Wenn Angeln teil deines Jobs ist, kommt das private Angeln - zum Beispiel mit Freunden - irgendwie zu kurz. Luxusproblem? Schon irgendwie. Aber gerade die Touren mit meinem Kumpel Klaus sind mir wichtig. Und so einer, seiner ersten Karpfentour ins Ausland, möchte ich hier berichten. Für mich bot sie eine dicke, schuppige Überraschung...
Privateinsatz
Kaum zurück aus England hieß es schon wieder Sachen packen für einen neuen Trip. Diesmal zu meinem ersten „privaten“ Auslandseinsatz 2019 mit meinem guten Freund Klaus. Zusammen haben wir schon so einige Trips gemeistert. Wir waren mindestens zehn Mal in Spanien zum Wels- und Zanderangeln. Dabei konnten wir erst im letzten Jahr eine unglaubliche Woche erleben die sich so vermutlich nicht wiederholen lässt. Tage an denen über 80 Zander ins Boot kamen und fast nebenher noch Welse bis über 2,40 Meter sind auch am wahrscheinlich besten Revier Europas außergewöhnlich. Wer WASSERMANN // Karpfenzeit 2 gelesen hat, wird Klaus kennen, da er mit mir über vier Jahre hinweg einen See der Kölner-Region umgekrempelt hat. Was wir aber tatsächlich in all den Jahren unserer Freundschaft noch nicht zusammen schaffte, war, gemeinsam im Ausland auf Karpfen zu fischen. Dies lag zu großen Teilen an Klaus limitierter Zeit durch Beruf und Familie, aber eben auch daran, dass er einfach nicht der fanatischste Karpfenangler ist und seine wenigen längeren Trips eher holländischen Hechten oder eben spanischen Welsen widmet.
Wichtig: Ausweichgewässer!
Wie jeder von euch weiß, ist kein Angeltrip wie der andere und auch wenn man schon einige Male an einem Gewässer war, ist nicht gesetzt, dass alles wie am Schnürchen läuft. In Mitteleuropa beispielsweise hatten wir dieses Jahr einen sehr verhaltenen Frühling. Und wo im letzten Jahr die Fische schon seit einem Monat mit dem Laichgeschäft durch waren, trugen sie in diesem noch dicke Bäuche mit sich umher. Bei Touren, die in dieses Zeitfenster fallen und lange im Voraus geplant werden, ist es daher besonders wichtig, Ausweichgewässer zu haben, die eben tiefer, flacher, wärmer oder kälter sind als das eigentliche Ziel. Diese Erfahrung kam auch uns sehr gelegen, da die Fische an unserem eigentlichen Ziel gerade anfingen zu laichen, als wir uns auf den Weg machen wollten. Ein gutes Netzwerk zu lokalen Anglern ist dabei unglaublich wertvoll und so war ich über den Anruf meines Freundes Gasper aus Slowenien sehr dankbar. Kurzerhand wurde umgeplant und ein neues Ziel gefunden. Vor Ort sollte es kälter sein und somit die Laichzeit hoffentlich noch in weit entfernt. Kälter wurde es dann auch…viel kälter! Wir erreichten den See kurz vor Einbruch der Nacht und zerrten die Latten im letzten Licht des Tages schnell an einige verheißungsvolle Plätze entlang der Uferkanten. Da sich bis zum Morgen nichts tat, hatten wir zumindest die Möglichkeit, gut zu schlafen und ausgeruht nach einem Kaffee weitere Pläne zu schmieden. Diesmal wurde mehr Liebe und Sorgfalt in das Positionieren der Ruten gesteckt – was jedoch durch den stetig zunehmenden Wind nicht gerade einfach war.
Dauerwind
Und damit hatte sich unsere Nemesis für die kommenden Tage eingestellt denn besagter Wind sollte bis auf kurze Pausen nicht wieder nachlassen. Laut App hatten wir Temperaturen zwischen 7 Grad bei Nacht und 15 Grad am Tage, doch durch den Sturm, welcher in Böen bis 60Km/h wehte, fühlte es sich an wie im Eisschrank. Außerdem machte es das Angeln extrem unsozial. Dies sollte kein Ego-Big-Fish-Trip werden, sondern eine schöne Woche mit meinem Kumpel. Ja, seine erste Auslandstour auf Karpfen. In Realität saßen wir in Daunenjacke in unseren Zelten und setzen uns nur selten zusammen unter ein kleines, mitgebrachtes Hide, welches uns als Windschutz diente und trotz Heringen wegen des kiesigen Bodens zweimal im Sturm fast die Biege machte. In der zweiten Nacht kam ein erstes Highlight in Form von Klaus erstem ausländischem Karpfen. Kein Riese, aber absoluter Grund zur Freude. Noch besser wurde es, als im ersten Licht gleich noch ein Fisch auf der gleichen Rute ablief, diesmal sogar ein guter! Wenn Klaus und ich zusammen fischen gehen angeln wir fast immer Biss auf Biss. Das ist schon immer so gewesen und wird hoffentlich auch immer so bleiben. Wer zusammen Abenteuer erlebt, sollte auch zusammen alle Höhen und Tiefen teilen. Zu oft habe ich schon erlebt wie ein Kollege den anderen komplett abangelt einfach nur weil er den besseren Platz gezogen hatte. Ich persönlich könnte mir nie vorstellen, in so einer Situation den Egomanen raushängen zu lassen. Wenn man sich Aufwand und Ertrag teilt, führt so etwas dann zu sehr speziellen Ereignissen. Nachdem Klaus am Folgetag einen weiteren Lauf auf besagter Rute hatte, welchen ich aber nicht annehmen konnte, da ich gerade beim Einkaufen war, mussten wir uns eingestehen, dass unsere anderen Plätze bisher ziemlich unproduktiv waren. Wir hatten zwischenzeitlich alle Ruten auf die produktive Tiefe gelegt, doch trotzdem lagen sie wie tot. Hinzu kam der ununterbrochene Wind, der nicht nur das Ablegen der Ruten zum Kraftakt machte, sondern Drillen vom Boot sogar gänzlich unmöglich. All diese Umstände führten dazu, dass wir am Tag drei trotz der zwei Fische nicht wirklich mit der Gesamtsituation zufrieden waren. Ausweichplätze waren besetzt und die Wettervorhersage prophezeite zum Wind nun auch noch Regen.
Mein Moment
Kurz nach dem Essen am Nachmittag saßen wir gerade zusammen und ich telefonierte ein paar Freunde ab, auf der Suche nach einem Ausweichgewässer vom Ausweichgewässer, da lief aus dem Nichts diese eine Rute erneut ab. Ich hatte es zuvor immer wieder prophezeit: „Wenn tagsüber einer geht, ist es einer der ganz dicken!“ Das hatte ich hier schon mehr als einmal erlebt. Klaus machte keinerlei Anstalten, sich aus dem Stuhl zu erheben und so fand ich mich Sekunden später mit im Halbkreis gebogener Rute am Ufer wieder. Schon nach Sekunden war klar, was da am anderen Ende hing. Ein ENDGEGNER! Schwer und langsam wie ein Sack Zement mit Flossen zog der Fisch seine Bahnen. Ich wiederum schwitzte Blut und Wasser, da ans Boot nicht zu denken war, ich aber andererseits sehr wohl um die Skelette der Bäume wusste, welche im alten Flussbett ihre Arme jeder Schnur entgegenstreckten. Der Drill zog sich über gute 30 Minuten und ich wimmerte und betete innerlich. Irgendwann sah ich Klaus das Keschernetz heben. Nach einem einzigen Blick ins Netz drehte er sich wortlos zu mir um, kam die zwei Schritte aus dem Wasser auf mich zu und nahm mich in den Arm. Auch ich musste jetzt natürlich sehen, was genau da im Kescher stand. Ein großer Schuppi, das war klar. Und das war kein Vierziger mehr, im Drill wurde mir das schon irgendiwe bewusst. Mehr als ein Blick auf den Rücken des Fisches war nicht mehr nötig: Ich warf die Rute ins Gras und hüpfte wie ein Erdmännchen auf Drogen um Klaus herum. Das war mit Abstand der größte Schuppenkarpfen meines Lebens. Endstufe. Abriss. Komplette Rasur.
Ich denke und hoffe die Bilder sprechen für sich, denn alles um diesen Fisch herum war einfach nur überwältigend. In den zwei Tagen danach zeigte das Wetter keine Gnade. Zum Wind, der jetzt 24 Stunden durchblies, kam Regen hinzu, es lief weiterhin nur die eine Rute, egal was wir mit den anderen anstellten und überhaupt hatten wir beide das Gefühl, hier irgendwie schon überreich beschenkt worden zu sein. Wir fassten den Entschluss, früher abzureisen und stattdessen einen See auf dem Heimweg zu besuchen. Diese Kiesgrube von gut 20 Hektar lag irgendwo vergessen und verloren im Wald und sollte unser Ziel sein. Wir wussten weder über Bestand noch gängiges Vorgehen irgendetwas. Wir wollten einfach aus der Hüfte schießen und ein wenig Vorarbeit für mögliche Touren in der Zukunft leisten. Auch dort wurde es interessant und ich werde berichten…