In seinem neuen Text erzählt euch Chris von einer ganz besonderen Session, die er mit seinem Kumpel Karl an einem extrem verkrauteten See erleben durfte. „Anders als die Anderen“, hieß die Devise, denn kleine Schupper hatten sie hier schon zur Genüge gefangen. Diesmal sollte es krachen! Zwischendurch fasst Chris seine angewandte Taktik für euch zusammen. Nachahmen erlaubt!
Vor nicht allzu langer Zeit verabredeten mein Kumpel Karl und ich uns zu unserem alljährlichen Trip an einem kleinen, ganz besonderen See. Das circa einen Hektar große Gewässer beheimatet einige ganz besondere Fische, welche jedoch nicht einfach zu fangen sind. Viel Kraut und sehr hoher Angeldruck, machen es dort zu einer schwierigen Aufgabe, einen oder besser mehrere Fische zu fangen. Wir waren schon einmal im Sommer dort, als wir jedoch nur viele kleine Schuppis fangen konnten. Obwohl ohne Aussicht auf einen der alten, großen Urfische, wussten wir jedoch, dass diese hier schwimmen. Gesehen hatten wir sie auf Bildern. Nun, diesmal sollte alles wegen vieler kleinen Änderungen ganz anders laufen!
„Angeln im Kraut“ allgemein
Tipp: Kraut bietet Schutz und Nahrung. Besondere Bedeutung erhält der erste Punkt an stark befischten Gewässern, denn selbst kleine Distanzen zum Komfortbereich der Fische entscheiden oft über Biss oder Nullnummer. Oft fängt man so auch zu Zeiten, wenn die anderen Angler gar nicht erst mit Bissen rechnen.
Am See angekommen, freuten wir uns, keine anderen Angler zu sehen. Sicher waren wir uns jedoch, dass noch welche kommen würden. Nicht unüblich, waren hier sogar unter der Woche zwei weitere Camps die Regel. Diesmal wollten wir uns eine sehr zentrale Stelle des Sees sichern.
Ihr denkt jetzt sicher: „Was soll das an einem so kleinen See für eine Rolle spielen?“. Nun, das Problem besteht darin, dass der See aussieht wie ein Feld. Überall ist dichtes Kraut, teilweise über mehrere Lagen bis an die Oberfläche. Dort vier freie Spots zu finden ist keine einfache Aufgabe. Dazu kommt, dass man die anderen Angler respektieren muss, was bedeutet, dass man seine Schnüre nicht durch den ganzen See spannen sollte. Glücklicherweise ist hier ein Boot zum Ablegen der Ruten und zum Drillen der Fische erlaubt. Ohne dieses wäre eine effektive Angelei praktisch unmöglich. Die hier ganz besonderen Fische locken natürlich auch viele Angler an, welche oftmals lange auf einen Biss warten müssen oder falsch fischen und ihre Beute im dichten Kraut des Sees verlieren.
Schon auf der Fahrt hatten wir uns über die Taktik Gedanken gemacht, welche wir dieses Mal auffahren wollten, um einen DER Fische des Sees zu fangen. Denn wie man überhaupt einen fangen kann, hatten wir ja schon letztes Mal heraus gefunden. Einfach auf einer der großen freien Flächen fischen, wie es die anderen Angler tun. Eine gute Kelle Partikel und Boilies drauf und warten. Das klingt ja schon auf im Textformat nicht nach der richten Taktik, einen der Schätze des Sees zu heben. Diesmal entschieden wir uns also dazu, einfach mal so weit wie möglich anders als die anderen Angler zu fischen. Da wir zunächst noch die freie Platzwahl hatten, bauten wir rasch auf der gegenüberliegenden Uferseite des zentralen Platzes auf, machten das Boot bereit, schnappten uns ein paar Bambusstangen, schlüpften in die Badehosen und gingen auf Spotsuche.
Direkt vor uns lag der am dichtesten verkrautete Seeteil. Ich mich am Boot festhaltend und bis zum Hals im Wasser, ließ mich von Karl im Boot an verschiedene mögliche Spots manövrieren. Mit den Füßen ertastete ich den Boden und so fanden wir rasch zwei, mit sauberem Kies beschaffene Spots. Diese waren kaum größer als ein Essteller und wir waren uns sicher, genau das waren sie vor kurzer Zeit für einen dicken Karpfen. Direkt steckten wir dort unsere Bambusstangen. So hatten wir also schon einmal zwei Ruten auf Hotspots. Und nun? Noch zwei weitere Spots, welche uns dieses Gänsehautgefühl brachten. Was lag also näher, als sich selbst so einen Spot zu machen?!
Am eigenen Ufer entlang gefahren, sprang ich in das hüfttiefe Wasser, nur um direkt bis an die Schienbeine in Kraut und Schlamm zu versinken. Selbst direkt vor dem Schilf gab es nichts, wo man eine Rute hätte platzieren können. Und genau das wollten wir uns zunutze machen. Hier konnten die Fische immer ungefährdet von scharfen Haken fressen, denn keine Angler würden hier ablegen. Einige Minuten später hatte ich mit meinen Füßen das komplette Kraut und den Schlamm auf einem Quadratmeter entfernt und zur Seite geschoben. Unter dieser Schicht verbarg sich freier, kiesiger Boden. Perfekt, um eine Montage zu positionieren. Auch diesen Spot markierten wir mit einem Bambusstab. Dasselbe Spiel wiederholten wir auch noch an einer anderen Stelle und schon hatten wir alle vier Spots für die Ruten zusammen.
Stellen suchen, schaffen und markieren. Hier meine Übersicht
Tipp: Achtet auf die Art des Krauts. Am häufigsten kommen bei uns das zarte/raue Hornblatt sowie das Tausendblatt vor. Letzteres wächst dichter und bis in größere Tiefen. Eine Polbrille oder ein Aquaskop bieten tiefe Einblicke: Suche nach wirklich sauberen Spots ohne Sediment. Das Ablegen und Drillen vom Boot ist ungemein wichtig und alles andere ist nicht empfehlenswert!
Sollte das Wasser zu trüb oder tief sein, hilft ein Tauchgang. Nicht jedermanns Sache, aber ein unvergleichlicher Einblick in die Welt unserer Zielfische. Wichtigstes Hilfsmittel zum Erspüren – oder Erschaffen – von sauberen Spots sind unsere Füße. Schafft oder findet man solche kleinen (!) Spots dort, wo die Fische sich wohlfühlen und (normalerweise) ungefährdet fressen, kann man wahr Sternstunden erleben. Den Spot markiere ich günstig, verhedderungsfrei und für Fisch sowie andere Angler unauffällig mit einer Bambusstange. Diese kann zwischen zwei Ansitzen auch mal im Wasser verbleiben.
In der Zwischenzeit waren noch zwei weitere Angler an den See gekommen. Diese saßen direkt an den Hauptstellen an der leicht mit dem Auto zu erreichenden Seeseite. Wir sahen, dass sie mit der gleichen Taktik wie alle anderen fischten. Schelmisch grinsten wir uns an, da wir wussten: Diesmal werden die beiden jungen Burschen ordentlich was raus schrauben. „Da Geht was“, wie Christopher hier sagen würde!
Fix waren die Ruten montiert, sehr kurze stabile Rigs mit dickem Vorfachmaterial. Zwei mit kleinen PopUps und zwei mit sehr kleinen Schneemännern am Safety Clip. Hierbei sollen das Blei oder der Stein beim Biss direkt verloren gehen. Das ist essentiell um die Fische landen zu können.
Also mal so ganz anders als die Anderen. Diese fischen oftmals dicke Pakete aus 30er Bodenköder mit 24er Popup Kombination. Darauf einige Hände der gleichen duftenden Golfbälle und schon geht das Warten los. Und was taten wir? Das genaue Gegenteil! Kleine Köder auf kleinen Spots mit einer kleinen Menge Futter. Klein aber fein.
Meine Infos zum Thema Hardware und Bait
Tipp: Benutzt stabiles Material, kein Blei dieser Welt ist ein Fischleben wert, also MUSS es ausklinken. Verwendet alternativ einen Stein und beides für leichtes Aushängen auf alle Fälle mit einem Safety Clip. Eine Geflochtene Hauptschnur muss nicht die Welt kosten und zeigt dennoch die Bisse zuverlässig an. Ans Ende kommt eine dicke monofile Schlagschnur von 0.60, bzw 0.65mm, an der ihr den Fisch vom Boot aus mit der Hand (ja, richtig gelesen) ausdrillen könnt, denn: gefühlvoll einen Karpfen aus dem Kraut pellen geht so besser als mit der Rute. Bei letzterer gibt es Für und Wider. 9ft/10ft-Varianten bieten besseres Handling im Boot, während längere Modelle dabei helfen, beim Ablegen die Schnur besser überm Kraut zu halten.
Hanger/Swinger und Bissanzeiger müssen sensibel einstellbar sein und die Rolle geschlossen, damit der Fisch sich beim Biss nicht tief ins Kraut eingraben kann. Rigs von gerade einmal 7 – 9cm Länge aus robustem 35lbs-Material mit extrem scharfen Haken und Pop Up funktionieren gut. Ein Pop Up bietet die Chance auf einen schnellen Biss, kann aber auch lange liegen bleiben und so noch als Single Hookbait fungieren. Das Beifutter sollte so zielgenau wie möglich landen, im Zweifelsfall lieber ein bis zwei Hände mehr füttern. Die verwendete Ködergröße richtet sich nach dem Fischbestand. Bei vielen kleinen Fischen bieten größere Baits die Sicherheit, dass sich kein Halbstarker den Köder schnappt und sich unbemerkt mit der Montage ins Kraut schraubt.
Der erste Abend und die Nacht vergingen schnell und still. Keiner am See hatte einen Fisch gefangen, auch wir nicht. Es war dann etwa halb 8 am Morgen, als sich der Bissanzeiger der Rute meldete, die ich auf dem besonders kleinen und sauberen Kiesfleck mitten im Dickicht platziert hatte. Direkt an der Rute und wenig später im Boot, fuhren wir dem Fisch an schlaffer Leine entgegen. Am Spot angekommen, begann der Drill. Dieser sieht wie folgt aus: Karl mit der Rute und den Rudern in der Hand, ich in einer Hand die Schnur, vorsichtig ziehend und mit der anderen sorgfältig die Schnur aus dem Kraut befreien. Dies ist mit meiner 0.65er Schlagschnur übrigens einfach und ungefährlich. Als der Fisch dann nahe der Oberfläche war, zog ich diesen langsam über den Rand des Keschers, welchen Karl schon im Wasser bereit hatte. Eine Explosion, der Fisch war im Kescher. Und was für einer! Als wir in den Kescher sahen, hatten wir direkt dieses Gefühl wie auch damals am Orient. Eine echte Perle des Sees und einer der urigsten Fische, die ich je gesehen habe. Typisch….mit Karl geht uns immer ein Prachtfisch ins Netz.
Cut a long story short: Nach unseren zwei Nächten hatten wir sage und schreibe neun Fische, wobei kein einziger kleiner Schuppi dabei war. Alle hatten wir am Tage gefangen, teilweise mittags bei 30 Grad und strahlender Sonne. Einige echt tolle Fischen konnten wir uns gegenseitig ablichten. Die Teamarbeit war wieder einmal total aufgegangen. Auf Nachfrage bei den anderen Anglern, welche noch einige Tage länger bleiben wollten, hörten wir nur das bekannte Murren über nichts außer kleinen Schuppis und einen typischen Abriss; trotz Vorfütterns.
Naja, wer auch mit Mono bei diesem Kraut seine Ruten kreuz und quer legt so dass der Fisch beim Biss meterweise Schnur von der Rolle ziehen kann, ist selber schuld. Unnötig! Dies bestätigte unsere Annahmen, alles richtig gemacht zu haben, umso mehr. Wer hätte damit gerechnet, dass alles zu verkleinern genau der Weg zu den großen Fischen ist?! Wir hatten den richtigen Riecher gehabt. Kleine Spots, kleine Köder mit wenig Beifutter, auf Stellen, an denen wahrscheinlich noch nie eine Rute gelegen hatte. Genau das war genau das richtige Mittel.
Die kleinen Dinge sind es also oftmals, die eine große Wirkung haben. Vielleicht habe ich auch euch mit diesem kleinen Artikel zum großen Umdenken gebracht.
Tight Lines
Chris