Sanft streicht kühler Abendwind durch friedlich daliegende Felder. Schritt für Schritt, nicht zu schnell und sehr aufmerksam, nähere ich dem malerischen Bach. Klares Wasser fließt schnell dahin, tiefgrüne Krautfahnen wehen in der Strömung und unzählige kleine Döbel tummeln sich in flachen Stromschnellen. Es scheint, als wäre ich in einem kleinen Paradies angelangt.
Durch die Polbrille erkenne ich Barben unter einem Busch, welche sich aneinanderdrängen und immer wieder einige Happen des gefütterten Dosenfleischs aufschnappen. Vorsichtig pendele ich meinen Hakenköder vor die Hecke und verfolge wie er langsam unter den Ästen verschwindet.
Sekunden vergehen…
Einen plötzlichen Zug in der Schnur quittiere ich mit einem Anschlag und finde mich mit einer wütenden Barbe im Drill.
An diesem Tag ging ein lang gehegter Traum in Erfüllung. Seit klein auf beeindruckte mich die Angelei der Engländer auf Barben und andere „Specimen“. Filme wie „A Passion for Angling“ oder „Catching the Impossible“ hinterließen einen tiefen Eindruck in mir und prägten meinen Bezug zum Angeln. Liebe und Verbindung zur Natur, Respekt vor dem Fisch als Lebewesen, das es zu überlisten gilt - und der Fang als spannende Aufgabe. So stelle ich es mir vor. Umso beeindruckter war ich, endlich selber an genau so einem Gewässer zu stehen.
Oli Davis, bei dem ich einige Tage in London unterkam, nahm mich mit an diesen Bach. Ich erzählte ihm, wie sehr ich von Barben aus kleinen Bächen träumte. Mit einem Schmunzeln auf seinen Lippen machten wir uns prompt auf den Weg. Eine Vielzahl von Bachstücken liefen wir entlang, genossen das Ambiente und fingen eine gute Anzahl an dicken Barben. Meistens lief es auf Dosenfleisch an der freien Leine hinaus, doch einige Bisse verbuchten wir auch auf kleine Boilies an Laufbleimontagen.
Nachhaltig beeindruckte mich die Tatsache, wie unglaublich effektiv man viele Fische an einen Platz ziehen kann, wenn man über längere Zeit immer wieder Futter einbringt. Fast sekündlich warfen wir kleine Händchen Pellets in die Strömung und beobachteten, wie immer mehr Fische heraufzogen. Innerhalb weniger Minuten verwandelten wir kleine Gumpen in ein Gewusel von kleinen und großen Döbeln und natürlich auch Barben. Den Bissen folgten rasante Drills der kampfstarken Fische. Es war einfach unglaublich spannend und spaßerfüllt! Vielen Dank für deine Gastfreundschaft Oli, diesen Tag werde ich nicht vergessen.
Tatsächlich nahm ich mir am Anfang der Reise vor, eine englische Barbe mit 10 Pfund zu fangen. Diese Größenordnung war an diesem Tag leider nicht dabei, doch wollte ich mein Glück an einem kleinen Kanal versuchen. In dieser Nacht fing ich zuerst den runden und beschuppten Spiegler aus der letzten Kolumne. Einige Zeit danach folgten ihm zwei Barben wovon die letztere tatsächlich die Marke knackte. Mein kleiner Traum verwirklichte sich und ließ mich mein letztes Vorhaben in England abhaken. Ich war überglücklich mit diesem tatsächlich letzten Fisch, den ich auf der Insel fing.
Zeitgleich verspürte ich, dass sich meine Zeit in England dem Ende zuneigte. Ich war wieder im Süden angekommen. Nach der Verabschiedung von Oli fuhr ich an die steilen Klippen rund um Dover und verbrachte zwei letzte Tage am Meer. Viele Wochen war ich nun in diesem Land gewesen. Mittlerweile sprach und dachte ich auf Englisch, entdeckte, dass mir Linksverkehr besser gefällt und fühlte mich schlichtweg pudelwohl. Über die Zeit lernte ich die verschiedensten Seiten der Insel kennen. Den rauen und ärmeren Norden, die großen und schnellen Metropolen, Menschen der verschiedensten Herkunft und hatte schöne wie auch unschöne Begegnungen.
Ja, es fiel mir zugegebenermaßen schwer, mich zu verabschieden. Dennoch buchte ich mir die Fähre und verließ im Sonnenuntergang Großbritannien. Lange stand ich oben auf Deck und genoss den Ausblick, bis auch die letzten der weißen Klippen verschwunden waren.
Trotzdem war es ein rasanter Abschied, denn noch in der gleichen Nacht fuhr ich hunderte Kilometer nach Frankreich, wo es eine Person gab, ohne die solch ein Trip nicht vonstattengehen darf. Es geht natürlich um meinen eingeschworenen Kumpel Guido Richard.
Zehn lange Tage hatten wir uns genommen, um gemeinsam eine Vielzahl von Gewässern zu beangeln. Es sollte der krönende Abschluss für eine unglaublich prägende und wegweisende Zeit meines Lebens werden. Euch, liebe Leser, kann ich also ohne Scheu versprechen: Der letzte Teil dieses Formats wird es noch einmal gewaltig in sich haben. Und was danach kommt? - Who knows…
Bleibt gespannt.