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Reif für die Insel / 13.10.2020

REIF FÜR DIE INSEL - furioses Finale

Nur wenige Minuten nachdem ich französisches Land betrat, raste ich bereits mit Höchstgeschwindigkeit durch die Nacht. Hinter mir lag wochenlanges Erkunden einer für mich unbekannten Insel, jetzt zog es mich in vertrautere Gefilde. 500 Kilometer sollte ich in dieser Nacht fast ohne Unterbrechung durchfahren. Erst am frühen Morgen gönnte ich mir etwas Schlaf, um wenig später die restlichen zwei Stunden zu meinem Ziel zu fahren. Wie bereits angekündigt, voller Vorfreude erwartete mich mein Freund Guido Richard.

Guido und ich lernten uns tatsächlich schon vor einigen Jahren über das Angeln kennen. Ab unserer ersten Session wurden wir dickste Kumpel und verstanden uns auf Anhieb blendend. Nun standen uns volle zehn Tage bevor. Bereits im Voraus hatten wir das Finale meiner Reise grob geplant und beschlossen, mehrere Gewässer zu befischen. Darunter ein kleines, wildes Flüsschen und ein hoch in den Bergen gelegener Stausee.

Nach einer freudigen Begrüßung verschwendeten wir keine Sekunde und brachen auf. Tatsächlich hatte ich in England den Überblick über meine Finanzen verloren. Bei der ersten Bank verschaffte ich mir deshalb Gewissheit und war umso erstaunter, als sich mein Konto als reichlich gedeckt erwies. Was folgte ist nicht schwer zu erraten. Zusammen plünderten wir die gesamte Feinkostabteilung des lokalen Supermarktes und kauften ein üppiges Festmahl für ein kleines Vermögen ein. Dieses Ritual verfestigte sich übrigens, wodurch unsere gemeinsamen Session durchaus als kostspielig zu bezeichnen sind. 

Nicht minder üppig waren unsere Futtergaben, welche wir in den nächsten Tagen in das Flüsschen streuten. Der brütend heiße Sommer ließ den Stoffwechsel der Rüssler ordentlich hochfahren und bescherte uns durchweg bissige Nächte. Auch im Sinne der gnadenlosen Stechmücken. Tatsächlich war ich froh, die restlichen Boilies loszuwerden, denn in England verbrauchte ich nur ein Bruchteil der Reiseration. Gut 30 Kilo Futter schleppte ich im Endeffekt ohne Bedarf quer über die Insel.

Auch gefiel mir die komplett andere Vorgehensweise. In England fischte ich tatsächlich fast nur sehr kleine Köder und Futtermengen. Jetzt kamen mir unsere Hakenköder so groß wie Äpfel vor, das Blei schien so schwer wir ein Ziegelstein und gefühlt fütterten wir pro Rute eine LKW-Ladung Boilies. Naja, so ungefähr…

So gestalteten sich die folgenden Tage in anglerischer sowie kulinarischer Hinsicht als sehr erfolgreich. Erst als es uns nach Abwechslung dürstete, beschlossen wir, den Weg an den hoch gelegenen Stausee auf uns zu nehmen. Wie eigentlich immer, wenn wir zusammen aufbrechen, beflügelte uns unsere Euphorie auch dieses mal derart, dass Guido die kurvige Bergstraße wie ein Rennfahrer nahm. Immer wieder fiel uns ein komischer Geruch auf, doch als wir endlich ankamen war es nicht zu übersehen: Die Bremsen der alten Lastenkutsche dampften glühend heiß - und wie!

Das malerische blaue Wasser lag eingerahmt von bewaldeten Hängen in einem Kessel der Berge. Die Strahlen der tief stehenden Sonne tauchten alles in gelbes Licht als wir aufbauten. Weit und breit gab es keine menschliche Siedlung, geschweige denn eine Stadt. War die Sonne untergegangen, erstrahlten die Sterne in ihrer vollen Schönheit. In diesen Nächten sah ich die Milchstraße so klar wie nie zuvor. 

Natürlich kochten wir jeden Tag nur das Feinste und wurden darüber hinaus von einem Kiosk mit kaltem Bier versorgt. Lediglich eine Unmenge Kajaks, besetzt mit pubertierenden Schulkindern, trieb uns einen Nachmittag zur Weißglut. Erst als ich völlig außer mir ans Ufer stürmte und aus voller Wut „Nique ta Mère“ über den See schrie, lichtete sich das Spektakel erstaunlich schnell. Daraus ergab sich ein bis heute anhaltender Insider.

Wie jede schöne Phase dieser Reise, verging auch der Abschnitt mit Guido in den Bergen wie im Fluge. Die Nächte bescherten uns einige tolle Karpfen und wenig Schlaf. Besonders ein wilder Zeiler von Guido stellte ein Highlight dar. Zudem fing ich meinen ersten Barsch mit der Fliegenrute und fühlte mich dabei wieder wie als Fünfjähriger beim Wildern am Bach.

Die Idylle dieses Gewässers ließ mich wunderbar die letzten Monate resümieren. War ich zuvor nur auf Achse, konnte ich hier endlich so richtig ausspannen und die Reise gut für mich beenden. Doch in Karlsruhe verfiel ich schnell wieder in die Routine des Alltags. Erst mit meinem Vortrag in Wallau und mit dem Schreiben dieser Kolumne erlebte ich die Zeit erneut und erinnerte mich an so viele Details, welche ich zuvor schnell vergaß. Deshalb kann ich jedem nur empfehlen, sich mit dem Ankommen genügend Zeit zu lassen. 

Ich hoffe ich konnte euch über die vergangenen acht Folgen „Reif für die Insel“ einen ausführlichen Einblick in diese so prägende Zeit geben und einige von euch dazu ermutigen, auch solch ein Unterfangen zu wagen… Ich kann versprechen, es wird nicht das letzte Mal sein, dass ich für lange Zeit auf Tour gehen werde. Und natürlich auch nicht das letzte Mal, dass es von mir etwas zu lesen gibt.

Bis dahin,

Euer Jakob Mehltretter

 

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