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30.12.2019
Enrico Parmeggiani: Meine Begegnung mit dem chinesischen Amur #2
Einen chinesischen Amur fangen – dieses Ziel hat sich Enrico Parmeggiani in den Kopf gesetzt. Nachdem es ihm gelang einige Informationen über den urigen Fisch einzuholen, schafft es Enrico direkt am ersten Gewässer, einen Amur ans Band zu bekommen. Doch die großen und kampfstarken Fische verlangen Angler und Gerät mehr ab, als zunächst angenommen. Wie Enricos Suche nach dem Black Carp weitergeht, erfahrt ihr im folgenden zweiten Teil…Die Ups und Downs der AngeleiEinige Monate und vier Trips nach China später war ich endlich bereit für meine erste Angelsession dort. Ich wusste zwar nicht, was mich erwarten würde, aber die Ungeduld stieg ins Unermessliche. Am Tag vor der Session ging ich zurück in das Angelgeschäft vor Ort, um mich dort mit dem speziellen Groundbait und Pellets für die Angelei auf den schwarzen Armur einzudecken und zusätzlich kaufte ich auf einem Markt sowohl Süßwasserschnecken, als auch einige Dosen Mais. Die Ausrüstung war soweit bereit für ihren Einsatz, da ich schon auf vorhergehenden Trips einige einfache Teile zusammengesammelt hatte. Rollen und Tacklebox reisten in meinem Koffer mit. Dank der Hilfe eines meiner chinesischen Freunde wurde mir der Zugang zu einem Parksee gestattet, der ausschließlich für Angelwettbewerbe genutzt wird. Hierbei handelte es sich um einen kreisförmigen See mit Verbindung zu einem Kanalsystem, das um die gesamte Gegend ein endloses Labyrinth von hunderten Kilometern erschafft.Acht Stunden ZeitEndlich war ich am See. Die Ausrüstung war einsatzbereit und nach einigen Würfen mit einem Tastblei wusste ich bereits grob, wo ich fischen wollte. Ich hatte nur acht Stunden Zeit, denn dann sollte der Wachmann das Tor schließen und ich musste gehen. Mit Hilfe einer Futterrakete befütterte ich einen vielversprechenden und tiefen Spot mit lehmigem Grund und einigen überhängenden Bäumen, nur wenige Meter vom gegenüberliegenden Ufer entfernt. Nun war es an der Zeit, meine Rigs vorzubereiten, es gab jedoch ein Problem: ich hatte keine Ahnung, wie ich meine Köder präsentieren sollte. Bei einer Rute hatte ich leichtes Spiel, denn diese war zur ufernahen Angelei mit Dosenmais auf Karpfen auserkoren. Die anderen beiden Ruten sollten für die schwarzen Armure scharf gemacht werden. Aus diesem Grund musste ich mir Gedanken über die Präsentation meines Hakenköders machen: Süßwasserschnecken. Ich war mir sicher, dass die Verwendung des reinen Fleischs die einzig richtige Möglichkeit war und nachdem ich ein paar Schnecken zerkleinert hatte, hatte ich genug davon, um es auf die Haare der beiden verbliebenen Rigs zu fädeln. Eines davon präsentierte ich naturgetreu sinkend, das andere mit einem kleinen Stück Schaumstoff ausbalanciert. Beide Ruten legte ich mit einem Zwischenabstand von weniger als zwei Metern aus, mit demselben Rig, mit demselben Köder, aber mit dem Unterschied, dass ein Hakenköder natürlich angeboten wurde und der andere wie ein Snowman. Wenn also an einer Rute etwas passieren sollte, dann wäre das eine wichtige Erfahrung bezüglich des Fressverhaltens dieser Fische.Black Carp in SichtDie Zeit verrann schnell und ich konnte meine Augen, auf der Suche nach irgendwelchen Anzeichen von Fischen in meinem Areal, nicht vom See wenden. Die Umgebung war derart still, dass es schon beinahe gruselig war, niemand war da. Dann setzte Regen ein und ich setzte mich unter meinen kleinen Matchanglerschirm, den ich mitgebracht hatte. Es handelte sich jedoch nur um einen kleinen Schauer und nach 20 Minuten war der Himmel fast wieder vollständig aufgeklart. Just in diesem Moment sah ich, wie mir eine große schwarze Schwanzflosse von genau dem Spot zuwinkte, an dem meine Black Carp – Ruten für mich arbeiteten. Noch heute erinnere ich mich an diesen Anblick. Mein Herz klopfte, als würde ich einen Marathon rennen. Ich war mir absolut sicher, dass nun jeden Moment etwas passieren würde, aber leider geschah in den kommenden beiden Stunden nichts. In meinem Kopf begannen die Gedanken zu kreisen.Ok, das war nun also ein Black Carp gewesen. Ich war mir da absolut sicher, denn ich hatte klar und deutlich die schwarze Schwanzflosse sehen können, die sich nicht nur in ihrer Farbe, sondern auch ihrer Form von der eines Karpfens unterschied. Der Fisch war höchstwahrscheinlich von den ganzen Pellets und dem Grundfutter angelockt worden, die ich ein paar Stunden zuvor eingebracht hatte. Aus irgendeinem Grund jedoch wollte er meinen Köder nicht aufnehmen.Am späten Nachmittag, nicht lange bevor ich den Park verlassen musste, begann wie aus dem Nichts die Rutenspitze meiner linken Rute zu federn. Einige Sekunden hüpfte der Einhängebissanzeiger auf und ab, so dass ich automatisch an einen kleinen Weißfisch dachte. Als ich mich jedoch gerade in Richtung Rute bewegte, verwandelten sich die einzelnen Piepser in einen rasanten Run. Ich versuchte zwar verzweifelt, ruhig zu bleiben, aber das Adrenalin gewann langsam die Oberhand. Das könnte mein erster Black Carp sein! 10.000 Kilometer weg von zuhause und nach zwei Jahren der Vorbereitung und Recherche. Der Fisch zog nach links, alles stand auf Erfolg, ich war so bereit, wie man nur sein konnte und dann… nach nur wenigen Sekunden hing die Schnur plötzlich schlaff durch und kein Fisch zog mehr am anderen Ende. Ich war fertig mit der Welt.DAS ist AngelnIch glaube, ich stand an die zehn Minuten nur so da und blickte aufs Wasser, wie angewurzelt und mit der Rute noch immer in der Hand. Es dauerte eine Weile, das, was hier gerade passiert war, zu verarbeiten und im Endeffekt auch, es zu akzeptieren. Denn im Grunde genommen ist DAS Angeln, das gehört zum Spiel dazu. Es gab kein Bild, das ich meiner Fotogalerie hinzufügen konnte, aber immerhin ein paar neugewonnene Erfahrungen. Das ganze nach diesem Ergebnis beim ersten Versuch positiv zu sehen, ist das einzige, was man tun kann. Den ganzen Tag über hatte ich keinerlei Aktion auf die den Karpfen gewidmete Rute mit Dosenmais über einem Bett aus süßem Grundfutter und weiterem Mais. Auch die Rute mit der Süßwasserschnecke im Snowman-Style war unangetastet geblieben. Der einzige Biss kam auf die einfache Bodenmontage mit Schneckenfleisch. Ich weiß natürlich, dass man aus den Erfahrungen einer einzelnen Session nur wenig verwertbare Schlussfolgerungen ableiten kann, aber ich war mir sicher, dass die Präsentation des Köders am Boden – ohne Auftriebskörper oder sonstiges Gimmick, wie wir das in Europa machen – der richtige Weg war. Eine Sache muss man sich hier immer vor Augen halten: leider existiert Catch&Release grundsätzlich nicht in China. Jeglicher Fisch – ungeachtet Größe und Spezies – landet in der Pfanne. Also gibt es nur sehr wenige Fische in den Gewässern dort, die besondere Scheu oder Vorsicht vor Haken haben, schlicht deshalb, weil sie nie die Chance bekommen, diese Erfahrung ein zweites Mal zu machen. Wenn man in China einen Fisch fängt, dann ist es äußerst wahrscheinlich, dass er noch nie zuvor mit einem Haken in Kontakt gekommen ist. Deshalb ist eine absolut simple und natürliche Herangehensweise die einzig lohnende Methode.Neue Kontakte eröffnen neue Möglichkeiten Während der folgenden zwei Jahre konnte ich leider nicht so viel angeln. Jedes Mal, wenn ich nach China kam, war mein Arbeitsplan extrem voll und es gelang mir nur ein paarmal, meine Schnüre während einer Tagessession ins Wasser zu bekommen. Dabei konnte ich ein paar kleine Schuppenkarpfen auf Dosenmais fangen, hatte aber noch immer keinen Qing Yu in meiner Galerie. Das hinderte mich aber keineswegs daran, noch mehr in Erfahrung zu bringen und noch bessere Beziehungen zu chinesischen Anglern aufzubauen. Im Dezember 2015 war ich wieder auf Besuch in China, ungefähr eine Woche vor Weihnachten. Während eines Abendessens mit einigen Geschäftspartnern zeigte mir ein Mann, den ich nie zuvor getroffen hatte, ein Bild auf seinem Mobiltelefon. Es zeigte einen seiner Freunde mit einem massiven Black Carp auf einem Boot. Er hatte den Fisch aus Versehen beim Kunstköderangeln auf Wolfsbarsch im Brackwasser im Rücken gehakt. Der Fisch musste, soweit ich das auf dem Bild erkennen konnte, deutlich über 30 Kilogramm schwer sein. Es stellte sich heraus, dass der Kerl auf dem Foto hin und wieder versehentlich Black Carp fing, es handelte sich also nicht um einen Einzelfall. Meinem Mittelsmann zufolge schwammen in der Gegend, in der sein Freund angelte, unglaublich viele meiner Zielfische. Es angelte jedoch niemand gezielt darauf, da nur Kunstköderangeln erlaubt war. Es begann nun also eine Befragung in Geheimdienstmanier, denn zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, ob ich diesen Mann jemals wieder treffen würde. Ich musste also während diesem Abendessen so viele Informationen wie irgend möglich gewinnen. Er war glücklicherweise ausgesprochen nett und hilfsbereit. Vermutlich hatte er verstanden, welche Anstrengung und Zeit ich in den Jahren zuvor investiert hatte, um einen dieser majestätischen Fische zu fangen.Der See, von dem wir sprachen, war ein natürliches Reservoir, das in Regierungsbesitz lag. Es war nur das Spinnfischen vom Boot erlaubt, verbunden mit der zusätzlichen Auflage, dass nur zwei Boote pro Tag den See befahren durften. Außerdem mussten diese Boote von einem der Naturpark-Mitarbeiter gesteuert werden. Das sollte kein einfaches Unterfangen werden, zu diesem See Zugang und die Erlaubnis für eine 24-Stunden-Session mit Übernachtung zu bekommen. Aber nach so vielen Versuchen und nach so vielen verschiedenen Gewässern, die ich in all den Jahren befischt hatte, wollte ich unbedingt diesen See angreifen und eine neue Herangehensweise ausprobieren.Meeting mit dem ParkmanagerDer Kerl (den Namen kann ich mir wirklich nicht mehr ins Gedächtnis rufen) war derart hilfreich, dass er direkt zum Telefon griff und seinen Freund (den mit dem Black Carp auf dem Foto) anrief, um noch mehr Informationen zu bekommen. Und obwohl dieser erneut bestätigte, dass sowohl das Angeln vom Ufer aus, als auch das Angeln auf Friedfische verboten war, so schafften wir es doch, die Mobilnummer des Parkmanagers zu bekommen. Auf diese Weise sollte ich die Möglichkeit bekommen, mit diesem zu sprechen und zu sehen, ob man sich nicht irgendwie einig werden würde, damit ich doch noch ein bis zwei Tage dort fischen konnte. Ich glaube, ich muss nicht extra erwähnen, dass ich bereits am darauffolgenden Morgen dem Parkmanager mit dem Telefon nachstellte. Und tatsächlich: dank der Hilfe eines guten chinesischen Freundes (der Manager sprach nur chinesisch) vereinbarten wir einen Termin. Der Manager wollte mich zuerst persönlich kennenlernen und mehr über meine Pläne erfahren, bevor er in irgendetwas einwilligte. Das Meeting war also vereinbart und wir beschlossen, uns einen Tag bevor ich wieder nachhause fliegen musste, auf einen Tee direkt am See zu treffen.Chinesische VerhandlungenAm See angekommen, empfing mich Mr. Huang – der Manager – in einem großen elektrischen Golfcart, das normalerweise dazu dient, Touristen herum zu kutschieren. Ich muss zugeben: das hatte ich nicht erwartet. Er wollte mich zunächst eine Runde um den See fahren, damit ich mir potentielle Plätze zum angeln ansehen könnte, sollten wir später eine Vereinbarung treffen. Innerlich dachte ich mir, dass dies eine sehr merkwürdige Art war, unser Meeting zu beginnen. Aber nur Minuten später dämmerte mir, dass es ein richtig gutes Anzeichen war, denn so starten Geschäftstreffen in China. Zunächst bekommt man das gezeigt, was im Angebot ist und dann setzt man sich bei einer Tasse Tee hin, um über die Bedingungen zu verhandeln. Das bedeutete, dass der Manager also sehr wohl bereit war, einen Deal mit mir abzuschließen und mich hier angeln zu lassen, wenn er mir schon zu Anfang den See zeigte.Ob Enrico tatsächlich die Chance bekommt, in diesem See zu angeln und wie es ihm gelingt seinen ersten Black Carp zu fangen, erfahrt ihr morgen im dritten Teil seiner Story…Hier geht es zum ersten Teil von Enricos Story.