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Pecks Tagebuch / 23.02.2021

PECKS TAGEBUCH – Lost in France 2015 #1

Sie war eine DER Sessions des vergangenen Jahrzehnts: Darrell Pecks Tour an den Orient im Jahr 2015. Kaum eine Info aus der Szene schlug so ein wie sie – hatte sie doch so viele Komponenten, die sie unvergesslich machen würden, nicht nur für Darrell selbst: Abenteuer, Länge, dicke Fische und eine Menge unerwartete Spannung.

Nachdem wir schon damals in groben Zügen darüber berichtet hatten, ist es uns zwischenzeitlich gelungen, die gesamte Story von Darrell zu ergattern. Da er aktuell an einem Buch schreibt, nutzen wir seine schöpferische Pause, um euch dieses Bonbon zu präsentieren. Taucht ein in eine Session beinahe epischen Ausmaßes. Los geht’s mit Teil 1.

Lost in France 2015 – Part 1

Zwei der Artikel, die mich am meisten inspirierten, las ich einst im Carp Scene Magazine von Rod Hutchinson und sie waren von Rod selbst und von Richard Seal. In der Story wurde Richard die Ehre zuteil, mit einem der größten Namen in der Karpfenszene zu fischen und das an einem der unbestritten heftigsten Gewässer, die das europäische Festland zu bieten hat. Diese Gelegenheit ergab sich, nachdem Rod mit Alkohol am Steuer erwischt wurde, seinen Führerschein verlor und wenn ich mich recht entsinne: Er brauchte einen Fahrer. Ich kann mir noch immer das Bild vor Augen führen, wie ein junger Kerl mit starrem Blick am Lenkrad eines Campers sitzt und mit seinem Angelidol auf eine monatelange Session fährt. Diese Artikel las ich vor ungefähr 18 Jahren. Damals existierte die heutige kommerzielle Karpfenszene noch nicht und auch die 40 Kilo Monster von heute – die diese Gewichte durch zusätzliches Futter erreichen – gab es noch nicht. Die größten Karpfen der Welt wuchsen auf natürliche Weise in den härtesten Gewässern Frankreichs ab und genau dorthin verschlug es die größten Big-Fish-Angler dieser Ära, um ihren Träumen hinterher zu jagen. Als ich diese Artikel las, war ich ein Teenager, der noch nicht mal einen Karpfen von 10 Kilo gefangen hatte. Spulen wir 18 Jahre im Zeitraffer vor, fügen ein paar Karpfen hinzu und wie man es erwarten konnte, hat sich vieles verändert. Etwas, was jedoch noch immer Bestand hat, ist der Wunsch, selbst einmal in den Fußstapfen von Hutchinson und seinesgleichen zu wandeln.

Was für Bedingungen?!

Am Orient zu fischen brächte den Einsatz von Booten, Außenbordern und Echoloten mit sich, womit ich nur wenig Erfahrung hatte. In der UK verwende ich das Zeug nicht, weil sie in der Regel auch nicht erlaubt sind. Und trotz meiner fehlenden Erfahrung war ich mir in meiner Karpfenangelei so sicher, dass ich, sobald ich Fische dort finden würde, wo ich sie beangeln konnte, sie auch fangen würde. Meine größte Sorge galt den riesigen Bereichen von unerreichbaren Uferzonen (also die Zonen, an denen Nachtangeln verboten war) und ihrem Potential, jenseits einer jeden Schnurfüllung von Big Pit Rollen zu liegen. Für diejenigen, die mit dem Orient nicht vertraut sind: Im Prinzip handelt es sich um ein mit dem Bulldozer plattgemachtes Tal von rund 2500 Hektar und jeden Herbst wird das Wasser zur Versorgung von Paris herangezogen. Sobald das Wasser abgelassen wird, schrumpft der See und der Seeboden wird zu einem Ufer, aus dem tausende von wilden Baumstümpfen herausschauen. Die Angelbedingungen werden dann brutal und sind so verschrien wie der See selbst.

Monstersession dank Selbstständigkeit

Seit Jahren verfolgte mich der Gedanke an eine Monstersession in meinen Tagträumen, aber wie das Leben so spielt: Irgendetwas braut sich immer aufs Neue zusammen, um dich davon abzuhalten. Im Jahre 2006 wurde ich von Korda für einen Karpfenwettkampf an den Orient geschickt und obwohl ich – wie erwartet – nichts fing, stachelte mich das nur umso mehr an, irgendwann einmal eine richtige Session dort zu machen. Wenn es mich wieder dorthin verschlagen würde, dann sollte es eine lange Session werden, denn ich wollte nicht hinterher nur dorthin gehen, um „da gewesen zu sein“. Es sollte einfach eine gute Möglichkeit geben, auch zu fangen. Vor einigen Jahren machte ich mich selbstständig und der größte Pluspunkt dabei war, dass ich mir so eine Zeitspanne an und für sich aus den Rippen leiern konnte. Im vorangegangenen Herbst hatte ich eine dreiwöchige Tour nach Belgien bestreiten können und obwohl es mehr oder weniger wie das Angeln in der UK war (also vom Trolley aus), zeigte es mir doch, das derartige Sessions nun möglich waren. Die Planung für das, was hinterher eine Session von 5 bis 6 Wochen werden sollte, war jenseits von alldem, was ich bisher gemacht hatte und die Logistik versetzte mich in Angst und Schrecken. Boote, Außenborder, Echolote und wiederaufladbare Batterien wurden angeschafft. In Sachen Tackle legte ich mir Daiwa Wind-Cast Z LDs an, denn mit ihnen würde ich die Distanzen erreichen können, von denen ich ausging, dass ich sie benötigen würde. Der Caddy mit langem Radstand wurde zwei Tage vor meiner Abreise an einem Sonntag gepackt und er war voller als jemals zuvor. 200 Kilo Boilies, 100 Kilo Tigernüsse, Ersatzteile und so vieles mehr – die Beladung war am Limit.

Bivvy City und der Traum vom Bild vor den Baumstümpfen

Danny Fairbrass hatte mit liebenswerterweise den Gigantica als Basis angeboten. Dort konnte ich also meine Akkus aufladen, duschen und Baits einlagern. Ich kam dort am Sonntagnachmittag an und entlud erstmal alles an überflüssigem Geraffel und Ersatzteilen, die man nur für sechs Wochen direkt am See brauchen würde – dann ging es direkt mit dem Van an den See. Nur kurze Zeit später kam ich hinter den Plätzen der legendären Bivvy City an, an denen ich 2006 gefischt hatte. Es war brütend heiß und zu meiner Verwunderung angelte niemand. Das kam mir merkwürdig vor, hatte ich doch gedacht, dass dies eine der besseren Regionen sein würde. Ich schlenderte in Richtung des Damms – oder der Barrage, wie die Franzosen das nennen – und mein Blick wurde direkt von einigen Ringen auf halber Strecke zwischen Bivvy City und dem Damm angezogen. Ich legte einen Zahn zu und hielt den Blick dabei konstant in diese Richtung. Schnell konnte ich weitere drei oder vier Ringe an der Oberfläche erkennen, wobei es bei diesen blieb – die Fische konnte ich nicht sehen. In diesem Areal befand sich eine riesige Vogelansammlung aus Möwen, Blässhühnern und Haubentauchern; bestehend aus hunderten Exemplaren. Eine halbe Stunde lang passierte nichts mehr und so zog ich weiter entlang dieses irrsinnig großen Inlandsmeeres. Der nächste Bereich, den ich mir ansah, lag auf der anderen Uferseite und beinhaltete 20 Minuten im Auto und einen Fußmarsch über den absolut belagerten Strand. Nachdem ich den Strand hinter mir gelassen hatte und auf dem lehmartigen Schlamm lief, erschienen die verwitterten Baumstümpfe, vor denen ich so dringend ein Bild mit einen Karpfen ablichten wollte. Der Wasserstand war bereits im Sinken begriffen, denn hinter den Baumstümpfen lagen bereits 100 Meter getrockneten Krauts vor dem Beginn der Wasserkante. Dies war Luisgny Point, die letzte legale Nachtangelzone vor dem Damm am Westufer, ein Areal, das mir vom schieren Anblick auf der Karte sehr gefallen hatte. Von hier aus inspizierte ich noch kurz die anderen Nachtangelzonen, aber wirklich nur ganz schnell, denn ich war zu nervös und konnte nicht aufhören, an die Ringe vor Bivvy City denken. Kein anderer Angler befischte den See. Ich wusste zwar von zahlreichen Berichten, dass ich früh dran war.  Die meisten Angler befischen den See im letzten Monat vor der Sperrzeit, dem Oktober also, wenn der Wasserstand auf das erlaubte Minimum gesenkt wird. Aber irgendjemand würde doch so verrückt oder ehrgeizig sein?! Letzten Endes baute ich in Bivvy City auf, geleitet von den Aktionen, die ich dort hatte sehen können. Am Abend wollte ich mit dem Boot raus und mit dem Echolot das Gebiet erkunden. Als ich jedoch die Berge von Ausrüstung endlich am Wasser hatte, hatte ich schon genug. Ich musste mich ja nicht beeilen und so legte ich mich erstmal hin, sobald alles aufgebaut war. Früh am Morgen lief ich zu der Stelle, an der ich die Ringe gesehen hatte, konnte aber nur ein paar Schleien in Ufernähe rollen sehen. Und schon begann ich an meiner Entscheidung zu zweifeln, das ganze Tackle hier in den Schlamm getragen zu haben. Hinzu kam noch die schier unglaubliche Anzahl an Hechtanglern, die hier vom Boot aus fischten. Sie waren quasi pausenlos vor mir und so verschob ich die Sache mit dem Boot noch ein wenig. Am Abend zog ein Gewitter durch und erneut konnte ich nicht mit dem Boot raus. Am nächsten Morgen hatte ich also schon zwei Nächte im Schlamm gecampt, ohne eine Rute im Wasser. Ich fing an, darüber nachzudenken, ob ich hier meine Zeit verschwenden würde.

Aus Camping wird Angeln. Notfallangeln

An diesem Nachmittag gelang es mir endlich, auf den See zu kommen und der nächste Schock stand an: Man, war das verkrautet hier! Erst alles unterhalb von zehn Metern Tiefe zeigte sich sauber auf dem Echolot und ich befand mich keineswegs in der Nähe des Areals, wo ich die Aktionen gesehen hatte – die beschissene Distanz von 350 – 420 Metern vom Ufer mal gar nicht mit einberechnet. Au Backe! Ich würde die Ruten einfach erstmal ablegen und mir einen Moment Zeit zum Nachdenken geben. Alle vier Rigs wurden mit 35 Metern Zwischenabstand hinter die Krautkante gelegt und ich verteilte 20kg Hi Impact Boilies großflächig im ganzen Bereich. Am nächsten Morgen erwachte ich, als einer meiner Bobbins nach unten fiel und ich sah, dass die Schnur durchhing. Als ich das Rig einkurbelte, hatte sich das Blei gelöst. Das hieß, dass sich etwas gehakt haben musste, aber ich schob es auf Brachsen oder Schleien. Mittels GPS legte ich die Rute im dichten Morgennebel neu aus, lehnte mich daraufhin zurück und überdachte die ganze Schleien- und Brachsen-Situation. Ich hatte 20kg großer Boilies gefüttert und hatte binnen der ersten 24 Stunden Beifangprobleme.

Hin und her

Es war noch immer niemand hier. Nach weiteren zwei Nächten mit den Ruten im Wasser beschloss ich dann, zusammenzupacken und mich auf die Suche nach den Fischen zu begeben. Es dauerte tatsächlich Stunden, um das ganze Zeug wieder ans Auto zu schaffen und mindestens allein eine Stunde, um die Rigs einzuholen! Den restlichen Abend verbrachte ich damit, meine Akkus leerzumachen, während ich andere Areale inspizierte. Als ich auf der Hälfte des Sees angekommen war, schien es mir allerdings das Beste, zurückzukehren, denn es wurde bereits dunkel. Ich fuhr an den Gigantica um meine Batterien aufzuladen, aber schon am nächsten Morgen ging es zurück an den Orient, um mich weiter umzusehen. Da ich keine eindeutigen Sichtungen machen konnte, schien es mir am wahrscheinlichsten, dass sich die Fische größtenteils im Schongebiet aufhalten würden – zumindest hatte man mir das auch vorher bereits gesagt. Warum der Herbst landläufig am Orient besonders gut ist, soll daran liegen, dass die Karpfen mit dem fallenden Wasser ihre natürlichen Habitate im flachen Wasser verlassen, sobald der Wasserspiegel fällt. Die allgemeine Theorie dahinter ist, dass dieser Umstand die Fische in die Nachtangelzonen ziehen lässt. Ursprünglich hatte ich diese Theorie angezweifelt, denn ich dachte, dass die Fische an einem See dieser Größe, wo sie – wenn überhaupt – nur selten gefangen werden, sich nicht nach dem Angeldruck richten würden. Mittlerweile habe ich realisiert, wie naiv ich war, so zu denken. Denn wenn ich eines weiß, dann, dass Karpfen mit ausreichend natürlicher Nahrung immer alles dafür tun würden, so weit wie möglich von Anglern fernzubleiben.

Neuer Spot – perspektivlos?

Nachdem ich mich erneut umgeschaut hatte, ging ich nach Mensil zurück um mein Tackle im Boot zu verstauen. Ich wollte alles zur „3 Tree Island“ ziehen, die mit den folgenden Faktoren aufwartete: Sie liegt zentral und ich hatte gehört, dass hier gerne die Fische auf dem Weg von der Staumauer zum größten Schongebiet durchziehen. Meinen Tackle-Berg zur Insel zu manövrieren, stellte sich als gar nicht so einfach heraus. Zwar lag der Wind in Sachen Meilen pro Stunde nur im einstelligen Bereich, aber trotzdem schwappten hin und wieder Wellen über die Bordwand meines Beiboots, während ich schildkrötengleich mit 2 km/h übers Wasser kroch! Bis alles aufgebaut war und ich mir mit dem Echolot einen groben Überblick verschafft hatte, schwand bereits das Licht. Zumindest legte ich am nächsten Tag die Ruten aus, wenn auch wieder auf absurder Distanz, denn das Kraut erstreckte sich wieder hunderte Meter weit. Ehrlich gesagt fühlte sich das Ganze zunehmend lächerlich an, denn wie sollte ich hier im Schlamm verrotten, ohne zumindest zu wissen, dass Fische in der Nähe waren?! Ich redete mir ein, dass diese Frage nur die Zeit beantworten könnte – und so verging die nächste Nacht wie die letzten. Logistisch hatte ich das alles nicht wirklich gut durchdacht, denn jetzt war ich hier gestrandet und fürchtete mich schon davor, zwei Kilometer quer über den See zu rudern, nur um die Batterien zu laden. Am nächsten Tag fühlte ich mich noch immer vollkommen außerhalb meiner Komfortzone und so trank ich ein paar Biere – einfach nur, um das Gefühl der Aussichtslosigkeit etwas zu dämpfen. Danach legte ich mich für ein Nachmittagsschläfchen hin. Das Nächste, an das ich mich erinnere, ist, dass ein junger Franzose namens Constant mich aufweckte. Es sickerte langsam durch, dass er vor einigen Tagen hier angekommen war und extra zu mir hergekommen war, weil er ein Bild auf Facebook von mir hier am See gesehen hatte – und, um mir mitzuteilen, dass er zwei Fische gefangen hatte. Einen von 27 Kilo und einen mit 21. Das war ein mega Ergebnis und ich gratulierte entsprechend. Es stellte sich heraus, dass Constant vom Boot aus in der Barrage gefangen hatte, was zumindest tagsüber erlaubt ist. Wenn ich jemals einen Motivationsschub gebraucht hatte, dann war er in diesem Moment eingetreten. Gleichzeitig bestätigte diese Tatsache auch meinen Verdacht, warum ich in den erlaubten Nachtangelzonen nichts zu sehen bekommen hatte. Eine weitere Nacht verstrich ohne Lohn für meine Mühen – abgesehen von zwei leeren Akkus, für die ich insgesamt vier Kilometer würde rudern müssen, um sie am Gigantica aufzuladen. Als ich gerade über diese grandiose Aussicht nachdachte, fuhr ein großes Segelboot über meinen H-Marker bei 150 Metern und zog meine Ruten, Rollen und Bissanzeiger in den See, bevor die Schnüre gekappt wurden. Als ich alles wieder eingesammelt hatte und die Ruten wieder lagen, saß ich da und sinnierte darüber, was zum Teufel ich hier tat…. Das war kein Angeln, das war einfach nur noch zermürbend.

Ein schwerer Start für Darrell. Natürlich hat er noch jede Menge Zeit im Gepäck, aber die bisherigen Erlebnisse sind wahrlich ernüchternd. Wie es für den Peckinator weitergeht, lest im nächsten Teil!

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