigsten Rollen für mich. Noch wichtiger ist für mich jedoch der Wind. Bei Nord- oder Ostwind habe ich leider feststellen müssen, dass ich ebenso gut zu Hause hätte bleiben können.Carpzilla: Eine kurze Frage zur Spotwahl: Wonach hältst du Ausschau, welche Stellen sind deiner Erfahrung nach am erfolgversprechendsten?Rafael: Im Frühjahr müssen es die warmen Bereiche des Sees sein. Diese muss man ausfindig machen. Ein Echolot und Boot vereinfachen mir dies enorm. In Verbindung mit einem GTM kann man dann noch die Sprungschicht finden. Mindestens eine Rute muss vor den Füßen in 1-2 Meter tiefe liegen! Findet man warme Bereiche, sind auch die Fische meist nicht weit und können instant mit wenig Futter gefangen werden.Im Sommer greife ich gerne auf Futterplätze zurück. Entweder suche ich die Fische und füttere sie dort wo ich sie finde, oder ich füttere sehr stumpf auf vermeintlichen Zugrouten im steilen Ufer! Das steile Ufer bietet den enormen Vorteil, dass die Fische zwangsweise über mein Futter schwimmen und es so schneller wahrnehmen als in einem flachen Areal, wo sie daran vorbeiziehen können. Wenn dieser Platz läuft, füttere ich ihn bis in den späten Herbst, gehe aber mit der Sprungschicht in die Tiefe. Die flache Rute produziert nun wenig oder keine Bisse und oberhalb der Sprungschicht läuft es richtig an.Carpzilla: Bei der riesigen Wasserfläche bereitest du deine Plätze bestimmt vor, nicht wahr? Welches Futter kommt bei dir zum Einsatz und über welche Menge reden wir hier?Rafael: Wie bereits erwähnt, bereite ich besonders gerne im Sommer meine Plätze vor. Ich beginne hierfür mit einem Mix aus Partikeln, Pellets und Boilies von Successful-Baits. Die Menge kann nicht pauschalisiert werden. An einem der o.g. Seen starte ich gerne mit 3-4kg Boilies, sowie 10 Liter Partikeln alle zwei Tage. Weiße Boilies wie der Scoberry oder helle Fischmehlboilies wie der Nasty Shrimp eigenen sich perfekt, da ich mit einer Fishspy meinen Platz kontrolliere und sie so besser sehen kann, falls sie liegen geblieben sind. Sind einzelne Bestandteile des Futters weggefressen oder alles weg, passe ich das Futter, die Menge oder die Intervalle an. Da der See einen kleinen Bestand hat, reicht diese Menge oftmals aus und nach zwei Wochen kann ich mit den ersten Erfolgen rechnen.Carpzilla: Was würdest du denjenigen raten, die sich auch mal an einem ähnlichen Gewässer versuchen wollen? Hast du ein paar Tipps und Tricks parat?Rafael: Nichts geht über Location! Wählt euren Platz nicht nach vermeintlich guten Spots. Setzt euch an sonnigen Tagen auf das Fahrrad, Boot oder lauft zu Fuß am See entlang und sucht nach den Fischen! Das kann einen ganzen Tag in Anspruch nehmen, macht sich aber meist in den ersten Stunden bezahlt! Wer sich auf gut Glück irgendwo hinsetzt, muss unter Umständen mit der härtesten Blankserie seines Lebens rechnen! Aber glaubt mir, es lohnt sich, wenn der erste Fisch eines solchen Sees in euren Maschen liegt!Carpzilla: Die Saison nimmt zum Herbst hin nochmal richtig Fahrt auf. Was dürfen wir von dir noch erwarten? Verfolgst du noch bestimmte Ziele?Rafael: Ich hatte einige Ziele für dieses Jahr und ich habe sie mir bereits alle erfüllt. Neben dem großen Schuppi aus dem Stausee, welcher mir unglaublich viel bedeutet, wurde mein erster Artikel in einem englischen Fachmagazin und unser Stauseevideo veröffentlicht. Jetzt werde ich die letzten Wochenenden mit meinen besten Freunden am Wasser verbringen und das Jahr nochmal Revue passieren lassen. Aber so wie das Jahr bisher lief, wird dabei bestimmt noch der ein oder andere Fisch einsteigen!Carpzilla: Vielen Dank für deine Zeit, Rafael!Rafael: Ich habe zu danken! Bleibt gesund!Bock auf mehr Stausee-Vibes? Hier gehts zum Video von Rafael:https://www.youtube.com/watch?v=u5_XN1qtD0s