Wenn du mein letztes Tagebuch gelesen hast, wirst du dich vielleicht daran erinnern, dass ich ein paar Tage früher als geplant vom Orient verschwand – ich wurde förmlich weggeblasen... Doch die nächste Mission stand bereits an. Ein 1.000 Hektar großer Parksee-Komplex bei einer französischen Großstadt, verrufen, gefährlich, nicht einfach. Doch ich hatte Dan an meiner Seite...
Eine neue Mission
Die freie Zeit lungerte ich am Gigantica herum und sortierte meine Ausrüstung für einen bevorstehenden Dreh mit Danny und der Korda-Crew. Unser Ziel: ein fast 1.000 Hektar großer Parksee, der in der Vergangenheit einige außerordentlich große Karpfen produzierte. Unsere Informationen waren bestenfalls begrenzt, aber Dan war zuversichtlich, dass wir es schaffen würden. In Vorbereitung auf diese Sitzung wurden die zuständigen Behörden kontaktiert, um zu arrangieren, dass wir tatsächlich im Park filmen dürfen. Was mit der Frage begrüßt wurde, wie viel bereit wären, dafür zu zahlen... Es kam ein Deal zustande, mit dem Vorteil, dass wir mit dem Auto in den Park durften. Das alleine waren die Kosten wert. Dieses spezielle Gebiet Frankreichs ist bekanntlich gefährlich, die Fahrzeuge wären extrem anfällig für Diebstahl und Vandalismus gewesen, wenn wir sie auf den öffentlichen Parkplätzen abgestellt hätten. Abgesehen von diesem kleinen Vorteil hatten wir aber alle anderen Regeln zu befolgen. Das bedeutete: Tagangeln! Wir mieteten eine Hütte (franz.: Gites), die 15 bis 20 Minuten vom Parkeingang entfernt lag.
Big Ian
Ich startete vom Gigantica aus, die Jungs kamen aus UK und doch schaffte es Dan tatsächlich, mich auf der Autobahn zu überholen. Um 17 Uhr trafen wir uns am See. Und hier sollte ich zum ersten Mal unsere Security (kein Scherz) kennenlernen: BIG Ian! Er rollte ganz anders als erwartet in einem blauen Citroen Berlingo auf. Ich muss zugeben, ich rechnete mit etwas Männlicherm, zumindest mit verdunkelten Fenstern... Als ich dann aber zusah, wie er sich aus dem Fahrzeug zwängte, stellte sich Vertrauen in seine Fähigkeiten ein. Ich bin 1,93 Meter groß und wiege etwa 100 Kilo, gegen Ian bin ich mickrig! Der Mann ist ein verdammter menschlicher Berg! Größer als ich und so breit wie ein Kleiderschrank. Zittrig reichte ich ihm die Hand: „Schön, dich kennenzulernen, Ian, guter Handschlag, aber du hast keine Waffen“, sagte ich. Er lächelte nur: „Warte ab und schaue selbst“.
Das verlockende Reservat
Am Abend blieb uns noch genug Zeit für eine Erkundungstour mit den Schlauchbooten. Und erst auf dem Wasser bekamen wir so wirklich mit, womit wir es hier zu tun hatten: Eine sehr große Kiesgrube, wahrscheinlich der größte See dieser Art, den ich je gesehen habe. Der Kies selbst ist viel größer als das, was ich in Großbritannien gewohnt bin, aus eiergroßen Steinen, wie es in dieser Region Frankreichs üblich ist. Das Wasser war klar, der Pegel niedriger als die maximale Kapazität. In der Ferne lagen mehrere Inseln, von denen die nächstgelegene riesig war, gelegen in gut 400 bis 500 Metern Distanz. Dahinter lag ein Naturschutzgebiet, das auf der Karte rot markiert war. Zwischen dem wechselnden Lichteinfall, der es durch die Wolken schaffte, konnten wir weite Krautgebiete und flache, saubere Stellen sehen. Ich fuhr in Richtung Schongebiet, da es die Ausgänge aus diesem Bereich waren, die mein Interesse geweckt hatten. Ich wusste nur zu gut, dass sich in solchen Gebieten oft Karpfen aufhielten. Auf der Route passierte ich viele perfekte Schotterplätze, die ideal aussahen, um Rigs zu präsentieren, aber die Frage war, ob es in der Nähe Karpfen gab. Das Reservat selbst war nicht übermäßig groß, aber schon allein durch den Blick von oben mit Google Earth wusste ich, es schrie hier nach Karpfen. Es lag hinter zahlreichen Inseln und es waren die Lücken zwischen diesen Inseln, die Ein- und Ausgänge bildeten. Der erste dieser Eingänge war mit Kraut gefüllt, das aussah, als wäre es untertunnelt. Direkt vor diesem großen Bett befand sich ein riesiger heller, sauberer Fleck, und das ließ sofort mein Herz schneller schlagen. Bei genauerem Hinsehen lag dort ein Rohr über dieser Stelle, das zu 100% von den Fischen genutzt wurde, um sich daran zu reiben. Ich nenne das Flankenpunkt.
Irgendwann musst du angeln
Schicke Stellen fanden wir genügend, sahen aber keine Karpfen. Nach einem kurzen Bad luden wir die Sachen in der einbrechenden Dunkelheit in die Vans, es kühlte merklich ab. Diese Aufgabe fühlte sich auf einmal sehr real an. Die Wettervorhersage für den nächsten Tag versprach starke Südwinde und wir beschlossen, dass wir bei Tageslicht ankommen und im Wind nach springenden Fischen suchen würden. Damit und mit anderen Location-Aktionen verbrachten wir den ganzen Tag und sahen...nichts. Natürlich konnten wir so nicht weitermachen, nicht mit der Filmcrew im Nacken. Also beschlossen wir, am Abend vorzufüttern und am nächsten Morgen die Ruten auf Futter zu legen. Der große freie Bereich am Eingang zum Reservat war mein bevorzugter Bereich und ich befütteret diesen mit einem großen Eimer Tigers und Mais. Auf dem Weg zum Ufer im Boot passierte ich ein Gebiet mit Schilf im offenen Wasser und erschreckte etwas, als ich vorbeikam, das extrem karpfenartig aussah. Der Südwind hatte den ganzen Tag in dieses Schilf gedrückt und ich beschloss, hier auch etwas Futter zu verteilen. Zurück in der Hütte im Bett ging mir diese Begegnung nicht aus dem Kopf, es war ein Karpfen, ich wusste es einfach! Am Morgen in der Dämmerung trug ich das Tackle zum Ufer, richtete mein Camp ein und pumpte das Boot aus. Sobald das Licht ausreichte, setzte ich die Segel in Richtung des nur etwa 100 Meter entfernten Schilfes. Der Kiesboden, auf dem ich gefüttert hatte, sah völlig sauber aus, jede einzelne Tigernuss war weg. Perfekt! Als ich alle 3 Ruten in Position hatte, waren meine Karpfensinne in Hyperüberlastung.
Das wird schwierig...
Was ich bei dem Bereich am Eingang des Reservats nicht erwartet hatte, waren die Hechtangler. Die Rute dorthin lag etwa 400 Meter weit kreuz und quer über die Krautfelder. Am frühen Nachmittag hob ein Belly Boat-Angler diese Schnur an und bewegte das Rig definitiv. Ich beschloss, es erst später neu zu legen, um zu vermeiden, dass es wieder passierte. Als sich der Abend näherte, bekam mein Selbstvertrauen einen weiteren Schlag. Ich hatte eine Flut von Bissen auf der Schilfrute von einer Herde Weißfische. Es waren Hybriden aus Brassen und Rotaugen oder sowas, groß und gierig. Da war mir auch klar, dass es diese waren, die meine Stellen poliert hatten. Nach jedem dieser lästigen Fische positionierte ich das Rig neu und in der Dämmerung sah ich dabei einen Spiegler von etwa 40 Pfund. Ich erschreckte ihn, aber mit dieser Sichtung hatte ich das Gefühl, dass es bis zu einem ersten Take nicht mehr lange dauern sollte – doch uns rannte die Zeit davon. Als ich bereits Sachen zurück zum Van brachte, kam der Biss! Kein großer Fisch bei etwa 27 Pfund, aber der erste hier und der erste für dieses Shooting. Wir hatten gerade den Release gefilmt, als auch die Rute zum Reservat sich meldete! Zu diesem Zeitpunkt befanden wir uns hart an der Grenze der erlaubten Angelstunden und es war eine große Erleichterung, als sich herausstellte, dass es sich um einen sehr kleinen Karpfen handelte...
Das Zeichen
Trotz großer Zuversicht, der folgende Tag verlief ohne Fisch. Der Wind hatte gedreht und sollte sich für den Rest der Session so halten. Danny folgte ihm und das war ein guter Zug! Auch meine Spots verloren ihren Reiz. Ich nahm den Wind und die Horde Weißfische als Ausreden, um mir eine neue Ecke zu suchen. Und tatsächlich sah ich gegen Mittag in der Ferne zwischen den Wellen einen Kopf auftauchen – Karpfen! Ohne Ruten im Wasser fiel es mir leicht, mich voll auf diesen Bereich zu konzentrieren. Ich hielt ihn fest im Blick, während ich am Ufer entlang in die Richtung ging. Auf halbem Weg sah ich einen weiteren Fisch springe und das war alles, was ich brauchte, um die nächstgelegene Uferposition zu bestimmen, um diese Gelegenheit anzugehen! Einmal dort wartete ich auf einen weiteren Fisch, der sich zeigte, um die Richtung und Distanz besser einzuschätzen. Und der kam keine 2 Minuten später: Er sprang in einer Linie mit der Ecke einer Insel in etwa 110 Metern Entfernung. Bingo, es war jetzt an der Zeit, mein Gerät zu holen.
Autopilot
Ich befinde mich in diesen Situationen in einem Autopiloten, der darauf programmiert ist, dass das Platzieren eines Rigs so nah wie möglich am Fisch das Wichtigste auf der Welt ist. Die Filmcrew nervt dann nur, da sie ständig meinen Fluss stoppen muss, um Aufnahmen zu machen, die sie eben braucht. Ich nenne das Karpfenangeln mit der angezogenen Handbremse. Es dauerte also, bis ich meine beiden Helis mit hoch gezogenen Perlen und hellen Pop-Ups etwa zwei Rutenlängen auseinander dort platziert hatte, wo sich der letzte Karpfen zeigte. Der erste Biss kam überraschend schnell und ließ mich in Panik geraten: Die 0,43er Mono raste nur so von der Spule und es war bedrohlich wenig übrig! Mehrfach musste ich beschädigte Schnur runter nehmen in den vergangenen Tagen und hatte gar nicht auf dem Zettel, wie wenig nur noch drauf war. Der Fisch war nicht zu stoppen.
GET IN!
Ich schrie Paul mit der Kamera zu: „GET IN THE FUCKING BOAT NOW!“ Und als er endlich an Bord war, gab ich Vollgas, um Schnur zu gewinnen – mit den ersten Metern auf der Spule kehrte auch in mir wieder etwas Ruhe ein. Über dem Fisch musste ich mehrfach enormen Druck ausüben, um ihn aus dem Kraut zu befreien. Dieser Fisch war einfach nur zu krass, eine Neudefinition von stark. Der Drill zog sich ewig hin! Doch ich konnte ihn für mich entscheiden. Und zurück am Ufer wog ich einen Spiegler mit unfassbar großen Flossen auf satte 53lb!
Für mich war dieser Schachzug der Wendepunkt für die Session. Am nächsten Morgen veranstalteten die Fische in dieser Region eine unglaubliche Show und hier begannen Dan und ich, uns auch wirklich mit ihnen zu beschäftigen. Wie auch immer, das ist genug für den Moment, ich lasse vieles ungesagt, um den Film noch sehenswert zu halten. Nächsten Monat werde ich mit Geschichten von einem schönen deutschen Fluss zurück sein.
Tight lines,
Pecky