Ich sitze vor einem Kaminfeuer im Vereinigten Königreich, während ich diese Zeilen schreibe. Draußen hämmert der Regen ans Fenster und ich habe mich gerade erst wieder erholt von einer nassen und windigen, aber erfolgreichen, 12-Tages-Tour nach Südfrankreich, wo ich einige der großen öffentlichen Reservoirs und Stauseen befischt habe. Da dies mein erster Blogeintrag für Carpzilla ist, möchte ich euch vorab etwas über mich und mein aktuelles Anglerleben erzählen.
Mein Angeln, eine Aufgabe...
In den letzten beiden Jahren haben sich meine Angelei und mein Leben drastisch geändert. Jahrelang hatte ich die naheliegenden Gewässer in UK befischt, wobei ich immer bemüht war, mindestens ein oder zwei Nächte pro Woche zwischen meinen Job als Lehrer an einer lebhaften Sekundarschule zu quetschen. Dies war schwierig und nicht immer erfolgreich, aber der Lohn für all die Mühen war es wert. Die Dynamik und die Kontinuität dieses Angelstils fühlten sich immer immens wichtig an, der Betrieb und die Erschwernisse an diesen unglaublich hart beangelten und beangelbaren Lowstock-Gewässern erforderte stets, mit dem Wasser und den Fischen in Kontakt zu bleiben, um zumindest den Hauch einer Chance zu haben, einen Karpfen zu fangen. Das bedeutete das „Bearbeiten“ der Spots, regelmäßiges Füttern, das Vorbereiten von Swims, beobachten und warten. Angeldruck an einem kleinen Gewässer in UK ist wirklich Druck im eigentlichen Wortsinn. An einem speziellen Vereinsgewässer in der Nähe des berühmten Yateley, welches ich befischen konnte, waren Angler in einer Zahl von acht bis fünfzehn Personen pro Nacht selbst unter der Woche absolut normal; und das an einem 3,2 Hektar kleinen See. Unglaublich, aber zwischen den Bissen konnten teilweise 40, 50, ja sogar 80 bis 100 Nächte liegen, denn die dreißig Karpfen dort waren mit die ausgefuchstesten und am härtesten beangelten, denen ich jemals auf die Schuppen rückte.
Wertiger? Naja, auch irgendwie lächerlich...
Jahrelang dachte ich, dass die Angelei auf diese Art von Karpfen dieses gewisse Extra an Herausforderung darstellte und dass die Fänge hierdurch irgendwie wertiger wären, da sie mit viel mehr Aufwand und Schwierigkeiten verbunden waren. Je mehr ich jedoch in Europa geangelt habe, desto mehr wurde mir bewusst, dass mich dies gar nicht mehr so sehr interessiert und ich der Wild- und Schönheit eines Gewässers – gepaart mit der Erfahrung selbst – einen viel höheren Stellenwert beimesse. Während des Fischens mit meinem deutschen Freund Tomas lachte und wunderte dieser sich immer wieder über die hohe Zahl von Anglern an unseren kleinen Gewässern im Königreich – und auch über die langen Abstände zwischen den einzelnen Bissen. Er liebte die Geschichten über den Trubel und die Anforderungen dieser Gewässer und lachte sich regelmäßig darüber schlapp. An einem großen, schönen – und oft leeren – öffentlichen See sitzend, musste ich ihm zustimmen: es klang lustig. Ja, fast schon lächerlich. Warum sollte man mit fünfzehn anderen Anglern an einem Teich von gerade einmal drei Hektar sitzen wollen, wenn man tausende von Hektar ganz für sich alleine haben konnte?!
One love for EUROPE
Die Realität des Angelns an den üblichen britischen Gewässern sieht so aus, dass die Karpfen nur durch den jahrelangen und intensiven Angeldruck so schwer zu fangen sind. Gewissermaßen fischt man also lediglich gegen andere Angler, was für mich heutzutage wesentlich weniger spannend ist, als nur auf die Karpfen selbst und gegen ihre Lebenswelt zu angeln. Je mehr ich an den öffentlichen Gewässern Europas fische, desto mehr fühle ich mich eins mit der Natur und dem Prozess des Angelns selbst; weit weg von der Politik und den Problemen, die wirklich belebte Gewässer so mit sich bringen. In einer Zeit, in der das Vereinigte Königreich offenbar von Europa wegdriftet, reise ich persönlich in die gegenläufige Richtung. Ich liebe die Vielfältigkeit von Kulturen, Essen, Menschen, Landschaften und Karpfen, die man dank offener Grenzen genießen kann und das Zusammentreffen mit Anglern anderer Länder während der Reise hat einen großen Anteil hieran. Das Erlernen neuer Sprachen, die Verwendung von Google Translator und Handzeichen, oder das Malen im Schlamm um zu kommunizieren, ist ein wundervoller Zusatzaspekt der Angelei an öffentlichen europäischen Gewässern für mich.
Spaß am Abenteuer
Meine persönliche Angelei besteht mittlerweile aus so vielen Touren auf den Kontinent, wie ich irgendwie über das Jahr zwischen die Arbeit packen kann. Meist reise ich mit einem Freund, was den Trips eine zusätzliche Portion Spaß und Erfahrung verleiht und nebenbei hilft es extrem bei der Arbeit an den großen Gewässern. Das Angeln in UK ist aktuell auf das Fischen für die Arbeit, das Filmen mit Sticky Baits und Thinking Anglers, sowie mein Guiding und Angelunterricht beschränkt. Allein in diesem Jahr habe ich in Belgien, Holland, Deutschland und Frankreich an wahrscheinlich irgendetwas zwischen fünfzehn und zwanzig verschiedenen Gewässern geangelt. Und zwar alles von winzigen Kanälen, bis hin zu öffentlichen Seen mit 2000 Hektar Größe. Derzeit treibt mich hier nicht die Aussicht auf den Fang wahrer Giganten an – vielleicht kommt das noch im Lauf der nächsten Jahre – sondern lediglich der Spaß am Abenteuer und das Ausbrechen aus dem Alltag, die das Karpfenangeln an öffentlichen Gewässern mit sich bringt.
Kurze Trips
Viele der Trips der letzten beiden Jahre waren nur Erkundungstouren, meist haben wir ein Gewässer nur einmal, und dann auch nur für ein paar Tage, aufgesucht. Diese Art zu angeln ist wunderbar, da man viele verschiedene Orte und Landschaften sieht und kennenlernt, sie birgt jedoch auch Probleme. Meist kommt man an diesem unbekannten Ort ohne große Informationen und Vorbereitung an und hat nur einen kleinen Zeitraum – in der Regel zwei bis drei Nächte – um klar zu kommen. Manchmal kommt es vor, dass wir ein paar kleine Bröckchen an Informationen von einem Freund erhalten, aber wie Ihr sicher alle wisst: die Dinge sehen in Wirklichkeit meist ganz schön anders aus als im Text.
Die Herausforderung macht Dich besser
Darüber hinaus mag ich die zusätzliche Herausforderung, die das Beangeln einer Vielzahl von Gewässerarten mit sich bringt und ich glaube, dass sie einem hilft, die eigenen Angel-Skills zu verbessern; denn schließlich zwingt einen der Umgang mit verschiedenen Problemen, anpassungsfähig zu sein. Bei einer Session dieses Frühjahr gingen wir von der Angelei an einem winzigen, gerade einmal zwanzig Fuß breiten Kanal in Belgien in der einen Nacht, direkt in das Hinausschleppen von 12-Unzen-Bleien über mehrere hundert Meter an einem Großgewässer in Norddeutschland in der nächsten Nacht über.
Gen Süden
Den ersten Trip dieses Jahr starteten wir früh und es zog uns im Februar gen Süden, in der Hoffnung, dort bessere Temperaturen anzutreffen und den Frösten und der Kälte des Nordens zu entfliehen. Der erste Halt war an einem bekannten Stausee unweit des Cassiens, ziemlich ähnlich in Form und Optik, jedoch viel kleiner: aber mit einem hervorragenden Bestand großer Karpfen. Die erlaubten Nachtangelzeiten von Freitag bis Sonntag im Hinterkopf, waren wir am Donnerstagabend angekommen, was uns ein klein wenig Zeit verschaffte, ein paar Fische zu lokalisieren und am Freitagmorgen vorbereitet zu beginnen. Wir verbrachten die Nacht mit Herumlaufen, Beobachten und Lauschen, konnten jedoch nur einen Fisch ausmachen. So wählten wir einen großen Spot, der einige sehr interessante Areale abdeckte und einige Ausweichmöglichkeiten bot. Gleichzeitig war es der Bereich, in dem wir den einen Fisch gehört hatten. Nach einem ruhigen Tag platzierten wir die Ruten auf harten Plätzen am Rand des alten Flussbetts, etwas Sticky Baits Krill und gecrushte Tigernüsse wurden dazu gefüttert und wir lehnten uns zurück, um die Szenerie wirken zu lassen. Kurz vor Mitternacht stand ich dann im brusttiefen Wasser, unfähig, etwas zu unternehmen und drillte einen Fisch, der sich in der Dunkelheit wie ein absoluter Gigant anfühlte. Insgeheim wünschte ich mir noch, es wäre ein 60-Pfund-Spiegler, aber die Fluchten waren tief, schwer und ruckelig. So war es keine allzu große Überraschung, als im Licht der Lampe letztendlich ein großer Wels über den Kescherrand glitt. Ich hakte die vermaledeite Kreatur im Schilf ab und sah zu, wie sie sich in die Nacht zurückschlängelte.
Große Karpfen: sehr begehrt, oft bekannt
Nach zwei weiteren Welsen im Lauf der Nacht, fühlte ich mich im Licht des frühen Tages nicht wirklich fit und der Einmarsch der Locals, die nach der Arbeit mit einbrechender Dunkelheit ankamen, machten das Ende des Sees, an dem wir saßen, plötzlich deutlich weniger attraktiv. Futterboote zogen kreuz und quer ihre Bahnen und Lampen leuchteten in der Entfernung die ganze Nacht über den See. All das waren bekannte Probleme für mich, aber ich war weit von zuhause entfernt. Neben all der Wildnis und Freiheit, die mit der Angelei an öffentlichen Gewässern einhergehen, zeigte uns diese Freitagnacht an genau diesem Stausee, dass es nicht nur menschenleere Seen voller jungfräulicher Karpfen geben kann, die darauf warten, gefangen zu werden. Große Karpfen sind ein begehrtes Ziel, wo auch immer man sich auf dieser Welt befindet. Wir hatten das Gefühl, am richtigen Platz zu sein, wollten uns aber nicht mit der Masse anderer Angler, und auch nicht mit den Welsen, herumärgern. Also packten wir vorzeitig zusammen und strebten neue Gefilde an.
(Wer der englischen Sprache mächtig ist, dem wird dieser Clip zu unserem Apriltrip sicher gefallen!)
Die verdiente Ernte
Nachdem wir zwei weitere, tief in die Berge eingebettete, Stauseen angeschaut und einen davon zwei Nächte lang befischt hatten, zogen wir erneut weiter – noch immer ohne Fisch. Das vierte Ziel erreichten wir just zur rechten Zeit, denn gerade zog eine Wetterfront mit Winden um die 65km/h, Regen, einem Gewitter und damit verbundenem, steigendem Flusspegel, auf. Nach einem Blank in der ersten Nacht richteten wir uns nach einigen Fischsichtungen neu ein und ernteten in den folgenden beiden Nächten die Lorbeeren dafür. Wir fingen ein paar 20kg+ Fische und über ein Dutzend zwischen 15 und 18kg, unter den Schuppern ein paar wunderschön gezeichnete Spiegler. Ein paar Tage, die noch lange im Gedächtnis bleiben werden.
Mindset
Im April stand die nächste Tour an, doch Arbeitsverpflichtungen kürzten diese erheblich ab und am Ende blieben uns nur vier Nächte und drei Tage Zeit. Statt weiter in Richtung Süden zu reisen, fischten wir zentraler, um so die 12-stündige Fahrt zu umgehen und erkundeten einige neue Stauseen. Nachdem wir die erste Nacht mit dem Erkunden des Wasser vom Boot und dem Abklopfen des Bereichs nach Features verbracht hatten, fanden wir schließlich zwei große Krater, die mittig tief in den Schlamm gegraben waren, sowie den Teil einer alten Straße, markierten und befütterten beides. Beide Areale brachten große Fische für uns und wir fingen drei Fische von 18kg und zwei über 20kg. Im Laufe der ersten Nacht trafen wir auch einen deutschen Angler: Achim, aka „der Picknicker“. Er war eigentlich auf dem Weg woanders hin, sah jedoch das englische Nummernschild und hielt an, um hallo zu sagen. Wir verbrachten Stunden damit, zu plaudern, zu trinken und Geschichten auszutauschen. So wurde der Spirit des „Public Fishing“ wieder offen- und spürbar: Menschen mit dem gleichen Mindset, die einfach nur die Liebe zu dem verbindet, was sie tun.
Nullnummer in Sachen Fisch
Unser Trip im späten Mai wurde hart, denn er fiel auf die erste Hitzeperiode und die Karpfen waren überall am Laichen. Zwar sprachen wir mit Freunden in ganz Europa, doch das Ergebnis war überall dasselbe. Ich wollte noch nie auf Karpfen während oder kurz nach der Laichzeit angeln, also blieben wir weiter oben im Norden, verbrachten ein paar Nächte an einem belgischen Kanal und gingen dann weiter nach Norddeutschland, um so der Hitze zu entkommen. Doch selbst dort waren die Fische am laichen und so entpuppte sich der lange 1000-Meilen-Ritt als eine Nullnummer – abgesehen von ein paar schönen Sonnenuntergängen. Die letzten drei Nächte an einem Kanal in Holland und an einem weiteren großen Kanal in Belgien bescherten uns lediglich einen kleineren Spiegelkarpfen.
Kein Bock auf Braten
Der Trip im Sommer war – jedoch im Sinne großer Fische – wesentlich erfolgreicher, denn wir fingen einige wunderschöne und dunkle Spiegler aus einem Kanalstück in Belgien. Es handelte sich um reines Hindernisangeln mit Hinged Stiffrigs mit Krill Popups, die wir so nahe wie irgend möglich an das dichte Holz des anderen Ufers warfen. Auf diese Weise fischten wir drei Nächte, bis zum Beginn der sommerlichen Hitzewelle, während derer in Belgien der Allzeit-Hitzerekord von fast 40 Grad Celsius erreicht wurde und kürzten unseren Trip um einige Tage ab, um so die größte Hitze zu umgehen. So gingen wir am Morgen des ersten richtig heißen Tages, denn der Gedanke, an einem Kanal ohne jeglichen Schatten, lebend unter einem Brolly gebraten zu werden, fühlte sich nicht wirklich prickelnd an.
Taktiken, Rigs, heftige Fische: kleine Vorschau
Dies alles, zusammen mit dem Angeln in England, einigen Filmarbeiten und geführten Touren über die letzten Wochen, die Fische bis knapp unter 50 Pfund gebracht haben, bringt mich wieder in die Gegenwart und unseren Herbsttrip in der letzten Woche. Aber diesen hebe ich mir für den nächsten Bericht auf, ebenso wie einen tieferen Einblick in die Taktiken, Rigs und jede Menge Fänge. Bis dahin werde ich auch die letzte große Tour des Jahres gemacht haben, die uns auf der Suche nach einigen gewichtigen Herbstschönheiten für zehn bis zwölf Nächte in den Süden zurückbringen wird.
Bis zum nächsten Mal, Euch allen viel Glück,
Gaz