Alex Zille steht vor einem Rätsel: Die Fische springen und rollen auf seinem gut vorbereiteten Futterplatz, doch seine Hakenköder bleiben gänzlich unberührt. Im zweiten und letzten Teil seines Artikels zur Futterkampagne erfahrt ihr, wie sich das Blatt noch zum Guten gewendet hat und welche Rückschlüsse Zille aus seiner Herbstkampagne zieht …
Ich war in dieser Nacht kurz davor wahnsinnig zu werden. Es sprangen etliche Karpfen in meinem Areal und auf der gefütterten Stelle. Nachdem ich die halbe Nacht wach lag und hörte wie sich die Fische an der Oberfläche rollten, bekam ich dann im Morgengrauen endlich den ersten Take. Warum das so lange gedauert hat, obwohl ich nur ein Kilo gefüttert habe, kann ich nicht genau erklären. Im Grunde war mir das in dem Moment ehrlich gesagt ziemlich egal, denn der erste Fisch in meiner Kampagne war ein alter Bekannter und richtig guter Spiegler mit über 20 Kilo. Das ging ja gut los, ich war sehr zufrieden! Doch was dann an dem Vormittag noch passierte, war mehr als zufriedenstellend. Bis 12 Uhr vormittags konnte ich noch vier weitere Karpfen fangen, ein weiterer 30er und drei kleinere. Als der Spuk sich dann langsam legte, habe ich nochmal ca. 2 Kilo Boilies gefüttert, doch merkwürdiger weise passierte in den nächsten 24 Stunden original nichts mehr! Zum Ende der Session zeigten sich dann plötzlich wieder Fische auf dem Platz und ich legte noch mal etwas nach, damit die Jungs beschäftigt sind, bis zur nächsten Session.
Drei Tage später war es dann wieder soweit und ich hatte Zeit, eine Nacht zwischen der Arbeit zu angeln. Dass diese Nacht eine der Top Nächte werden sollte, ahnte ich ehrlich gesagt nicht wirklich. Kurz nach dem Aufbauen bekam ich sofort, ohne gefüttert zu haben, einen Run und fing den nächsten Fisch mit über 20 Kilo. Gerade Feierabend und schon einen 20+ im Netz, so macht Herbstangeln Spaß! In dieser Nacht fing ich noch vier weitere Karpfen mit einem Schnitt von 18 Kilo. Ausnahmezustand – denn so gut läuft es nun wirklich nicht oft. Leicht gerädert fand ich mich dann am nächsten Vormittag im Büro wieder. Das Grinsen war allerdings so breit, dass die Müdigkeit schnell vergessen war. Das beste Gefühl überhaupt. Es ist immer extrem befriedigend, wenn es gut beißt und man weiß, dass die Stelle läuft.
Die nächste Session fand dann einen Tag später statt. Wieder bekam ich kurz nach dem Aufbauen einen Run ohne an dem Tag etwas gefüttert zu haben. Leider waren die großen Fische nicht mehr auf dem Platz und so fing ich in den nächsten beiden Sessions 5 Karpfen um die 10 Kilo. Nummer 6 kam wie aus dem Nichts kurz nach dem dunkel werden und hat gekämpft wie ein wilder Stier! Nach guten 20 Minuten drillen auf Biegen und Brechen war es dann soweit, ein wunderschöner hoher vierziger Two-Tone lag vor mir im Kescher. Ich konnte mein Glück kaum fassen, was für eine Aktion Ende November, bei mittlerweile nur noch 7.5 Grad Wasser. Die Serie reißt nicht ab! Dank der immer milderen Herbste und Temperaturen, nahm die ganze Sache seinen Lauf und es wurde nicht schlechter. Die Bissfrequenz, sowie die Gewichte der Karpfen blieben konstant und ich angelte mich weiter fröhlich durch den guten und gemischten Bestand des Baggersees.
Anfang Dezember fing ich dann plötzlich sogar zwei oder drei Karpfen um die 5 Kilo, so kleine Fische hatte ich dort selten gefangen. Ich hatte das Gefühl, als wäre der gesamte Bestand gesammelt in meinem Areal und würde fröhlich immer wieder auf meinem Platz ein paar Baits picken kommen. Oder findet ihr es normal, Anfang Dezember in einer Session von unter 24 Stunden 5-6 Karpfen zu fangen, zwischen 5-20 Kilo? Ich jedenfalls nicht. Ich hatte das Gefühl gerade wirklich alles richtig zu machen und war richtig on fire. Denn so langsam lief mir die Zeit davon und es gab noch so den einen oder anderen Biggie auf meiner Wunschliste. Ich hatte die Wetter-App, sowie die Wassertemperatur natürlich ständig im Auge und obwohl es so gut lief, kam nach und nach eine innere Nervosität auf. Wie wird es sich wohl verhalten wenn das Wetter in den nächsten Tagen kippt und die Wassertemperatur auf 5 Grad oder weniger runterkühlt? Fragen über Fragen, die sich in meinem Kopf breit machten. Zum Glück stand die nächste Session kurzfristig wieder an und wie sollte es auch anders sein, ich eröffnete die Session nach wenigen Minuten mit einem weiteren Spiegler über 20 Kilo – Single Hook! Als wäre das nicht schon genug, feuert kurze Zeit später die nächste Rute los und ich schlitze vor dem Kescher den einzigen Fisch der Kampagne. Und ja, ich habe ihn gesehen und glaube, dass dieser der größte gewesen wäre. Schwamm drüber - weg ist weg. Neues Rig drauf und ab dafür. Ich fing in dieser Session noch drei weitere Karpfen bis 14 Kilo. Legte Futter nach und fuhr zufrieden nach Hause.
Kälteeinbruch
Es muss so um den 10. Dezember gewesen sein, als die angenehmen 10 Grad+ verschwanden und in ekelhaften Schneeregen und Temperaturen um den Gefrierpunkt wechselten. Ich wollte ab diesem Zeitpunkt die Futtermenge natürlich auch wieder runterfahren und hatte die Wassertemperatur gemessen. Diese fiel binnen drei Tagen von knapp 7,5 auf 5.2. (Oberfläche bis 10 Meter Tiefe fast identisch gemischt durch den Wind). Solche extremen Temperatureinstürze wirken sich oft sehr stark auf das Gemüt unserer wechselwarmen Freunde aus. Bedingt durch die letzten Sessions, in denen es so überragend lief, versuchte ich ruhig zu bleiben und war zuversichtlich, dass ich weiter fangen würde. Einer pro Session würde ja schon ausreichen. Leider habe ich mich getäuscht und ging die nächste Session leer aus. Leicht frustriert packte ich meine Sachen und musste die erste Blanknacht nach Wochen wohl einfach hinnehmen. „Life goes on“ – dachte ich mir und war zwei Tage später erneut am Gewässer. 48 Stunden Zeit und ein guter Kumpel war zum Chillen mit von der Partie. Großes Zelt, Heizung, was will man mehr!? Vorsichtig etwas nachgefüttert und die erste Nacht konnte kommen. Leider schwiegen meine Sirens auch in dieser Nacht. Am nächsten Morgen dann ein Lichtblick: ein Karpfen rollte sich auf meinem Platz, kurz danach noch einer – endlich! Zu meiner Verwunderung blieb es weiter ruhig und erst Sonntagmorgen, als es gerade hell wurde, bekam ich wieder einen Run. Ein wunderschöner praller Schuppenkarpfen mit knapp unter 20 Kilo glitt in meine eisigen Keschermaschen. Zufriedenheit machte sich breit, sie sind also doch noch da!
Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht ahnte, dieser Karpfen war der letzte 2020 für mich. Denn nach dem 16.12. blankte ich sechs stolze Nächte durch! Ich war am 19. & 25.12. jeweils noch mal für eine schnelle Nacht dort und hatte mit meinen Freunden vom 26. - 30.12. eine dicke Weihnachtsabschluss Session geplant. In dieser stand das Fangen „zum Glück“ nicht im Vordergrund und wir machten uns noch ein paar schöne Tage, in denen nichts mehr beißen wollte. Auch weiter draußen, hinter meinem Futterplatz, ging nix mehr. Mein Areal war wie tot. Doch wie kann das sein? Solch ein Abriss? Noch viel interessanter finde ich, dass zwei meiner Freunde sogar fingen, und zwar instant. Mein Kumpel Martin machte gleich am ersten Abend den Anfang und fing einen Fisch in einer ganz anderen Ecke des Gewässers auf 3 (!!) Metern Tiefe, verrückt oder? In der letzten Nacht hatte Fabian noch die Ehre und fing zum Abschluss den 20+, der bei mir der erste Fisch der Kampagne war. Circa 70 Meter links von meinem Futterplatz auf 7 Metern. Ich freute mich natürlich für meine Freunde, da solche Fänge um diese Jahreszeit wirklich nicht selbstverständlich sind. Dennoch suchte ich nach Erklärungen und mir sind 2 Dinge aufgefallen die für das „Versagen“ meiner Stelle sprechen.
1. Ich bin der Meinung, dass ein Futterplatz, der nur bei dem Angeln befüttert wird, irgendwann dem Druck nicht mehr standhält. Früher oder später, abhängig von Bestand und Gewässergröße ist ein Platz tot geangelt. Ich gehe wirklich nicht zimperlich mit meinen Stellen um in Bezug auf den Angeldruck und bin der letzte der sagt, zwei Wochen füttern, eine Nacht angeln und dann wieder X Fütterungen bis zur nächsten Session. Aber gerade bei den fallenden Temperaturen und dem durch das Vorfütterverbot stätige Angeldruck scheinen die Karpfen auf kurz oder lang dann diesen Bereich zu meiden.
2. Was ich noch viel Interessanter und ausschlaggebender finde, ist die Beobachtung, die ich schon an mehreren Gewässern machen konnte, dass sich die Fische im Herbst (ab Oktober/November) gerne im tieferen oder sogar tiefsten Areal des Gewässers sammeln. Dort scheinen sie bei den fallenden Wassertemperaturen guten Rückzug zu finden und bereiten sich auf den Winter vor und hauen sich den Bauch voll. Doch ab einem bestimmten Punkt, schätzungsweise ab 4-6 Grad Wasser ist der Winter auch in der Welt der Karpfen angekommen und ich habe den Eindruck, dass die Fische sich dann wieder auf den Weg machen und sich teilweise in sogar deutlich flacheren Gefilden aufhalten. Denn dort ist einfach mehr Licht und an schönen Tagen sogar wärmende Sonnenstrahlen. Gibt es dann in diesen Zonen auch noch große Tothölzer oder sogar andere Unterschlüpfe, sind genau diese Punkte echte Hotspots. Auch im tiefen Winter sehe ich es dadurch selten als sinnvoll an, alle Ruten an den tiefsten Stellen zu platzieren. Ich habe mal an einem Gewässer im Januar geangelt, welches ca. 12 Meter tief war. In dieser Instant-Nacht fing ich drei Karpfen auf einem halben Meter Wassertiefe, da ich bei einer Location Tour mit dem Boot die Fische dort in einem Busch entdeckte - unglaublich aber wahr.
Abschließend möchte ich hier noch mal verdeutlichen, dass diese wilden Theorien lediglich auf meinen Erfahrungswerten beruhen und KEINE wissenschaftlichen Fakten sind!! Allerdings decken sich die Forschungen von bspw. Dr. Robert Arlinghaus oft mit meinen Erfahrungen.
In diesem Sinne, geht raus ans Wasser und versucht euer Ding zu machen, denn nur Versuch macht klug!
Peace - Zille