Mario Kirstein: Als erster deutscher Angler am legendären Redmire Pool – Teil 3
2400 Kilometer, sechs durchquerte Länder und nur 48 Stunden Zeit – doch diese Hürden nahm Mario Kirstein gerne auf sich, schließlich wurde ihm als erster deutscher Karpfenangler die Ehre zu teil, den berühmten Redmire Pool in England zu beangeln. Guten Gewissens kann man dieses unscheinbare Gewässer als den Ursprung des Karpfenangelns in England beschreiben. Wie Mario die Session in England erlebte, berichtet er uns ausführlich in einem wirklich gelungenen Dreiteiler…
Wir klatschen uns ab. Ich kann meine Freude nicht unterdrücken und lasse einen Jubelschrei los. Dabei bemerke ich nicht, dass Les inzwischen hinter mir steht. Aber dieser ist es wohl über die Jahre gewöhnt, die Freude eines Anglers zu sehen, und quittiert meinen Jubel nur mit einem Grinsen. „Well done, first german angler in the world, who caught a carp in Redmire!”
Nach diesem Satz hätte ich wieder jubeln können. Ich bin so überglücklich, dass ich zunächst vergesse, mir den Fisch anzuschauen. Aber natürlich hole ich dies kurz darauf nach und erblicke in meinem Netz einen sehr alten Schuppenkarpfen.
Les ist beim Wiegen behilflich und schaut sich den Fisch genauer an, als er auf der Abhakmatte liegt: „Definitely one from the original stock!“
Und schon wieder bekomme ich eine Gänsehaut. Ein Fisch, der die Gene von Clarissa in sich trägt. Wahnsinn! Ich bin überglücklich und total überwältigt. Die Waage zeigt kurz darauf genau 21lbs an und ich bekomme einige Schulterklopfer für meinen ersten Redmire Karpfen, der gleich die 20lbs-Marke knackt. Les schlägt vor, die Fotos auf dem berühmten Redmire Damm zu machen. Kurze Zeit später hebe ich ihn dann tatsächlich in die Kamera. Es fühlt sich nicht real an. Meine Freunde grinsen alle und einer der bekanntesten Menschen im angelnden England hebt den Daumen und zeigt mir so, dass ich da wohl etwas Besonderes in den Händen halte.
Überglücklich
Harry macht wie immer einige sehr schöne Bilder und dann darf mein erster Redmire-Karpfen wieder den Weg in die Freiheit antreten. Ich schaue ihm hinterher, bis ich ihn nicht mehr sehen kann und drehe mich anschließend zu meinen Freunden um. Es hat wohl einige Stunden und noch ein paar Drinks mehr gedauert, bis ich wieder halbwegs in der Lage bin, einen anderen Gedanken zu fassen als den an das kurz zuvor Erlebte. Wir sind alle müde nach diesem aufregenden Tag. So beschließen wir schon recht früh, in unsere Schlafsäcke zu verschwinden. Als die Anspannung dann ein wenig abfällt, falle ich auch. In einen tiefen Schlaf…
Der letzte Tag bricht an
Ich erwache am frühen Morgen, als es gerade hell wird. Ich bin nicht sicher, ob ich schon wieder oder noch immer grinse. Jedenfalls fühlt es sich immer noch unglaublich an. Der Tee mit Andy ist an diesem Morgen der beste, den ich je getrunken habe. Es bleiben nur noch ein paar wenige Stunden, denn schließlich müssen wir um 12:00 Uhr den See verlassen. Als ich die ersten Karpfen sehen kann, beschließe ich noch einmal, es an der Oberfläche zu versuchen. Ich bin noch vorsichtiger als tags zuvor und werfe meine Rute nur dann aus, wenn die Fische nicht in der Nähe sind. Das Ergebnis ist jedoch das gleiche. Ernsthaftes Interesse zeigt keiner der Fische. Ich muss anerkennen, dass ich als Zweiter Sieger das Feld verlassen muss.
Es ist wieder Andy, der kurz darauf noch einmal jubeln darf. Erneut hat ein Karpfen seinen Köder genommen und schließlich den Weg in seinen Kescher gefunden. Unfassbar, aber Andy fängt in unserer Zweitagessession tatschlich drei der berühmten Bewohner des Redmire Pools!
Der Fisch wiegt knapp 100gr mehr als der meine vom Vortag und ist damit der größte, den wir landen können. Dieses Mal machen wir ein Bild von uns allen mit dem Fisch.
Alle fiebern mit Matt
Es sind nur noch etwa zwei Stunden Zeit und inzwischen sind wir alle bei Matt, der auf „Walkers“ sitzt und der nach wie vor auf den ersehnten Fisch hofft. In dem Bereich, in dem er angelt, ist sehr viel Aktivität zu erkennen. Viele der 48 Karpfen des Redmire Pools schwimmen umher, einige machen sich durch Blasen, die vom Grund aufsteigen, bemerkbar… Matt ist sichtlich nervös, da er jeden Moment darauf hofft, doch noch kurz vor Ende einen Anbiss zu bekommen.
Wir schauen uns an, was sich vor ihm im Wasser abspielt. Matt ist unsicher, ob er eine seiner Ruten in die Mitte des Sees legen soll, dort, wo so viele Blasen vom Grund aufsteigen. Ein einziger Auswurf könnte die Fische vertreiben, doch Matt entscheidet sich schließlich dafür, das Risiko einzugehen.
Wir sind uns einig, dass seine Entscheidung richtig ist. Gespannt warten wir mit ihm, was passiert. Noch etwa eine Stunde. Dann müssen wir einpacken und den See vielleicht für immer verlassen.
Auf der Zielgeraden
Plötzlich piepst es! Matts Bissanzeiger gibt ein eindeutiges Signal und Sekunden später hat er seine Rute in der Hand und kämpft kurz vor Toresschluss tatsächlich mit einem Redmirekarpfen. Wir alle hoffen mit ihm, würde dieser Fang doch den perfekten Abschluss einer atemberaubenden Session darstellen.
Der Fisch wehrt sich. Flüchtet immer wieder ins Kraut. Schließlich sitzt er so fest, dass Matt mit Harry zusammen das Boot benutzen muss, da er ihn vom Ufer aus nicht mehr befreien kann. Gemeinsam machen sich die beiden auf den Weg Richtung Fisch. Vom Boot aus gelingt es ihm, den Fisch aus dem Krautfeld zu holen. Es fehlt nicht mehr viel und auch Matt kann seinen ersten Redmire Karpfen in den Händen halten.
Doch kurz bevor es soweit ist, taucht der Karpfen ein letztes Mal ab. Er erreicht erneut ein Krautfeld und verschwindet darin. Obgleich Matt sehr vorsichtig vorgeht, passiert schließlich das, wovor wir uns alle gefürchtet haben. Der Haken löst sich aus dem Maul und eine Sekunde später senkt Matt den Kopf.
Am Boden zerstört
Der Fisch hat gewonnen. Matt‘s Enttäuschung ist riesengroß und wir alle fühlen mit ihm. Kennen dieses Gefühl, doch können wir nur erahnen, wie es sich anfühlen muss, den einzigen Fisch am Redmire Pool zu verlieren. Es gibt keine Worte, die jetzt wirklich trösten. Zwar hofft Matt in der verbleibenden halbe Stunde auf eine weitere Chance, doch diese kommt nicht mehr. Als wir dann um 12:00 Uhr unsere Autos beladen, ist die Stimmung sichtlich gedrückt. Wäre doch dieser Fisch für Matt der perfekte Abschluss einer denkwürdigen Session am Redmire Pool gewesen. Uns allen wird bewusst, wie nahe Glückseligkeit und unendliche Traurigkeit bei unserem Hobby beieinander liegen.
Als ich mich schließlich kurze Zeit später von meinen Freunden verabschiede, nehme ich Matt in den Arm. Die Enttäuschung sitzt tief, das kann ich fühlen, doch er lächelt und zeigt wahre Größe als er sagt: „That was the best session ever!“ Er sagt dies, obwohl er als einziger keinen Fisch in seinen Händen halten durfte... Während ich langsam Richtung Hauptstraße fahre, kommt mir in den Sinn, was für ein großartiger Mensch er ist, wenn er in der Lage ist, dies zu sagen. In einem der bittersten Momente seines Anglerlebens.
Wie es am Redmire weitergeht? Wer weiß...
Während ich diese Zeilen schreibe, sind bereits einige Tage seit meiner Rückkehr vergangen. Noch immer fühle ich die Magie des Redmire Pools. Die Wahrscheinlichkeit jemals wieder dort fischen zu dürfen ist gering, schließlich bewerben sich jedes Jahr unzählige Karpfenangler um eines der begehrten Tickets. Hinzu kommt, dass das Anwesen vor kurzem verkauft wurde und der neue Besitzer noch nicht weiß, ob er den See ab dem kommenden Jahr der Allgemeinheit weiterhin zugänglich macht.
Es könnte sein, dass sich das Buch des Redmire Pools am Ende dieses Jahres für immer schließt. Deshalb bin ich umso dankbarer, dort gewesen zu sein und tatsächlich einen seiner legendären Bewohner fangen zu dürfen. Das Highlight meiner inzwischen 35-jährigen Laufbahn als Karpfenangler wird mir immer in Erinnerung bleiben.
The first German in the world!
Euer Mario
Hier findet ihr den ersten Teil und den zweiten Teil von Mario's Story.









