Gespannt stand ich in der Hofeinfahrt unseres kleinen, schnuckligen Häuschens. Schon beim letzten Mal hatte mir Mario gesagt, dass er vorbeikommen wolle, was aber aus zeittechnischen Gründen leider nicht klappte. Jetzt, an diesem Mittag, sollte allerdings alles glatt über die Bühne gehen. Ich hatte mir drei Stunden früher Feierabend gegönnt. In der jetzigen Jahreszeit wird es früh dunkel und da ich keine Lust hatte diese eine Session mit meinem belgischen Freund im Dunkeln zu starten, wollten wir uns bereits gegen 15:00 Uhr bei mir zuhause treffen. Und tatsächlich, mit `ner viertel Stunde Verspätung tuckerte plötzlich der Dreambaits-Van von Mario um die Ecke, welcher mich mit seinem typisch breiten Grinsen begrüßte. Das tiefergelegte Auto kam in Mitten des Hofes zum Stillstand und zu meiner Freude, war der Bus voll mit neuen Klickern. Heckenkriecher und Puckies im Überfluss. Wir beeilten uns die Lieferung ins Lager zu räumen. Raus. Raus wollten wir und das ziemlich zügig.
Die Bedingungen, die uns an diesem Abend erwarteten, waren allerdings alles andere als „carpy“. Der Luftdruck war in die Höhe geschossen, von Wind keine Spur und auch die Außentemperaturen waren recht knackig geworden. Dennoch schlummerte etwas Zuversicht in uns. Das Gewässer, das wir befischen wollten, kannte ich schon Jahre. Vorbereitet hatte ich allerdings keine Stellen. Ich wollte Mario die Entscheidung überlassen, wo wir uns niederlassen wollen und dann „instant“ unser Glück versuchen. Nachdem ich Mario eingewiesen hatte, ihm die Gewässerstrukturen zusammengefasst hatte entschieden wir uns für einen recht zentral gelegenen Spot. Aufgrund des hohen Luftdrucks wollte Mario seine Rute eher flach mit wenig Futter ablegen, während ich zumindest eine meiner Ruten mit recht viel Futter in tieferen Gefilden anbieten wollte. Meine zweite Rute platzierte ich auf der Kante eines sehr flachen Plateaus in Seemitte. Auch hier verteilte ich gut ein Kilo Boilies. Sollte Mario Recht behalten, würde ich meine Ruten switchen und auch etwas flacher platzieren. Vorerst fixierte ich mich aber auf die tieferen Regionen.
Pünktlich zum Sonnenuntergang waren wir mit dem Ausbringen der Ruten fertig und widmeten uns dem gemütlichen Teil der Session. Wir sprachen über Gott und die Welt, über diese Coronascheiße, über unsere Ziele und Wünsche. Es ist schon erstaunlich, wie viele Parallelen man mit manchen Menschen gemeinsam hat. Wie sich Denkweisen und auch anglerische Ansätze decken…
Die Zeit verging, wie im Fluge und ehe wir uns versahen, war es auch schon 23:00 Uhr. Beißzeit! Erfahrungsgemäß würde es gegen 24:00 Uhr losgehen. Ein typisch nachtaktives Gewässer, auch wenn man manchmal eines Besseren belehrt wird, wie sich beim letzten Videodreh mit Julian Jurkewitz herausstellte. Siegessicher steuerte ich mit Julian einige Wochen zuvor das gleiche Gewässer an und bekam so richtig eins auf die Schnauze. So ist es eben manchmal, das Karpfenangeln.
Für die heutige Nacht erhoffte ich mir allerdings mehr und da Petrus ein guter Mann ist, sollte mein Wunsch „Fisch“ zu fangen tatsächlich kurz vor der gewohnten Beißzeit in Erfüllung gehen! Typischer Weise ratterte mein Bissanzeiger genau in dem Moment los, als wir es uns auf unserer Liege gemütlich gemacht hatten. Es war die Rute in der Seemitte, an der steil abfallenden Kante, die mir einen kleinen, aber feinen Spiegler bescherte. Nahezu im gleichen Moment, als sich die Maschen meines Keschers um diesen kleinen Spiegler schlossen, feuerte auch meine andere Rute los. Trotz des vielen Futters jetzt schon einen Biss? Crazy, das konnte ja heiter werden. Da wir uns dazu entschieden hatte, abwechselnd zu drillen, war nun Mario an der Reihe. Es tut immer gut, wenn der „Gast“ auch auf seinen Kosten kommt und wenn das nach gerade mal ein paar Stunden Angeln schon der Fall ist – umso besser!
Auch Marios Fisch entpuppte sich als kleiner, hübscher Spiegelkarpfen, die wir auch beide direkt im Anschluss fotografierten. Der Einstand war gemacht, die tiefen Plätze liefen schonmal – herrlich!
Im Handumdrehen hatte ich die Ruten wieder auf den Spots abgelegt und wieder eine ordentliche Portion Futter nachserviert. Sie schienen am Fressen zu sein und wer Hunger hat, sollte gefüttert werden! Im Vergleich zu Beginn unserer „One-night-session“ hatte ich recht zentral gefüttert, jetzt streute ich meine Baits etwas weiter. Wenn so schnell Fische auf meinen kleinen Spot aufmerksam wurden, waren in diesem Areal noch mehr Fische und genau die wollte ich auf Trab halten…
Es dauerte auch nicht lange, ehe sich die nächste Rute in Bewegung setzte. Wie zuvor kam der erste Biss wieder auf die Rute in der Seemitte – gefolgt von der Rute im Tiefen. Echt crazy und mittlerweile glasklar, dass die Fische hingegen aller „Luftdruckregeln“ doch die tieferen Regionen aufsuchten. Die beiden Fische, wieder Spiegler, waren schon eine Nummer größer und ließen uns auf mehr hoffen. Um das Ganze etwas abzukürzen: Wir machten in dieser Nacht kein Auge zu. Ein Fisch nach dem anderen ließ die Bissanzeiger heulen – ausnahmslos nur meine, tiefer liegenden Ruten.
Gegen Morgengrauen überließ ich Mario die Kante in der Seemitte. Die flachen Stellen waren mehr als tot. Was lag also näher, als jeden der zwei laufenden Plätze mit je zwei Ruten zu befischen. Die Nacht über waren bereits 11 Fische abgelaufen – instant – total verrückt! Meinen Spot im Tiefen fütterte ich weiterhin sehr gestreut, platzierte eine meiner Ruten aber etwas abseits in noch tieferem Wasser. Die Fische die wir bisher gefangen hatten, waren ausnahmslos kleinere Fische. Geil, aber definitiv nicht das, was wir uns insgeheim erhofft hatten, gerade bei so vielen Bissen wie wir sie die Nacht über erlebt hatten. Mario übernahm wie gesagt die Kante in der Seemitte. Strahlend blauer Himmel versüßte uns den Morgen. Die Sonne gab` noch einmal Alles und machte diesen Morgen nahezu perfekt. Wir tranken Kaffee, ließen das Geschehen der Nacht noch einmal Revue passieren und waren beide definitiv KO...
Als sich der nächste Biss auf meiner abseits platzierten Rute mit drei einzelnen Piepsern ankündigte, sagte Mario: „Das ist der größte Fisch unserer Session!“, und tatsächlich stand der Gute da unten – im Gegensatz zu den Fischen zuvor – sehr ruhig und schwer in der Rute. Auch ich war mir sicher, dass endlich einer der Großen am Band hängen würde und nach einigen Minuten Bangen schlossen sich auch schon die Maschen um diesen hellen, riesigen Fisch. Einer der Topfische hatte sich das kleine Schneemännchen auf schlammigem Boden gegönnt. Ich war mega happy und auch wenn ich es schade fand`, dass Mario diesen Fisch nicht fangen konnte, spürte ich, dass sich Mario tierisch mit mir freute. Fern von Neid und Missgunst – selten in jener Zeit – und als ob das nicht schon ein mega Abschluss gewesen wäre, fand sich ein paar Minuten später auch für Mario noch ein fetter Schuppi auf dem tiefen Spot ein und verpasste unserer Session den krönenden Abschluss. Dass das nicht die letzte Session mit meinem belgischen Freund war, ist gewiss. 2022 steht mein erster Belgier auf dem Plan und mit Mario an meiner Seite wird das sicher machbar sein…
Euch allen da draußen tolle Momente in dieser eher tristen Jahreszeit,
Chris Ackermann