#BILDSPRACHE - Geschichten in Bildern von Christopher Paschmanns: Das Gefühl erschaffen
Fotografie ist persönlich, künstlerisch, Selbstverwirklichung. Sie ist mir wichtig – fast so wichtig wie gutes Angeln. Mit meinen Bildern erzähle ich Geschichten, zeige, wofür ich stehe und erschaffe Gefühle. Dieser Beitrag steht als Beispiel.
Das Gewicht des Besonderen
„Die Größe des Fisches bedeutet gar nichts!“ sagte kürzlich mein Kumpel Andreas Hetzmannseder von den River Rats zu mir. Und er meint es so, wie er es sagt. Für ihn zählen die Umstände des Fangs, das Aussehen des Fisches, der Vibe des Gewässers. Und in vielem stimme ich mit ihm überein.
Doch ich will niemandem etwas vormachen: Für mich bedeutet die Chance auf einen besonders großen Fisch den „Kick“, den ich brauche, um die Motivation aufzubringen, die es eben erfordert, ihn auch zu fangen. Doch dabei ist Größe relativ! Während man sich über einen 25-Kilo-Karpfen aus dem Rainbow Lake nicht mal mehr unterhält, ist ein so großer Fisch aus meiner Region eine regelrechte Szenenews!
Er ist selten, also: besonders! Ich habe schon vor Jahren aufgehört, einfach nur auf Karpfen zu angeln. Nein, ich bin auf der Suche nach den besonderen Fischen. Ich muss keine Rekorde brechen, jährlich einen neuen PB heben oder mithalten. Doch ich suche nach solchen Karpfen, in deren Aussehen ich mich verknallt habe, die vielleicht lange nicht gefangen wurden, in Gewässern leben, an denen ich mich schlichtweg wohl fühle.
Dabei gilt: Je spektakuläre in Art und Aussehen der Fisch ist, desto größer kann meine Motivation werden. Nicht: Je größer, desto besser. Ich denke, dass sich viele mit genau dieser Haltung identifizieren können.
Jeder ist anders
Ich will hier niemandem etwas vormachen, einen Freudentanz veranstalte ich für einen „gewöhnlichen“ 20pfünder nicht. Doch die Fotografie hat mir über all die Jahre und viele hundert gefangenen Karpfen dabei geholfen, auch solche Fische, die eben nicht durch ihre massige Erscheinung oder eine perfekte Zeile beeindrucken, noch immer wertzuschätzen!
Jeder Karpfen – das macht diese Spezies ja so besonders – hat ein anderes Aussehen, ist auf seine Art markant. Es sind die Details, die ihm den unverkennbaren Fingerabdruck verpassen, die Schuppenkonstellationen, die Flossenstrahlen, seine Körperfarbe, die Narben, die er trägt.
Wer es versteht, diese Details, die einen Fisch wirklich auszeichnen, in guten Fotos festzuhalten, der bannt sie auch auf Bilder im Kopf. Der gibt dem Moment das Gewicht, das er verdient, statt nur den Fisch anhand einer Ziffer auf der Waage zu bewerten. Und es sind oft genug genau solche Bilder, die das Besondere eines Fisches festhalten, die mich in ihren Bann ziehen.
Selbstausdruck
Über die Art und Weise, wie ich meinen Fang präsentiere und welche Fänge ich zeige, stelle ich mich in der Öffentlichkeit auch als Mensch dar. Ich zeige, was mir wichtig ist, auf was ich – beim Fotografieren im wahrsten Sinne des Wortes – meinen Fokus lege. Ich kann verdeutlichen, dass ich kein Trophäenjäger bin, sondern ein Angler, der das Leben am Wasser in all seinen Facetten liebt.
Auch weil ich mir dieser Verantwortung für unsere Leidenschaft und die Außenwirkung, die wir damit erzielen, bewusst geworden bin, fotografiere ich viel mehr als bloß Fische. Ich möchte ein breites Bild einer jeden Session zeichnen, die Stimmung, das Wetter, die taktischen und technischen Schritte zum Erfolg in Bildern festhalten, diese teilen und so andere daran teilhaben lassen.
Vor vielen Jahren fotografierte ich vor allem meine Fänge, hin und wieder mal ein Set Up oder einen Sonnenuntergang. Doch wenn ich die Fotoordner meiner vergangenen Angeljahre so durchschaue, dann erweckt jeder einzelne vor meinem inneren Auge die jeweilige Session wieder zum Leben.
Die Bilder, mit denen ich diese Kolumne hier garniert habe, lassen mich die Wärme dieser Maitage spüren. Ich rieche den Duft der Mischung aus fischigen und fruchtigen Boilies, die ich fütterte. Schmecke den starken Kaffee am Morgen bei einem guten Frühstück mit noch besseren Gesprächen mit meinem lieben Freund Chris Keßler. Ich kann den rauen Laichausschlag der urigen Milchner unter den Fingern spüren und weiß noch, wie wir um ein Haar einem unfassbaren Unwetter entkamen, das nur wenige Kilometer entfernt erheblichen Schaden verursachte.
Wenn ich mir diese Bilder so ansehe, dann stellt sich ein wohliges Gefühl ein – von Freundschaft, Leichtigkeit und Erfolg. Eines, das mir ein reines Fischfoto in der Fülle nicht vermitteln könnte.