Liebe Leser,
in meiner ersten Kolumne hatte ich angekündigt, dass ich an einen Flachlandstausee wolle. Leider hat dieser momentan wegen Bauarbeiten einen derart niedrigen Wasserstand, dass das Angeln derzeit verboten ist. Jetzt, Mitte August, an Fluss oder Kanal mit den Schnaken zu kämpfen, macht mich nicht gerade heiß. Deshalb habe ich beschlossen, in dieser Ausgabe ein wenig in Erinnerungen zu schwelgen und euch von einer Talsperre zu berichten, an der ich meine Angelei sehr viel weiterentwickelt und Vertrauen gefunden habe. Leider ist das Angeln dort mittlerweile nicht mehr das, was es einmal war, denn aufgrund einer Sanierung der Staumauer musste der komplette See entleert werden und viele der Fische wurden in andere Gewässer umgesetzt. Im Sommer 2019 konnte ich das letzte Mal – nach einer vorherigen Abwesenheit von drei Jahren – dort fischen. Mit dabei: mein Freund Jakob.
Der Anfang
Nach einem Tag Fliegenfischen am Fluss sah ich 2013 den See zum ersten Mal, denn wir machten einen kurzen Stopp am Parkplatz bei der Staumauer. Ich starrte aufs Wasser hinaus und konnte direkt einige – damals für mich große – Karpfen an der Oberfläche erkennen. In diesem Moment war es um mich geschehen, hier wollte ich unbedingt einmal auf Karpfen angeln. Dieses Gewässer hatte nichts gemeinsam mit den kleinen Baggerseen und dem Kanal, an denen ich zu diesem Zeitpunkt herumexperimentierte.
Damals war ich knapp 15 Jahre alt und ich stellte mir tausende von Fragen. Die Unsicherheit war groß, denn die meisten Leute, die ich befragte, was sie über die Talsperre wussten, kannten sie entweder nur als Forellengewässer oder vom Wandern. Der See liegt hoch in den Bergen und ist tatsächlich als ein Forellengewässer der „Ersten Kategorie“ deklariert – dennoch ist glücklicherweise das Angeln mit zwei Ruten erlaubt. In meiner Sammlung von Angelzeitschriften suchte ich alles über das Karpfenangeln an Talsperren zusammen, was ich finden konnte und anschließend überredete ich meinen Vater, dass er mich und einen Freund unbedingt für ein paar Tage dort absetzen müsse. Zum Ende des Sommers hin war es soweit und sogar ein kleines Schlauchboot hatten wir aufgetrieben. So ließ uns mein Vater unweit einer Stelle raus, an der ich mittels Google Maps eine alte, versunkene Straße gefunden hatte.
Der Plan sah so aus, dass ich eine Rute auf die Straße fischen wollte, die zweite am unteren Sockel der Straßenkante. Genau so zog ich es dann auch durch und in den ersten beiden Tagen fing ich mehrere fette Döbel, über die ich mich riesig freute. Am dritten Tag zogen Wolken auf – im Nachhinein betrachtet das perfekte Angelwetter. Ich erinnere mich noch genau, wie gegen Mittag die rechte Rute losfeuerte; alles andere also als ein Fallbiss, wie zuvor bei den Döbeln. Volle Karacho über die Steine ins Boot, drillte ich – zugegeben ohne viel Ahnung – meinen ersten Talsperrenkarpfen. Als dieser im Netz war, war die Freude riesig.
Noch am selben Abend gelang es mit, einen weiteren Fisch zu fangen. Und wenn ich mir das Bild heute so anschaue, muss ich sagen: Der Fisch war gar nicht mal so hässlich.
Ich erinnere mich noch genau an diese drei Tage am Stausee – damals entbrannte die Liebe für diese Perle.
Die Entwicklung
Nach der ersten Session wollte ich gefühlt nur noch an solchen Gewässern fischen und in den nächsten beiden Jahren war ich zu den unterschiedlichsten Zeiten dort. In jeder Session entwickelte sich auch meine Angelei weiter, für viele meiner anfänglichen Fragen fand ich über die Zeit hinweg eine Erklärung und Lösung. Natürlich wäre es zu weit ausgeholt, von allem zu berichten, aber ein paar Sachen möchte ich euch nicht vorenthalten. So blankte ich einmal drei Tage lang mit meinem guten Freund Tarik. Wir fischten vom Ausgang einer Bucht in diese hinein, am steilen Ufer ins tiefere Wasser. Nachts hörten wir Fische springen und die Verwunderung war groß, dass wir nichts abgreifen konnten. Am dritten Abend war ich mit dem Abwasch dran und als ich mit der Kopflampe ans Wasser lief, stieg ich ins Schlauchboot, um keine nassen Füße zu bekommen. Direkt vor dem Boot schreckte ich dann tatsächlich drei Karpfen auf, die beim Schein meiner Lampe türmten. Wir legten direkt zwei Ruten um, die uns bis zum nächsten Morgen drei Fische brachten – in weniger als einem Meter Wasser.
Vor dieser Erfahrung war für mich der ganze untere Seeteil bis zur Staumauer kein interessanter Bereich gewesen, denn es war dort tief, steil, es gab keine Plateaus oder ein altes Flussbett, mit dem der obere Bereich zu glänzen wusste. Aber nach diesem Ereignis war mir plötzlich klar, dass ich einfach entlang der steilen Ufer, an denen die Fische entlangziehen, meine Fallen stellen konnte. So schien auf einmal der gesamte See attraktiv zu sein und ich probierte immer mehr Stellen aus – mit großem Erfolg.
In den meisten meiner ersten Sessions fing ich erst nach dem zweiten oder gar dritten Tag Fische. Manchmal waren es wohl die Spots oder die Tiefe, die daran Schuld trugen, oft sicher auch die Zeit, die das Futter zur Entfaltung seiner Wirkung bedurfte. So entwickelte ich die Taktik, dass ich direkt nach meiner Ankunft immer mehrere Spots fütterte, die ich im Lauf der Woche abfischte. In Sachen Rig hat sich bei meiner Angelei in all der Zeit an der Talsperre nichts geändert. Noch immer nutze ich ein ganz einfaches Rig mit Snowman.
Zurück am Stausee
Im Sommer 2019 kam mich Jakob für ein paar Tage besuchen. Es war weit über 30 Grad warm und um der Hitze etwas zu entfliehen, fuhren wir hoch zur Talsperre. Oben angekommen, war alles voller Touristen und der Wasserstand war ziemlich niedrig. So entschieden wir uns für einen zentralen Platz, vor dessen Ufer zwei große Plateaus liegen, die in der Vergangenheit immer gute Fische gebracht hatten.
Komischerweise fand sich diesmal kein Kraut auf besagten Plateaus und sie wirkten wie tot. So zogen wir etwas weiter, um das steile Ufer am Ausgang einer großen Bucht zu befischen. Für die kommenden Tage fütterten wir bei dieser Gelegenheit noch einen anderen Platz vor; keine großen Mengen, nur ein paar Handvoll Boilies und Nüsse großflächig verteilt. Die Bedingungen insgesamt sahen eher schlechte aus. Auch hier oben herrschte warmes Wetter mit absolutem Hochdruck, eine Konstellation, die sich in der Vergangenheit als nicht gut erwiesen hatte. Trotzdem konnten wir in den Morgenstunden immerhin jeder einen coolen kleinen Fisch fangen. Der Tag und die zweite Nacht verliefen ruhig.
So movten wir für den letzten Tag und die letzte Nacht auf den etwas vorgefütterten Bereich, aber auch dort blieb es bis zum letzten Morgen ruhig. Erst dann konnte ich ein kleines Prachtstück fangen. Damals ahnte ich noch nicht, dass dies mein letzter Fisch aus der Talsperre sein würde – einen Monat später wurde sie abgelassen. In dieser letzten Session hatte ich zwar nicht viel dazugelernt, aber immerhin konnte ich eines feststellen:
Während dem Sichten der alten Bilder dem Schreiben dieser Zeilen sind viele Erinnerungen zurückgekehrt. Es war eine wunderschöne Zeit meines kleinen Anglerlebens. Und besonders bekam ich beim Schreiben Lust aufs Angeln. Es ist jetzt gerade Mitte August, das Wetter fühlt sich mit den frischen Temperaturen nach der Hitzewelle mehr als fängig an. Ich muss zugeben: Abgesehen von einigen wenigen Angelnächten am Kanal kam das Angeln viel zu kurz. Es ist an der Zeit, richtig durchzustarten. Ende August geht es für zehn Tage nach Holland zum Raubfischangeln – dann kommen die Karpfen dran. Ich habe mir vorgenommen, einen Fluss- und einen Kanalabschnitt, an denen ich früher aktiv war, etwas mit Futter vorzubereiten und im Herbst dort durchzustarten. Davon berichte ich hoffentlich im nächsten Beitrag.
Bis dahin!