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14.09.2017
Julian Rosenthal: Mission Wiederfang
Einem Zielfisch hinterher zu jagen, das kennen sicher viele Karpfenangler. Doch einen Fisch zum Zielfisch zu machen, den man beriets gefangen hat, ist eine andere Nummer. Was leicht klingt, kann schnell zur Obsession werden. Julian Rosenthal weiß ein Lied davon zu singen...Im Frühjahr 2015 fing ich meinen, mit 18 Kilo bis dato größten Fisch in meinem Hausgewässer, einem alten Baggerloch, gelegen mitten im Herzen Niedersachsens. Damals wusste ich noch nicht, dass dieser Fisch meinen Weg noch einige Zeit bestimmen würde…Dass genau dieser Fisch ein Jahr später, im Frühsommer 2016, mit einem Riesensprung zum schwersten bekannten Fisch des Sees geworden sein sollte, kam mir absurd vor. Als ich jedoch Bilder des Fisches zu Gesicht bekam, sah man schnell, dass der Spiegler tatsächlich ordentlich Gewicht zugelegt hatte. Da ich es trotzdem nicht richtig glauben konnte, stand für mich sofort fest, dass ich diesen Fisch nochmal fangen musste, um mich von seiner Gewichtszunahme selbst zu überzeugen.Der MasterplanMein Plan war schnell geschmiedet. Der Fisch wurde beide Male an der gleichen Stelle gefangen. Eine Stelle, die extrem starkem Angeldruck ausgesetzt ist und im Prinzip unter Dauerfutter steht. Vorfüttern war also definitiv keine Option und so versuchte ich, mit kurzen spontanen Shortsessions und Overnightern meinem Zielfisch nochmal auf die Schliche zu kommen.Inzwischen war es fast Ende Herbst geworden und der erhoffte Erfolg blieb aus. Ich baute parallel zu meiner Taktik, den Fisch dort zu fangen, wo er schon zwei Mal einen Fehler begangen hatte, in einem anderen Areal des Sees einen Langzeit-Futterplatz auf und fing dort regelmäßig meine Fische. Ich dachte mir, dass ich dort mit etwas Glück und regelmäßigem Füttern eventuell auch auf den Spiegler stoßen könnte.Das Angeln an der stark frequentieren Stelle behielt aber weiter bei und versuchte unter der Woche so oft es ging am Wasser zu sein. Auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, wurde ich allerdings an einem Morgen im Herbst.Tatort Camping-PlatzFrüh war ich am See, um zum Hellwerden schon die Ruten auf meinem Futterplatz liegen zu haben. Im ersten Morgengrauen sah ich, dass wie quasi jedes Wochenende auf der Stelle, wo der König die vorigen Male gefangen wurde, jemand saß. Nicht umsonst wird dieser Platz in auch hämisch "Campingplatz" genannt.Kurze Zeit später klingelte mein Telefon. Am anderen Ende der Leitung hing ein Karpfenangler, dem ich vor einiger Zeit einmal flüchtig nach einem Gespräch meine Nummer gegeben hatte.Er fragte mich ob ich am See sei und ein paar Bilder von einem guten Fisch machen könnte. Ich zögerte kurz, da ich nur wenig Zeit zum Fischen an diesem Tag hatte und diese optimal und effektiv nutzen wollte. Als er mir jedoch sagte, dass er der Angler auf dem „Camping-Platz“ sei und es sich bei dem Fisch um einen 22 Kilo schweren Spiegler handelte, ahnte ich bereits, welchen Fisch er da gefangen hatte.Ich ahnte, dass sich damit die Chance, ihn diese Saison selbst nochmal auf meiner Matte liegen zu haben, verabschiedet hatte.Jedoch wollte ich mir die Gelegenheit den Fisch live zu sehen, um mir selbst ein Bild von seinem aktuellen Gewicht zu machen, nicht nehmen lassen, packte kurzerhand mein weniges Tackle zusammen und fuhr mit gemischten Gefühlen zu ihm rüber.Da ist der CutNach einem kurzen Blick auf den Fisch erkannte ich sofort den Cut an der Schwanzflosse den er schon bei mir hatte - er war es also definitiv.Ich schoss dem Kollegen ein paar Bilder und fuhr dann nach Hause. Natürlich freut man sich, wenn jemand anderes so einen großen Fisch fängt und gönnt es ihm. Wenn es sich bei dem Fisch aber um seinen persönlichen Zielfisch handelt, ist die eigene Stimmung doch etwas geknickt. Ich nahm aus dem Ereignis aber auch etwas Positives mit, nämlich, dass der Fisch tatsächlich extrem zugelegt hatte.Schließlich hatte ich es endlich mit eigenen Augen gesehen. Meine Saison war für mich, da es bereits Dezember war, dennoch gelaufen.Neue PläneEin paar Wochen später stand mein Plan für die kommende Saison fest. Ich hatte mich entschlossen meine Zielfischjagd hinten anzustellen, denn es würde vorerst mein letztes Jahr an diesem Gewässer werden. Ohne großen Druck diesen einen Fisch nochmal zu überlisten, wollte ich zum Abschied ganz unbeschwert versuchen, so erfolgreich wie möglich zu sein und einfach möglichst viele Fische zu fangen.In meinem Hinterkopf blieb natürlich trotzdem der Wunschgedanke, dass mit etwas Glück auch mein Zielfisch der letzten Saison nochmal beißen könnte.StartschussDer Frühling war endlich da, doch durch meine Arbeit in einem 3-Schicht-Betrieb bleiben mir oft nur wenige Stunden zwischen Maloche und Privatleben am Wasser. Meistens bereite ich mir deshalb nach intensiver Lokalisierung der Fische einen kleinen Futterplatz vor, der immer auf die Schnelle den einen oder anderen Fisch brachte.Meine Taktik ging also voll auf und so konnte ich bis zum Sommer trotz geringem Zeitbudget einen großen Teil des Bestandes fangen. Mein heimlicher Wunsch, den Seekönig dabei zu haben, ging bis dahin aber leider nicht in Erfüllung.Urlaubszeit gleich AngelzeitDa es mittlerweile August und somit auch Urlaubszeit war, lief alles im Betrieb auf Sparflamme. Es war Donnerstag, die Arbeit der Woche zum größten Teil erledigt und so entschied ich mich spontan ein paar Überstunden abzubauen, um von Donnerstag auf Freitag einen schnellen Overnighter zu machen. Dieses Mal würde es jedoch eine Instant-Nummer werden da ich, bedingt durch den eigenen Urlaub, keine Zeit für eine Vorbereitung hatte.Auf dem Plateau buckeltsNach ausgiebiger Location hatte ich die Fische gefunden. Über einem großen Plateau zeigten sich am Abend in regelmäßigen Abständen immer wieder Fische. Zwei meiner drei Ruten platzierte ich im Bereich der sich zeigenden Fische. Da ich den Spot schon mal befischt habe, musste ich nur die richtige Entfernung aus dem Handy heraussuchen, per Distance Sticks abmessen und so war ich direkt im Rennen.Wiedersehen mit ScarfaceMit der dritten Rute stellte ich am eigenen Ufer vor einem kleinen Busch mit einer Hand voll Tigernüssen eine kleine Falle. Als Hakenköder setzte ich hier ebenfalls auf zwei sorgfältig mit Kork ausbalancierte Tigernüsse am IQ-D-Rig. An diesem Spot konnte ich schon in der Vergangenheit mit dieser Kombination einige gute Fische überlisten und so hatte ich vollstes Vertrauen in meine Jokerrute.Nach einer relativ schlaflosen Nacht mit einigen Satzern riss mich morgens um 6 der Delkim einer meiner auf dem Plateau liegenden Ruten aus dem Schlaf. Nach einem heftigen Fight schöpfte ich einen 19 Kilo schweren Spiegler namens Scarface ab.Nachdem ich ein paar Bilder geschossen und das Tier released hatte, setzte ich mich vollst zufrieden auf meine Liege und schaute mir das Bildmaterial an.Unverhofft kommt oftVöllig vertieft bekam ich fast gar nicht mit, dass die Jokerrute zwei zaghafte Piepser von sich gab, nur um kurz darauf wie ein D-Zug abzufeuern. Nach einem kurzen aber harten Drill starte ich auch das Kreuz eines scheinbar guten Dreißigers in meinem Netz.Beim Wiegen des Fisches geschah dann das Unglaubliche. Der Zeiger der Waage blieb bei satten 21 Kilo stehen. Erst jetzt schaute ich mir den Fisch genau an und entdeckte den Cut an seiner Schwanzflosse. Mir wurde sofort bewusst, was gerade passiert war und ich war außer mir vor Freude.Es war mir doch noch gelungen meinen vermeintlichen Zielfisch, den ich eigentlich gar nicht mehr auf dem Zettel hatte, zu fangen - das fehlende Puzzleteil, der Vierzigpfünder, von dem ich hier so lange träumte. Einfach mal loslassenManchmal muss man einfach von seinen Plänen abweichen und sich neu orientieren, loslassen, um wieder ganz befreit drauf los fischen zu können. Mit dem Gewissen Quäntchen Glück und etwas Geduld passieren manche Dinge dann meistens von ganz alleine.Umso geiler und unvergesslicher sind dann die Momente, wenn man plötzlich völlig unerwartet seine Ziele erreicht und man die Bestätigung bekommt, alles richtig gemacht zu haben.In diesem Sinne, euch allen einen erfolgreichen Herbst,Julian Rosenthal