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+ Stories / 04.05.2020

Von Glück und Unglück #1 - das Carplifer-Pärchen auf einem Roadtrip

Meine Beziehung zum Glück stellt mich manches Mal auf eine harte Probe. Und das, obwohl man manchmal – aufgrund der sehr eingeschränkten Sicht durch Instagram – glauben könnte, ich hätte das Glück gepachtet. Ich kann Euch versichern: In der Wirklichkeit ist mir das Glück nicht so hold. Wir gehen immer fest davon aus, dass für jedes Quäntchen Glück, das uns zuteilwird, gleich das Unglück in irgendeiner Form hinter der nächsten Ecke lauert; nur darauf wartend, dass wir hineinstolpern. Claire würde das so ausdrücken: Es hat etwas mit dem Gleichgewicht der Welt zu tun. Mit dem Yin und Yang, deren Einfluss auf alles und deren Zusammenspiel, um die Harmonie des Universums aufrecht zu erhalten. 

Um ehrlich zu sein klingt das für mich alles ein wenig zu weit hergeholt. Ich bevorzuge es, Glück und Pech mit einem logischeren Ansatz zu definieren. Glück ist in meinen Augen, wenn die Möglichkeit auf gute Vorbereitung trifft. Pech, wenn schlechte Vorbereitung auf die Realität stößt. Unsere Sommerangelei sollte ein wenig von beiden Sichtweisen des Glücks beinhalten. Sie ließ mich darüber nachdenken, wie eine Handlung auf die nächste folgt und wie das Schicksal den Ausgang des Ganzen beeinflusst. 

Wink des Schicksals? 

Alles begann mit der Absage eines Guidings auf dem Kontinent, Ende August. Ich hatte gerade eine zweiwöchige Filmsession mit meinen Freunden im Vereinigten Königreich beendet und hatte nur vier Tage, um mich auf das Guiding vorzubereiten. Just am Tag vor der Abreise sagte der Kunde aufgrund gesundheitlicher Probleme innerhalb der Familie ab. Mit einem gepackten Van und einer bereits gebuchten Fahrt durch den Tunnel blieben nur zwei Möglichkeiten: Daheim zu bleiben, auszupacken, die Dateien zu sortieren und all das Material zu bearbeiten, das ich auf meinen Festplatten gespeichert hatte, oder mit Claire fischen zu fahren und sich um alles andere an einem anderen Tag zu sorgen. Natürlich entschieden wir uns für Letzteres. Der ursprüngliche Plan mit dem Kunden war es, am späten Nachmittag aufzubrechen und die Nacht durch zu fahren, um beim ersten Tageslicht in Südfrankreich zu sein. Nachdem dies nun aber unser Trip war, hatten wir keine Einschränkungen mehr und entschieden, dass wir neue Gewässer erkunden wollten die wir noch nie beangelt hatten. So begannen wir an einem riesigen Stausee im Osten Frankreichs. 

Neue Ufer – neue Horizonte

Um circa 21 Uhr kamen wir an und begannen damit, den Van auszuladen, um anschließend beim Beladen des Bootes Tetris bei Kopflampenbeleuchtung zu spielen. Da ich Claire, den Hund, mich und unsere gesamte Ausrüstung in ein 3-Meter-Boot packte, war es, bis wir endlich aufs Wasser kamen, stockfinstere Nacht. Wir suchten mithilfe einer leistungsstarken Lampe die Buchten, Binsen, Krautfelder und andere interessante Bereiche ab, um Karpfen zu finden. Nach fünfeinhalb Stunden – gerade so vor dem Sonnenaufgang - hatten wir jedoch nur kleinere Karpfen und hunderte von Welsen gesehen. Wir beschlossen, das Ende der Nacht – oder besser gesagt des Tages – einzuläuten, legten auf die Schnelle drei Ruten und hauten uns für ein paar Stunden aufs Ohr, bevor wir die zwei Kilometer zurück zum Van fuhren. Zurück auf der Straße sollte es uns circa drei Stunden kosten, bevor wir am zweiten Gewässer ankamen. Bei diesem handelte es sich um ein Trinkwasserreservoir, das auf Google Maps umwerfend aussieht, das aber aufgrund der geringen Niederschläge dieses Jahres sehr niedrig war, wodurch der See trocken, felsig und ziemlich desolat aussah. Trotz des unerwartet tristen Aussehens und ein paar Anglern gingen wir los, um den See näher zu inspizieren. Durch unsere stark eingeschränkten Möglichkeiten entschieden wir uns, nahe der Slipstelle unser Camp aufzubauen und auf verschiedenen Distanzen eine alte und brüchige Straße unter Wasser zu befischen.

Die Nacht war ruhig und um ehrlich zu sein war der Schlaf mehr als nötig nach der Nacht zuvor. Claire stellte den Teekessel auf und wir schauten zu, wie die Sonne aufging, während wir über unsere nächsten Schritte sinnierten. Mitten in unserer Unterhaltung wurden wir von einer Folge von Piepsern der am weitesten entfernten Rute unterbrochen. Als ich hin ging, um nachzusehen was los war, bemerkte ich einen Fallbiss. Ich nahm die Rute auf und nachdem ich den Schnurbogen eingekurbelt hatte, spürte ich einen Karpfen. Ein kurzer aber heftiger Drill im flachen Wasser begann und nach ein paar aggressiven, kurzen Fluchten war der Fisch im Netz. Es war kein Monster, aber ein hübscher, dunkler und langer Spiegelkarpfen und gleichsam ein fantastischer Start in den Tag. Nachdem wir ein paar Bilder geschossen hatten, beluden wir abermals den Van, setzten uns hinein und durchsuchten wieder einmal Google Maps, um uns ein neues Ziel zu suchen. Die Wahl fiel auf eine Gruppe von Stauseen, etwa zweieinhalb Stunden von unserem jetzigen Standort entfernt. Nachdem wir uns zusätzlich bei ein paar Freunden, die die Region besser kannten als wir, per Telefon schlau gemacht hatten, ob in den Seen überhaupt Karpfen schwimmen und diese uns dies bestätigten, fuhren wir wieder los – immer auf der Suche nach neuen Horizonten. 

Das öffentlichste aller öffentlichen Gewässer

Als wir am ersten See ankamen, mussten wir feststellen, dass es sich um ein öffentliches Gewässer handelte – so richtig öffentlich! Über zwei Kilometer lang, 600 Meter breit und von Seglern, Schwimmern, Kajakfahrern und sonstigen Wassersportlern regelrecht eingenommen. Direkt dahinter befand sich ein zweiter See, der sich enorm vom ersten unterschied. Er war doppelt so groß, ruhig, wild, verfügte über zahlreiche Seitenarme und Buchten, jedoch war der Wasserstand extrem niedrig. Wir ließen das Auto zurück, machten uns zu Fuß auf eine Erkundungstour um das erste Gewässer und wurden beide förmlich angezogen von einer ruhigen Ecke mit ausgedehnten Seerosenfeldern. Von der Staumauer des hinteren Stausees aus – auf die wir uns setzten – hatten wir eine wundervolle Übersicht über diesen Teil des vorderen Sees. Es dauerte dann auch nicht lange, ehe Claire einige Schatten zwischen den Seerosen erspähen konnte, was für uns Argument genug war, den Van zu holen und hier aufzubauen. Es konnte keine 25 Minuten her sein, bis wir wieder zurückkehrten, nur um dabei zuzuschauen, wie gerade ein Friedfischangler seine Sachen an genau unserem auserkorenen Platz aufbaute. Ich war erstmal bedient! Das Areal sah perfekt aus, wir hatten Karpfen entdecken können und es war ruhig … aber so läuft es eben manchmal mit dem Glück. 

Umdenken – neue Wege nutzen

Da wir sämtliche erreichbaren Uferpartien bereits abgesucht hatten, war für mich die Zeit gekommen, die Drohne aufzubauen und mir das gegenüberliegende Ufer näher anzuschauen. Ich weiß, dass viele Leute dem Einsatz von Drohnen in der Karpfenangelei skeptisch gegenüberstehen, ich selbst sehe hierin jedoch kein Problem. Klar ist es ein bisschen Overkill an einem See im Vereinigten Königreich, den man locker zu Fuß umrunden kann. Aber auf dem Kontinent sind die Gewässer riesig und ich will Dinge schnell einordnen können, da ich meist nur wenige Nächte an einem einzelnen davon verbringe. 

Nachdem ich ungefähr ein Drittel des gegenüberliegenden Ufers abgesucht hatte, war der erste Akku leer und ich hatte nur wenig gesehen, was mich weiterbrachte. Aber da noch zwei weitere Drittel übrig waren, gab ich die Hoffnung noch nicht auf und tatsächlich: Als ich nach einer von Binsen umsäumten Bucht um eine Ecke steuerte, sah ich sie! Ungefähr 50 Karpfen hielten sich um ein großes Krautfeld herum auf, alle in Gruppen an der Oberfläche herumdümpelnd. Wir hatten es geschafft, hatten sie gefunden. Und es bestand in unseren Köpfen kein Zweifel mehr daran, dass wir in dieser Nacht fangen würden. 

Wir errichteten unser Camp im Schatten eines großen Baumes, um so der sengenden Hitze zu entfliehen und montierten die Ruten, bereit, auf der Suche nach Spots in See zu stechen. Zu gerne hätte ich drei Ruten direkt zu dem Krautfeld hinüber geschleppt, wo wir die Fische ausgemacht hatten. Zu diesem Zeitpunkt herrschte jedoch ein derartiger Betrieb auf dem See, dass wir unmöglich die Ruten hätten ausbringen können, ohne mit einem Boot oder sonstigen Wasserfahrzeug in Konflikt zu geraten. Also entschlossen wir uns, zunächst drei Ruten am eigenen Ufer abzulegen. Ungefähr 130 Meter zu unserer Rechten befanden sich Ankerpunkte für Segelschiffe. Das Fischen direkt unter Booten hatte uns in der Vergangenheit immer wieder Erfolg gebracht, es war also nur logisch, dass wir die erste Falle genau hier stellen wollten. Entlang des Ufers war das Kraut dicht, glücklicherweise hörte es aber fünf Fuß vom ersten Boot entfernt auf. Ich ließ ein Blei an einem Flaschenmarker herab und klopfte noch schnell den Grund ab, der sich wunderbar hart anfühlte. Mit ein paar Handvoll Scopex Squid Boilies und meinem Rig schien dies der perfekte Spot zu sein. Die zweite Rute wollte ich hinter ein großes Krautfeld direkt vor uns in den dicken Schlamm legen. Diesmal jedoch mit Tuna & Garlic-Boilies, da ich der Überzeugung bin, dass deren intensives Aroma den dumpfen Schlammgeruch viel besser als der von Squid durchdringt.

Die letzte Uferrute würde ich in weniger als einem Meter Wassertiefe direkt an einige verwachsene Brombeersträucher legen. Dieses Prinzip einer „Glücksrute“ mögen wir beide sehr, da etwas, das sich ein bisschen vom restlichen Schema unterscheidet, oft einen richtig produktiven Spot hervorbringen kann.

Ready for action

Nachdem alle Uferruten sauber lagen, mussten wir bis acht Uhr abends warten, so dass die Wassersportaktivitäten nachließen und wir die weiten Spots beangeln konnten. Endlich am Krautfeld angekommen, stellte ich fest, dass dieses um einiges größer war als ursprünglich angenommen, denn nur ein Bruchteil war von der Oberfläche aus zu sehen. Realistisch und vor Ort betrachtet, begann es bereits 50 Meter weiter draußen im See als ich es mit der Drohne eingeschätzt hatte. Ich verbrachte eine Stunde damit, den Gewässerboden mit einem Blei abzuklopfen und fand schlussendlich ein Areal von zwei auf eineinhalb Meter, genau in der Mitte des Felds. Mein Klopfblei war bedeckt mit schwarzem, klebrigem Schlamm, der faul roch, aber dieser Spot war inmitten der heißen Zone. Ich wollte diese Zone intensiv füttern, also flogen drei Kilo Boilies plus Flakes, die ich zuvor in Liquid eingelegt hatte, über die Bordwand, gefolgt von meinem Blowback-Snowman-Rig. 

Die anderen beiden Distanzruten wollte ich an die Ränder des Krautfelds legen, wo der Grund erstaunlich hart war. Ich legte sie also so dicht wie möglich ans Kraut und fütterte anschließend ungefähr ein Kilo Squid Boilies und einige Handvoll Flakes darüber, bevor ich die Ruten die über 500 Meter zum Ufer zurückschleppte. Hierbei benutzte ich das GPS meines Lowrance-Echolots, um sicherzustellen, dass die Schnur so gerade wie möglich verläuft. Dies ist beim Distanzfischen von äußerster Wichtigkeit. Claire machte sich an die Zubereitung unseres mehr als verdienten Abendessens und während wir uns in den Stühlen zurücklehnten, um beim Essen erneut der Sonne beim Untergehen zuzuschauen, waren wir zuversichtlich, dass unser heutiger Schlaf von einem Karpfen unterbrochen werden würde. 

Kurz nach 23.30 Uhr kam dann tatsächlich die erste Unterbrechung, ein wilder Lauf auf der mittleren Distanzrute. Claire nahm die Rute auf und stellte die Bremse fest, aber der Fisch nahm weiterhin Schnur. Die Dinge sollten nicht gut verlaufen, denn schon bald hatte sich der Karpfen tief ins Kraut gearbeitet. Also sprangen wir ins Boot, um ihn zu befreien. Claire hielt konstant den Druck aufrecht, während mir die Aufgabe zu Teil wurde, immer wieder das Kraut aus der Schnur zu zupfen. Dies nahm einige Zeit in Anspruch, aber irgendwann ploppte der Fisch dann hoch und der Drill konnte weitergehen. Weitere zehn Minuten eines intensiven Drills auf dem Boot vergingen, ehe ein dunkler, tiefbrauner Spiegler von über 40 Pfund ins Netz glitt. Was ein herausragender erster Karpfen aus dem öffentlichsten aller öffentlichen Gewässer. 

Wir hakten den Fisch noch im Kescher ab, brachten ein neues Rig und Blei an, senkten die Montage wieder ab und schleppten den Fisch mitsamt der neu gelegten Rute in Richtung unseres Swims. Die Ruhe hielt jedoch nur kurz an, denn nach nicht mehr als zwanzig Minuten lief eine der Distanzruten am Rande des Krautfelds ab. Diesmal war es meine Rute und ich drillte den Fisch aus der Entfernung zu mir heran. Ein goldfarbener niedriger 30-Pfünder durchbrach die Oberfläche nahe vor unserem Ufer und in diesem Moment beschloss er, aufzuwachen. Da all unsere Schnüre in diesem Areal verliefen, dauerte es nicht lange, ehe der Fisch die Rute vor dem Gebüsch eingesammelt hatte. Die nächsten Minuten verliefen sehr chaotisch und ich kann wirklich behaupten, dass es eine wahre Erleichterung war, als ich den Karpfen endlich am Boden meines Keschers dümpeln sah.

Als ich im Boot saß, um die Rute wieder auszubringen, sah ich noch, wie Claire einen Biss hatte und bei meiner Rückkehr hatte sie bereits einen herrlichen, Mitte 20 Pfund schweren Schupper im Kescher. Wir hakten ihn schnell ab und ließen ihn schwimmen, denn nur die Sahnestückchen sollten am Morgen vor die Kamera kommen. Die Nacht sollte insgesamt noch sehr kurzweilig werden: Wir hatten acht Runs auf den Distanzstellen und landeten sechs davon. Ich muss wohl nicht extra erwähnen, dass wir bei Anbruch des Tages total k.o. waren...

Doch damit endet die Geschichte nicht, sie fängt erst an! Weiter geht es in einer Woche mit dem nächsten Teil der Erzählung des Carplifer-Pärchens Samir und Claire Arebi.

 

 

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