Im neuen Picknicker Blog geht es zurück in den Jahrhundertsommer. Achim Schlüßel geht anhand aufschlussreicher Beispiele auf die extreme Bedeutung der Sprungschicht ein. Um den Durchblick zu bezhalten und den Fischen trotzdem dicht auf den Fersen zu bleiben, taucht er ab und geht der Sache auf den Grund. Lassen wir ihn selbst erzählen:
Kaum aus dem Urlaub zurückgekehrt, ging es wieder ans Wasser. Ich hatte noch ein paar Tage frei und wollte das fantastische Sommerwetter nutzen, um gemeinsam mit meiner Frau und den Kindern ans Wasser zu fahren. Der Zielfisch-Pool ist aufgrund der äußeren Begebenheiten hierfür nur bedingt geeignet. Ein ruhiges Plätzchen zu finden wäre nicht möglich gewesen und auch die Anreise war bei weitem nicht so bequem. Daher war für uns klar, dass wir an unseren Home-Pool fahren würden.
Dieser liegt nur 30 Meter von unserer alten Wohnung entfernt und ist so etwas wie ein zweites Wohnzimmer für uns gewesen, mit dem wir sehr viele schöne Erinnerungen verbinden. Hier konnten wir perfekt die restlichen Tage unseres gemeinsamen Familienurlaubes verbringen, auf Dickfisch angeln und nebenbei auch in aller Ruhe und Glückseligkeit die Seele baumeln lassen. Seit Wochen war eine richtige Hitzewelle über Deutschland mit Temperaturen jenseits der 30° Celsius und erwärmte das Wasser an der Oberfläche auf mittlerweile 27°Celsius! Wo sonst, wenn nicht am oder im Wasser sollte man diese Zeit verbringen?
Sub Surface
Wenn im Sommer bereits über einen längeren Zeitraum solche Temperaturen herrschen, fängt für mich die effizienteste Art der Fischerei an - ich gehe schnorcheln! In dieser Jahreszeit könnte man sich auch ohne Shorty längere Zeit im Wasser aufhalten, ohne auszukühlen. Dennoch benutze ich diesen gerne als „Sicherheitsanzug“, weil sein natürlicher Auftrieb mich immer nach oben treibt bzw. ohne Weiteres Zutun ich mit Maske und Schnorchel an der Oberfläche treiben kann, ohne unter zu gehen. In leicht kritischen Situationen, wie zum Beispiel bei einem Wadenkrampf, wird dieser Vorteil schnell klar. Und ich liebe es, mich im Wasser aufzuhalten!
Es bietet die Möglichkeit mit der Maske aktiv die Fische zu suchen und die Ruten an ausgewählte Spots zu tauchen. Ich liebe diese Art der Fischerei, ist sie doch die mit Abstand effizienteste und vor allem extrem lehrreich! Ich bin immer wieder fasziniert, welche Erkenntnisse daraus gewonnen werden können, wenn man die Zeichen richtig deuten kann. Zum Beispiel wie auffällig Leadcore im Verhältnis zu einer monofilen Schlagschur oder einem Poly-Leader ist! Oder der weiße Boilie, der (bei klarem Wasser) schon aus einer Entfernung von locker 10 Metern gesehen werden kann und sich visuell stark vom Grund abhebt, weil der Kontrast im Gegensatz zu braunen oder roten Boilies viel größer ist. Und zwar unabhängig davon, ob ich auf Sand, Lehm, einem leichten Bodenkraut oder lockerem Sediment fische.
Es gibt doch nix geileres, als mit der Montage und meiner „Futtertüte“ runter zu tauchen und die Montage exakt auf den 5x5cm abzulegen, wo ich sie haben möchte. Das Blei wird entweder im Kraut versteckt oder eingegraben. Ein wenig Sediment über das Vorfach, den nachgeschärften Haken vorsichtig in die perfekte Stellung aufgestellt und ebenfalls mit Sediment getarnt. Nur noch schnell den in der Badehose mitgeschleppten Stein 3 Meter vor der Montage auf die Hauptschnur gelegt und die Tarnung ist PERFEKT. Nach wie vor bekomme ich Gänsehaut wenn ich in dieser Perfektion die Montagen präsentieren kann. Sogar beim Schreiben dieser Zeilen überkommt es mich und die Nackenhaare stellen sich auf…
Die immense Bedeutung der Sprungschicht
Ich war mittlerweile gut im Training und konnte relativ locker auf ca. 5,5 Meter Wassertiefe runtertauchen. Ungefähr auf dieser Tiefe hatte ich einen guten Spot lokalisiert, einige Büschel Tausendblatt in näherer Umgebung und leicht sandiger Boden inmitten größerer Krautfelder. Ich bin mir sicher, dass solche Bereiche gerne von den Fischen angeschwommen werden, weil sich reichlich Sauerstoff produzierende Pflanzen in unmittelbarer Nähe befinden und nachts, wenn die Photosynthese keinen Sauerstoff mehr produziert, die Fische das Kraut verlassen können, um im Freiwasser rumzudümpeln. Also schwamm ich schnell ans Ufer zurück, um die Montage und ein Kilo Futter in Form von Boilies, Hanf und Tigernüssen zu holen. Ein kräftiger Atemzug und schon ging es hinab in die faszinierende Unterwasserwelt. Kurz bevor ich den Grund erreiche, ich wollte gerade mein Blei in den Sand drücken, wurden meine Finger richtig kalt. Ohne es gemessen zu haben, behaupte ich, dass Temperatur-Differenz zwischen dem Oberflächenwasser mit 27°C und dem oberen (!) Rand der Sprungschicht geschätzt mal ganz locker 8°C betragen hat. Wenn nicht sogar mehr!
Ganz charakteristisch ist auch hier die Schlierenbildung an der Temperaturgrenze, die mit bloßem Auge zu erkennen ist und auf die Vermischung zweier Flüssigkeiten mit unterschiedlicher Dichte beruht (kaltes Wasser ist bekanntlich schwerer). Mein angetauchter Spot lag genau eine Handbreit innerhalb der Sprungschicht! Ich hatte den Beginn der Sprungschicht sehr deutlich auf dem Echolot bei ca. 6 Meter gesehen, das untere Ende bei ca. 9,5 Meter! Hmmm, was nun? Egal, Versuch macht klug und ich lege die Rute wie geplant ab. Gefangen habe ich auf diese Rute in den folgenden 24 Stunden (natürlich) nix. Am nächsten Tag machte ich jedoch eine äußerst interessante Beobachtung, die ich hier mit Euch teilen möchte.
Als ich nämlich in der Mittagszeit zum Spot schwimme, um mir ein aktuelles Bild der Unterwassersituation zu verschaffen, sehe ich, dass das gesamte Futter, welches im kalten Wasser gelegen hat, nach wie vor am Gewässergrund lag. Weil sich der Spot aber in einer leichten Hanglage befand, lag auch ein gewisser Teil meines gefütterten Bereiches oberhalb der Sprungschicht in der deutlich wärmeren Wasserschicht. Fakt ist: Entweder Karpfen (oder Wasservögel?) haben bis auf den letzten Boilie alles weggeputzt, was sich oberhalb der Sprungschicht im wärmeren Wasser gelegen war. Poah! Was für eine krasse Bestätigung, dass die Sprungschicht ja nach Beschaffenheit offenbar einen ganz wesentlichen Einfluss haben kann.
Und was lernen wir daraus?
Hier würde ich die Faustformel anwenden: Je größer der Temperaturunterschied zwischen Oberflächentemperatur und Sprungschicht ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Karpfen (oder Vögel?) in diese kalte Schicht zur Futtersuche schwimmen. Bei diesen extremen Temperaturunterschieden werden die wechselwarmen Tiere vermutlich enorm belastet und ich vermute, dass sie dieses ab einer gewissen Temperaturdifferenz ganz bewusst nicht mehr machen. Offenbar verlassen die Tiere ihre Komfortzone nicht mehr, obwohl dort einfach zu erreichende Futterquellen vorhanden sind. Diese Beobachtung habe ich niemals zuvor so deutlich machen können und erstmalig im Jahr 2018 festgestellt. Doch was war anders im vergangenen Jahr als in den Jahren zuvor? Gab es einen Unterschied und worin lag die mögliche Ursache für dieses Verhalten?
Das Geschehene ließ mich nicht los und am Abend des selben Tages Zeit dämmerte es mir: Ich lag wie so häufig in meiner Hängematte, chillte ein wenig im Schatten der langsam untergehenden Sonne und ließ den Tag nach einigen Stunden im Wasser gemütlich ausklingen, als es mir wie Schuppen aus den Haaren fiel – 2018 war das Jahr ohne Frühling! Nach dem langen und kalten Winter explodierten die Temperaturen ab Mai schlagartig und es war Hochsommer. Die Oberflächentemperatur des Wassers stieg rapide an und erreichte an der Oberfläche bereits sehr früh im Jahr angenehme Temperaturen zum Schwimmen. Doch eines fehlte permanent – Regen und Wind! Beides führt letztendlich zur Durchmischung der oberen und unteren Wasserschichten und somit zur Angleichung der jeweiligen Wassertemperaturen. 2018 war der Temperaturunterschied durch die fehlenden äußeren Einflüsse jedoch signifikant hoch und niemals zuvor habe ich es derart stark wahrgenommen. Offenbar haben Karpfen bis zu einem gewissen Grad kein Problem damit, abrupt in kältere Wasserschichten (= Sprungschicht) zu schwimmen – doch in diesem Beispiel habe ich es mit meinen eigenen Fingern gespürt, wie extrem dieser Temperarturunterschied gewesen ist.
Wolken am Horizont
Untermauert wurde diese Theorie nur 3 Tage später! Nach einer endlos langen Hitzeperiode kam das erste Mal nach vielen Wochen eine kurze Phase inkl. Tiefdruck, ordentlichem Wind (oder sollte ich Gewittersturm sagen?!) und daraus resultierend eine Verschiebung der Sprungschicht um mindestens 1,5 Meter in den tieferen Bereich! Mein Echolot hat mir nach der Durchmischung den Beginn der Sprungschicht auf ca. 8 Meter angezeigt und das untere Ende bei ca. 11 Meter dargestellt. Wieder war ich im Wasser und habe den zuvor beschriebenen Bereich mit Futter versorgt. Bereits beim ersten Eintauchen in die Fluten des Sees habe ich die Abkühlung an der Oberfläche wahrgenommen. Und spätestens beim Runtertauchen des Futters wurde mir klar, dass es eine Verschiebung bzw. Durchmischung des Wassers gegeben haben muss.
Das Echolot bestätigte mir meine Wahrnehmung wenig später mit nur noch knappen 23°C Oberflächentemperatur. Ich konnte weder Schlieren entdecken noch habe ich diese deutliche Temperaturdifferenz wahrgenommen, wie noch 3 Tage zuvor! Erst nachdem ich mich beim Schnorcheln auf die für mich maximal zu erreichende Tiefe von ca. 8 - 9 Metern begeben habe, konnte ich den deutlichen Temperaturunterschied wieder an meinen Fingern spüren. Und ihr werdet es bereits ahnen – von diesem Tag an wurde in der Folgezeit alles an eingebrachtem Futter bis zu einer Tiefe von ca. 8 Metern gefressen. Diese eine Wettersituation hatte schlagartig zu einer Verlagerung der Sprungschicht geführt und innerhalb weniger Tage, vielleicht sogar Stunden, die Sprungschicht um 2 Meter nach unten verschoben.
…es bleibt trotzdem schwierig…
Neben dieser wichtigen Erkenntnis muss ich aber der Vollständigkeit halber erwähnen, dass mein Jahr, abgesehen von den wenigen positiven Lichtblicken, so bescheiden weiter ging, wie es angefangen hatte. Ich konnte zwar das erste Mal eine kleine Serie fangen, hatte aber entweder kranke Fische am Band oder einen Fotografen zur Hand, der nicht wusste, wie die Schärfe an meiner Nikon einzustellen war…
Wäre ja auch zu schön gewesen!
Euer Picknicker
Der 7. Picknicker Blog - erzählt von Achim Schlüßel: